Kapitel 8

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Es macht mich richtig fröhlich zu sehen, wie Lenny mit den Gästen umgeht. Als hätte er noch nie etwas anderes gemacht, bedient er sie höflich und geht sogar auf den ein oder anderen kleinen Witz ein. Doch seine komischen Hämatome machen mir doch ein wenig Sorgen. Denn Lenny ist beim besten Willen kein Judoka. Ich kann mir in diesem Jungen viel vorstellen, aber keinen Kampfsportler.

Dennoch beschließe ich, die Sache erst einmal auf sich beruhen zu lassen. Das liegt nicht zuletzt an Amelie, die mir immer noch mit ihrer Warnung im Kopf herumgeistert.
Verdammt, diese dämlichen Zweifel hatte ich doch schon einmal erfolgreich abgelegt.

Ich gehe also dazu über, Lenny weitere Techniken beizubringen und einiges zu erklären. Eine weitere Familie trifft ein, die wir schon als Stammkunden bezeichnen. Auch ihnen stelle ich Lenny kurz vor und sie scheinen sich ganz gut zu verstehen. Es kam wirklich selten vor, dass wir einen Kollegen gefunden haben, der sich so gut anstellt.

Irgendwann ruft auch Amelie einmal nach mir, wegen eines stumpfen Messers nehme ich an, und ich habe kein schlechtes Gewissen, die Gäste allein Lenny zu überlassen.
„Viktor, das Ding schneidet schlechter als meine Handkante, könntest du das bitte mal anschleifen?", bittet Amelie und deutet auf eines der gigantischen Messer. Wusst' ich's doch.
„Und während du das machst: Dir sind sicherlich Lennards Arme aufgefallen?"
„Lenny. Aber ja, sind sie. Er meint, er hatte einen Judowettkampf", berichte ich.
„Und das glaubst du?"
„Nein, tu ich nicht. Aber du meintest doch, ich soll vorsichtig sein."
„Mh, hast ja Recht", lenkt sie ein, „aber glaubst du mir jetzt, dass irgendwas mit dem Jungen nicht in Ordnung ist?"
„Drück das nicht so aus, als wäre er ein Psychopath", beschwere ich mich.
„Und wenn, Psychopathie ist zu Unrecht verrufen", meint Amelie schulterzuckend.

Ich will gerade etwas erwidern, als uns ein erstickter Schrei aus dem Nebenraum erreicht.
Einen entsetzten Blick später eilen wir dorthin – das Messer habe ich in einem Geistesblitz noch beiseite gelegt – und werden auf der Türschwelle stürmisch von einem nahezu winzigen Mischling begrüßt.
„Hey Winnie, keine Zeit, sorry", rufe ich und laufe an ihm vorbei.

Im Gastraum bietet sich uns ein trauriges Bild. Im Türrahmen steht erstarrt wie ein silberbesprenkelter Geist Eleanor, während auf dem Boden Lenny kniet und eilig, mit zitternden Händen die Scherben von Tassen und Untertassen zusammensammelt.
Ich kann nur erahnen, was passiert sein muss, aber das reicht, um mitleidig zu seufzen.
„E-es tut mir so leid! Bitte verzeih mir!", fleht Lenny mich an und macht wie in Trance mit den Scherben weiter.
„Nun lass doch sein Kleiner, du schneidest dich noch!", warnt Eleanor, die langsam aus ihrer Geisterstarre erwacht. Die alte Dame wollte wohl wie jeden Montag vorbeikommen, um sicher zu gehen, dass in ihrem Café auch alles mit rechten Dingen zugeht. Natürlich ist sie auch an anderen Tagen da, aber der Montag ist eben einer von ihren Lieblingen. Leider behält sie mit ihrer Vision schneller Recht als uns allen lieb ist.

Schon tropft Blut aus Lennys Hand in die Kaffeepfütze am Boden.
Dieser ist immer noch diverse Entschuldigungen stammelnd dabei zu versuchen, das gesplitterte Porzellan aufzuheben.
„Hey Lenny, hör auf damit!", fordere ich und ziehe ihn sanft aber bestimmt am Arm nach oben. Entsetzt sieht er mich an.

Vorsichtig nehme ich die größeren Scherben aus seiner Hand, bevor ich diese drehe und den Rest zurück auf den Boden fallen lasse. Das können auch Kehrschaufel und Besen.
„Komm erstmal mit, alles ist gut!", versuche ich Lenny zu beruhigen.
Nachdem ich ihn ein bisschen aus seiner Position ziehen musste, folgt er mir bereitwillig in das Büro und lässt sich widerstandslos auf seinen Sessel drücken.

„Ganz böser Junge", haucht er und starrt verzweifelt auf den Boden.
„So ein Unsinn", entgegne ich schockiert. Das sagen vielleicht Leute in den merkwürdigen Daddykink-Geschichten, die mir einer der etwas komischeren Freunde immer mal weiterleitet, aber kein Engel wie Lenny.

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