9.Dezember

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Ein leichenbleiches Gesicht starrte mich aus scheinbar leblosen Augen an. Es sah gebrochen aus und am Rand des verzweifelns. Seit bestimmt 20 Minuten saß ich nun vor meinem Spiegel und versuchte meine Augenringe mit Concealer zu überdecken, aber ich hätte genauso gut versuchen können ein LED-Licht in einem dunklen Raum zu verstecken. Jeder der mich ansah und eins und zwei zusammenrechnen konnte, wusste das ich die ganze Nacht geweint und mit Abby telefoniert haben musste. Ich hatte jetzt also zwei Optionen. Die erste: Ich ging jetzt in die Schule, obwohl ich spät dran war, setzte mein bestes Lächeln auf und spielte das starke, selbstbewusste Mädchen, dass niemand brechen konnte, oder ich erzählte meiner Mutter was passiert war und blieb zu Hause. Schule klang wirklich vernünftig.

Das Gute war, da ich sehr spät war und der Unterricht schon angefangen hatte waren die Flure der Schule wie stillgelegt. Aus den Klassenräumen drangen gedämpfte Stimmen und meine Schuhe gaben dumpfe Geräusche, als ich durch die Flure zu den Kunsträumen wanderte. Ich blieb vor der richtigen Tür stehen und atmete noch einmal tief durch. Ganz ruhig, Ben wird auch in diesem Raum sein. Du ignorierst ihn jetzt und tust so, als hättest du seine zehntausend Anrufe und Nachrichten gestern nicht bekommen. Mein Handy blinkte in meiner Hand auf, ich hatte eine Nachricht erhalten:

Ho ho ho Kayla, du bist mal wieder Gesprächsthema Nummer eins in der Schule. Nur leider in einem nicht ganz so schönen Zusammenhang. Ich bin ja auch kein Unmensch oder so, daher lass ich dich für heute in Ruhe, vorallem da du wahrscheinlich die Schule heute meiden willst. LG Santa

Ich straffte die Schultern, von wegen meiden! Entschlossen klopfte ich gegen die Tür, tart ein und entschuldigte mich für mein zuspät kommen. Augenpaare musterten mich überrascht und ein paar Mädchen flüsterten aufgeregt, Ben war kurz hoch gezuckt, hatte sich dann aber schnell wieder hingesetzt. Ich bleib kalt. Mit erhobenen Kopf maschierte ich zu meinem Platz neben Abby und setzte mein perfektestes Lächeln auf. Sogar Luca starrte mich an, als wäre ich ein anderer Mensch. Vielleicht war das auch so, nach Außen wirkte ich wie immer perfekt, aber in meinem Inneren breitete sich eine kalte Leere aus.

Zum ersten mal konnte ich es nicht erwarten, dass der Schultag vorbei ging, ich hatte das Gefühl mein Streit gestern mit Ben war das Gesprächsthema gewesen. Ja es gab sogar ein Video davon! Wer zum Teufel filmte sowas? Hatten diese Leute noch nie etwas von Privatsphäre gehört? Sogar manche Lehrer hatten mich mitfühlend angesehen, seit wann interessierten die sich für unseren Schülerklatsch? In den Pausen, hatte ich mich mit Abby in der Bücherrei versteckt, wo uns zum Glück niemand gefunden hatte. Obwohl Ben mir und Abby abwechseln Nachrichten geschickt hatte, da er noch immer mit mir reden wollte. Aber ich fühlte mich im Moment noch nicht bereit dazu. Jetzt waren wir auf dem Weg zur Aula, wir wollten mit der AG heute unseren Plan für Donnerstag nocheinmal besprechen. Als wir zum ersten mal im Seniorenheim gewesen waren, war uns allen sofort aufgefallen, wie dunkel und trostlos es dort ausgesehen hatte. Das Heim hatte nicht viel Geld und konnte sich keine Deko oder ähnliches leisten, daher wollten wir am Donnerstag mit den Senioren selbst Deko basteln. Irgendwie freute ich mich darauf.

Als wir die Aula betraten, waren die anderen schon da. Mitleidig schauten alle in meine Richtung, aber mein lächeln saß perfekt. Nur Abby rückte etwas näher an mich heran und ich merkte das meine Hände eiskalt waren. "Okay Leute, ich will weder was hören, noch Mitleid. Bitte seit ganz normal", sagte ich nun laut in die Runde. Sofort senkten alle den Blick, als wir uns nun zu den anderen in den Stuhlkreis setzten. Ich schlug die Beine übereinander und faltete die Hände in meinem Schoss, es konnte losgehen.

"Wie wären Fröbelsterne", rief Lina, ein übereifriges Mädchen aus der 8. Klasse nun. Ich saß mit ihr, Marry und David zusammen und sammelte Bastelideen. "Ja sehr gut", rief Marry begeistert und klatschte in die Hände. Ich musste etwas grinsen, egal welche Idee man hatte, Marry fand sie "sehr gut". David nickte auch begeistert und schrieb es auf unsere Liste. "Oder wie wäre es wenn wir Gläser gestallten, wo man dann ein Teelicht reinstellen kann", rief Marry nun und steckte sich ein Lebkuchen in den Mund. Wieder schrieb David die Idee auf, wir kamen wirklich gut voran und auch die anderen Gruppen hatten scheinbar gute Ideen. Die Stimmung war wie immer gut und zu meinem überraschen fand ich die Weihnachtsmusik die leise im Hintergrund lief nicht mehr ganz so ätzend. Leicht wippte ich mit dem Fuß im Takt dazu und ließ mich von den Stimmen meiner Kameraden berieseln. "Hast du auch eine Idee, Kayla?", fragte mich nun David und auch die anderen schauten mit erwartungsvoll an. Ich überlegte kurz. "Ich bin wrklich nicht so kreativ wir ihr", sagte ich nun etwas verlgen. "Sag einfach was du denkst, wir verurteilen niemanden", ermutigte Lina mich und strahlte mich offen an. Ich dachte kurz nach, dann kam mir doch eine Idee, "Wie wäre es wenn wir mit den Senioren Lebkuchenhäuser machen? Es könnte dann ja bis Weihnachten eine anonyme Abstimmung laufen und dann wird das schönste Haus gekrönt." Komischerweise waren alle total begeistert von der Idee und die Zeit bis zum Ende der Doppelstunde verflog nur so. Mit guten Ideen ausgesattet verließen wir zusammen lachend die Aula, zum Glück hatte ich mich dafür entschieden zur Schule zu gehen.

Es war bitter kalt draußen. Ich wartete jetzt schon 10 Minuten auf meinen Vater, der mich heute von der Schule abholen wollte. Die anderen waren alle schon gegangen und irgendwie wurde der Himmel schon wieder dunkel. Warum waren im Winter die Tage nur so kurz? "Hey, auf wen wartest du?", hörte ich eine ruhige Stimme hinter mir. Ich drehte mich um und tibbelte auf der Stelle hin und her, es waren bestimmt Minusgrade. Luca stand vor wir, auch ihm schien kalt zu sein, denn er hatte seine Mütze tief in die Stirn gezogen und seine Hände in den Jackentaschen vergraben. Ich lächelte ihn freundlich an, "Auf meinen Vater... Er wollte mich abholen, du?" "Auf niemande, ich habe nur mein Biologiebuch im Spind vergessen", antwortete er. Ich lachte kurz auf, "Der Einserschüler hat was vergessen?" Er verdrehte nur die Augen und schüttelte lächelnd den Kopf. Schweigen, Stille. Nur der Wind strich durch die kahlen Bäume. Aber ich empfand diese Stille als eigentlich sehr angenehm. "Du musst nicht mit mir warten", unterbrach ich sie dann aber doch. "Oh nein, alles gut", sagte Luca schnell und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, "Eigentlich wollte ich dich nur den ganzen Tag schon fragen, ob es dir gut geht. Also wegen Ben und so. Also nicht das du denkst ich beobachte dich oder so. Also nein, so ist es nicht. Es hat nur irgendwie jeder gestern mitbekommen was passiert ist..." Er wirkte etwas verlegen, als er das nun so sagt. Sein Blick war nicht mitleidig, wie bei allen anderen, sondern einfach nur traurig, als würden wir den gleichen schmerz teilen. War er auch von jemandem so enttäuscht worden, wie Ich? "Danke, aber es geht schon", sagte ich also freundlich und war irgendwie erleichtert es zum ersten Mal wirklich so zu meinen. Luca schien ebenfalls erleichtert, denn er grinste mich schief an, "Das erste mal, dass ich dir diese Worte heute glaube." Damit winkte er mir nochmal zu und verschwand die Straße entlang.

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