Bist du Santa?

15. Dezember

Ho ho ho Kayla! Weißt du was ich heute morgen erfahren habe? Die kleine Marry hat ihren Mathetest zurückbekommen. Es ist wohl eine solide 2 geworden, gute Arbeit! Ich hoffe du steckst gerade all deine Kraft in die Vorbereitungen der Weihnachtsfeier und in die Organisation des Spendenlaufs. Gutes Gelingen! LG Santa

Nein, meine Gedanken waren nicht bei der Weihnachtsfeier. Und nein auch nicht beim Spendenlauf. Eher waren sie bei meiner Mutter, Ben, Luca... Was sollte ich nur tun? Ich hatte das Gefühl meine ganze Welt würde auseinanderbrechen. Vielleicht sollte ich einfach alles absagen, von zu Hause ausziehen, in eine neue Stadt gehen und einen neuen Namen annehmen. Noch einmal von vorne anfangen, ganz von vorne. Warum wollte mich niemand so wie ich war? Warum musste ich immer jemand anderes sein. Für Mum die vorbildliche Tochter, für Ben die perfekte Freunden, ja sogar jetzt für unseren Direktor eine Vertrauungsperson! Wie sollte ein Mensch das alles tragen können? Und dann war da Luca. Luca der mich noch nie ändern wollte, Luca der mich nach meiner wirklichen Meinung fragte, Luca dem es egal war, ob ich eine billige Hose oder ein Designerkleid trug. Aber auch Luca, der schon eine Freundin hatte, eine Freundin, die er liebte und der ich das nicht kaputt machen wollte.

Meine Mutter hatte mir immer beigebracht, wenn ich etwas will, dann soll ich es mir verdammt nochmal nehmen. Nicht auf andere achten, sie immer übertrumpfen. Aber ich konnte das nicht mehr. Vielleicht wollte ich ja Luca, aber ich konnte ihn nicht einfach nehmen. Dann wäre ich wie meine Mum oder Lola und so wollte ich nicht sein. Das Leben bestand nun mal nicht nur aus nehmen, dass hatte ich diesen Dezember gelernt. Man musste sich manche Sachen auch verdienen, so wie die Wertschätzung von anderen. Daher hatten mich auch am ersten Dezember die Jungs auflaufen lassen. Ben wollte damals keinen Ärger und hatte mich quasi ins offene Messer gesetzt. Und ich hätte es vermutlich damals genauso gemacht!

Manchmal musste man auch anderen etwas geben. Wie die AG, die mir auch eine zweite Chance gegeben hatte. Oder den Senioren, denen wir ein Weihnachten schenken wollten, samt Ball! Oder den Kindern, denen wir Geld für ihren Kindergarten spenden wollten. Am Anfang hatte ich diese Ansätze lächerlich gefunden, ich hatte darüber gelacht. Jetzt verstand ich, warum mich Luca damals als verwöhnte Prinzessin betitelt hatte. Irgendwo hatte er recht gehabt... Aber das würde sich jetzt ändern. Ich wollte nicht mehr perfekt sein, ich wollte nur noch ich selbst sein!

Wir waren mal wieder bei den Senioren, zusammen mit Abby und Gunter formten wir gerade Vanillekipferl. Wir hatten den Senioren von dem Spendenlauf für die Kinder erzählt, der einfach schon in 2 Tagen war (!). Daraufhin wollten sie unbedingt auch ihren Teil dazu beitragen und da für sie Geld spenden nicht so optimal war, hatten sie beschlossen noch mehr Plätzchen zu backen, die wir den Kindern dann in ihrem Namen übergeben sollten. Ich war hin und weg von der Idee, aber komplett im Organisationsstress. Ich hatte gestern abend und heute morgen noch viel mit Luca geschrieben, es gab noch so viel zu tun. Auch hatte ich Abby von meinem Dilemma erzählt und es war tröstend, dass sie komplett hinter mir stand und versuchte mir Arbeit abzunehmen.

Ich hatte versucht bei meinen Gesprächen mit Luca so normal wie möglich zu bleiben, daher hatte ich vermutlich etwas kalt und distanziert gewirkt und er hatte mich auch mehrmals gefragt, ob alles in Ordnung sei. Ich hatte das immer ignoriert. Über Gefühle wollte ich gerade genauso wenig reden, wie über meine Mutter.

"Kayla?", fragte mich plötzlich Abby und ich blinzelte sie verwirrt an. Sie und Gunter musterten mich neugierig. Ich war mal wieder überfordert. "Entschuldigung, worum ging es?", fragte ich nun und lächelte peinlich berührt. "Gunter hatte gefragt, ob du ihm das Mehl geben kannst", wiederholte Abby wohl Gunters Worte. Gunter war der beste Freund von Hans, welcher ihm schon die ganze Zeit berichtete, wie sehr er sich auf sein Date mit Herta freute.Schnell reichte ich Gunter das Mehl. "Du bist heute nicht so ganz bei der Sache, Mädchen", sagte Gunter und nahm das Mehl entgegen, "Die letzten Tage warst du immer viel aktiver" "Ich bin nur nicht so gut drauf", sagte ich schlicht und setzte ein kleines Lächeln auf, diese alten Leute waren einfach nur zu niedlich. "Ah ich verstehe schon", sagte Gunter nun und schaute Abby und mich allwissend an, "Du bist enttäuscht, dass dich Luca noch nicht gefragt hat, ob ihr zusammen zum Ball geht, richtig? Aber keine Sorge, gib dem Jungen etwas Zeit, der wird sich schon rucken" Ich schaute ihn an, wollte er das ich anfing zu weinen? "Luca geht vermutlich mit seiner Freundin hin", warf Abby schnell ein, die wohl mein Gesicht gesehen hatte. "Der hat eine Freundin?", fragte Gunter nun neugierig. Ich schaute kurz über die Schulter, zum Glück war niemand in Hörweite. "Ja, hat er", sagte ich nun etwas bissig und schlug auf meinen Teig, wieso war der nur so blöd zum kneten, "Eine sehr hübsche Freundin wohl gemerkt, die so ziemlich das Gegenteil von mir ist" Abby schaute mich mitfühlend an und legte mir einen Arm um die Schulter. Ich hatte keinen Liebeskummer! "Also davon glaube ich nichts", sagte Gunter nun und zwinkerte mir zu, "Der klebt doch nur so an deinen Lippen, wir haben hier schon Wetten über euch laufen" Abby prustete los und ich schaute ihn nur verdattert an. "Er meinte, dass ich bin eine verwöhnte Prinzessin sei", schnaubte ich jetzt. "Dann wird er vielleicht bald auf seinem weißen Pferd zu dir reiten, er beobachtet dich nämlich schon wieder", grinste Gunter. Ich schaute mich "unauffällig" um, Luca stand bei David und Herta und machte Ausstecher. Wir sahen uns genau in die Augen, als er leicht lächelte drehte ich mich schnell wieder um. "Es ist kompliziert", sagte ich schnell und konzentrierte mich wieder auf den Teig. "Bei euch jungen Leuten ist es immer kompliziert", lachte Gunter.