6. Dezember

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Ich lag auf meinem Bett und lauschte den dumpfen Stimmengewirr von unten. Meine Mutter hatte die Nachbarn eingeladen, um mit unserem Haus, der Deko und dem Essen anzugeben. Sie nannte es aber "Nikolausfeier". Ich hatte mich nach oben zurück gezogen mit der Ausrede mir ginge es nicht gut, meine Mutter sagte jedoch unseren Gästen, dass ich wie wild für die Schule lernen würde, damit ich später Ärztin oder so werden könnte. Genau... Auf meinem Nachtisch lag ein Weihnachtsmann aus Schokolade, natürlich nicht von meinen Eltern, sondern von Santa. Ja ich hatte es auch nicht glauben können, aber heute hatte ich wohl zumindest Ruhe vor ihm. Jetzt musste ich nur noch den Tag überstehen. Vielleicht konnte ich ja was lesen, oder doch den Weihnachtsmann essen. Ich tat nichts von beidem, am liebsten hätte ich geweint, oder noch besser die Zeit vorgespult zum Frühjahr. Noch nicht mal Ben hatte auf meine Nachricht heute morgen reagiert, er war wohl immer noch sauer auf mich. Plötzlich klopfte es sacht gegen die Tür, ich richtete mich auf und Abby stand auf einmal im Raum. "Hey", rief ich überrascht. "Na du", sagte sie vielversprechend, schloss die Tür und setzte sich zu mir aufs Bett. Ich war komplett überrumpelt. "Wieso bist du nicht bei deiner Familie und feierst, es ist gleich halb sieben, kommt dann nicht immer der Nikolaus für deinen kleinen Bruder?", fragte ich verwirrt. Abby grinste schief. "Ich bin die Gehilfin des Nikolauses sozusagen", sagte Abby nun verschwörerisch. Ich verstand nur Bahnhof. "Aha", runzelte ich also die Stirn, "Und warum bist du dann nicht bei deinem Bruder und hilfst ihm beim Schokolade essen?" Sie lachte kurz. "Ach Süße, den ganzen Tag habe ich nichts von dir gehört, außer deine Snaps in denen du die Decke anstarrst." Ich seufzte theatralisch. "Ich weiß gar nicht was du hast, ist doch eine tolle Stimmung bei uns im Haus", damit ließ ich mich wieder zurück aufs Bett fallen. Abby verdrehte die Augen, "Los jetzt Kayla, zieh dir was an, kämm dir die Haare und komm mit." Jetzt setzte ich mich doch wieder auf, "Ich darf mit zu dir kommen?", fragte ich hoffnungsvoll. Abby lachte wieder, warum konnte sie mir nicht sagen was los ist? "Nein, viiiel besser", rief sie begeistert, zog mich hoch und maschierte zu meinem großen Kleiderschrank. Ich schaute ihr irretiert nach. "Hier und jetzt beeil dich", sie warf mir eine schwarze Jeans und einen hässlichen roten Weihnachtspulli zu, den meine Mutter für uns alle letztes Jahr besorgt hatte. Dann verließ Abby das Zimmer. Meine Neugierde war geweckt, in sekundenschnelle hatte ich mich angezogen, mich gekämmt und folgte Abby nun die große Treppe runter. "Na wo wohlt ihr denn hin?", fragte meine Nachbarin Frau Meldner, als ich gerade dabei war meine Schuhe anzuziehen. Abby schaute sie erschrocken an. "Wie gehen in die Bücherrei, ich will mir ein Buch über Medizin ausleihen, man kann ja nie früh genug anfangen.", sagte ich überfreundlich und lächelte sie zuckersüß an. In windeseile rannten Abby und ich aus dem Haus und kicherten, Frau Meldner sah uns nur entgeistert nach.

Meine Augen waren verbunden, aber wir befanden uns in irgendeinem Gebäude. Es war warm und die Wege kamen wir irgendwie bekannt vor. Ich spührte eine Tür vor mir. Meine Finger kribbelten und ich war, warum auch immer, mächtig aufgeregt. "Bereit?", fragte Abby geheimnissvoll. Sie hatte die Tür geöffnet und mich in einen weiteren Raum geschoben. "Nein, ich habe etwas Angst vor dir", gab ich nur zurück. Abby kicherte und kam zu mir, "Auf drei darfst du schauen, drei... zwei... eins..." "überraschung!", schlug es mir entgegen, in dem Moment, wo ich die Augenbinde abnahm. Ich war wie gelähmt. "Oh mein Gott", flüsterte ich und konnte nur starren. Abby hatte mich in die Aule der Schule gebracht, vor mir lagen viele Picknicksdecken, mit den verschiedesten Plätzchen und Lebkuchen darauf. Weihnachtsmusik setzte ein, ein würziger Duft zog mir in die Nase und im Licht des Kerzenschein sah ich... ....Alle Teilnehmer der Weihnachts-AG. "Was macht ihr denn hier Leute?", rief ich entgeistert, sogar Marry war hier. Nun kamen alle lachend auf mich zu und zogen mich in eine feste Umarmung, ich konnte förmlich spühren wie mein Herz auftaute. "Das war Abbys Idee", rief Min lachend, nachdem sie mich umarmt hatte, "Wir kennen uns aus Sport und sind uns heute zufällig über den Weg gelaufen, da hat sie mir erzählt, dass sie dich heute eigentlich überraschen will, weil es für dich in den letzten Tagen nicht so schön war mit deiner Famile, dann der Schulstress und so weiter. Da kam ich dann auf die Idee daraus ein Projekt für die Weihnachts-AG zu machen." Ich satrrte sie an, war das ihr Ernst? Sowas hatte noch niemand für mich gemacht. "Das ist der Zauber von Weihnachten, Baby", rief David nun gut gelaunt und kam auf mich zu, "Das zu organiesieren hat den ganzen Mittag zwar gedauert, aber es hat sich gelohnt!" Ich grinste ihn an, dann drehte ich mich zu Abby, die sich dezent im Hintergrund gehalten hatte. Ich rannte auf sie zu und fiel ihr um den Hals. "Danke!", wisperte ich gerührt, "Ich weiß gar nicht was ich sagen soll?" "Bitte keine große Rede", rief Marry hinter mir, "lasst uns endlich feiern!" Damit setzten wir uns lachend auf die Decken, aßen Plätzchen, quatschen und sangen zu den Weihnachtsliedern. Wir erzählten Abby auch von unserem Treffen mit den Senioren gestern und unserer wilden Mehlschlacht. Von Hans, Herta und was uns noch so alles einfiel. Die Zeit verflog wie im Flug, mittlerweile hatten wir eine bedächtige Menge Glühwein getrunken und legten spektakuläre Tanzeinlagen auf der Bühne der Aula ein. Ich warf den Kopf in den Nacken und lachte, ich hatte mich noch nie so frei gefühlt. "Bist du glücklich?", fragte mich aufeinmal eine tiefe Stimme. Sie war ganz nah an meinem Ohr und als ich den Blick der Stimme zuwand, war mein Gesicht  nur wenige Zentimeter von Luca entfernt. Ich starrte in seine braune Augen, sie sahen aus wie Lebkuchen und mein Herz fing aufeinmal an wild zu klopfen. Er schaute mir so tief in die Augen, dass ich schwörte, dass sich die Halle immer schneller drehte. Ich hielt den Atem an und konnte nur nicken. Hatte er es überhaupt mitbekommen? Er schaute mich nur an. Plötlich tauchte Bens Gesicht vor meinem inneren Auge auf. War ich verrückt geworden? Sofort machte ich einen Schritt zurück. Kälte rieselte mir den Rücken herunter. "Ja, vielen Dank nochmal", brachte ich nur hervor und zwang mich zu einem unbekümmerten lächeln. Luca neigte nur den Kopf. "Was ist?", fragte ich zögernd. Er überlegte kurz, vermutlich versuchte er die richtigen Worte zu finden. "Ich versuche immer wieder dich zu verstehen, aber immer wenn ich denke, dass ich hinter deine Mauern blicken kann, ziehst du sie noch höher" Mein Herz schlug kräftig gegen meine Rippen, ich lächelte ihn an, "Seit wann willst du mich verstehen, ich dachte ich bin eine Prinzessin?", fragte ich scherzhaft. Er blieb aber ernst, "Seit dem ich wissen will, was hinter dem Cover ist" Wir schauten uns an. "Begrüßt unser neustes Mitglied der Weihnachts-AG, Abby!", rief aufeinmal David. Ich dreht mich um, er hielt ihren Arm fest und reckte ihn in die Höhe, sie lachte und wir fielen mit ein und klatschten. Was für ein schöner Tag!

Bist du Santa?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt