12. Dezember

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Kritisch betrachtete ich mich im Spiegel. Ich hatte mich für die Schule lange nicht mehr so ordentlich zurecht gemacht. Ich sah wie ein braves Mädchen aus, einfach nur liebenswürdig. Meiner Meinung nach sah ich sogar unschuldiger aus wie Marry. Ich trug ein graues Strickkleid mit einer blickdichten Strumpfhose, dazu meine geliebten Boots, eine graue Mütze mit dicken Bommel und meine Haare waren in einem ordentlichen Zopf. Konnte man noch verantwortungsbewusster aussehen? Aber vielleicht zog ich doch noch schnell einen Gürtel dazu an... Das Strickkleid war nämlich doch sehr weit geschnitten. Perfekt, der Direktor konnte einfach nicht nein sagen!

Ho ho ho Kayla, ich hoffe du vergisst deine Plätzchen nicht und ziehst dir was nettes für euer Gespräch mit dem Direktor an. Lass mal deinen ganzen Charm spielen und sei unwiderstehlich! Viel Glück! LG Santa

Ich grinste als ich die Nachricht las. Es klang eher danach, dass ich meinen Direktor verführen sollte, anstatt mit Plätzchen zu bestechen. Luca und ich warteten vor dem Büro des Direktor Weißners. Er ging ungeduldig auf und ab, während ich zum gefühlt tausendsten mal mein Kleid glatt strich. Ich hätte doch eine Hose anziehen sollen. Endlich wurden wir aufgerufen und ich fing nervös an auf meiner Unterlippe herumzukauen. Luca und ich wechselten noch einen nervösen Blick, dann traten wir ein. Um es dramatisch auszudrücken: Wir gingen in die Kammer des Schreckens.

"Ihr wollt was tun", donnerte Direktor Weißner uns entgegen, als wir ihm unsere Situation geschildert hatten. Also Luca hatte sie geschildert, ich hatte nur daneben gestanden und dem Direktor meine Dose mit Plätzchen hingehalten. Gerade zerkrümelte er einen in seiner Hand, anscheinend schmeckten sie doch nicht so gut wie Magda gesagt hatte. Ich hätte welche kaufen sollen. "Zusammenfassend gesagt: Einen Spendenlauf an der Schule organiesieren, womit wir Geld für den Kindergarten sammeln können", antwortete Luca höfflich. Ich bewunderte ihn, bei der wenigen Geduld die der Direktor zeigte hätte ich ihn vermutlich meine Worte nur so entgegen geschleudert. Er zerkrümelte aber jetzt lieber einen weiteren meiner Kekse. Hallo? Gleich würde nicht nur seine geschmackslose Kravatte sein blödes Hemd zieren, wenn er weiter meine harte Arbeit zerstörte. Doch der Direktor dachte kurz nach und Luca und ich setzten unser bestes Lächeln auf. "Welcher Kindergarten?", bellte er jetzt. "Na der wo abgebrannt ist. So viele kommen da ja nicht in Frage", antworte ich genervt. Direktor Weißner sah mich wütend an und Luca verpasste mir einen Hieb mit dem Ellenbogen. "Was Kayla meint ist, dass es wirklich dringend ist", sagte er nun schnell, bevor der Direktor mich anfahren konnte, "Den Kindern geht das gesamte Weihnachten verloren. Es gibt fast keine Spielsachen und sie sind alle zusammen in einer kleinen Turnhalle." Ich nickte schnell. So hatte ich es ja gemeint. Der Direktor musterte uns und ich hielt den Atem an. Meine Hände wurden kalt, als ich zu Luca blickte, schaute der aber nur treu den Direktor an. "Und eure AG organisiert alles?", harkte er nach. "Ja", antwortete Luca. "Und wer leitet die AG?", setzte er prompt hinterher. "Wir", sagte Luca entschieden. Moment! Wir? Also auch ich? "Ich muss kurz überlegen", sagte der Direktor nur trocken. Ich drückte still die Daumen.

Als die Tür hinter uns zugeschlagen wurde brach ich in einen wilden Freudentanz aus. "WIR HABEN ES GESCHAFFT! GESCHAFFT! GESCHAFFT!", rief ich begeistert und ließ meine Blechdose ausversehen fallen. Ich wollte sie ja eigentlich beim Direktor im Büro lassen, doch der hatte abgelehnt. Luca grinste breit, während ich um ihn herum sprang. Konnte er nicht auch mal irgendwelche Emotionen zeigen? "Du warst einfach super!", rief ich nun in meiner Freude und umarmte ihn stürmisch, dass er einen Schritt zurück machen musste. "Nein!", sagte er lachend, "Wir waren super, wie du ihn angefahren hast war einfach genial." Ich lachte nur noch mehr, auch Luca freute sich nun richtig. Ein süßer Duft nach Weihnachten stieg mir in die Nase. Ich löste mich langsam aus seiner Umarmung. Röte stieg mir ins Gesicht, so hatte ich das nicht geplant. Wir standen nun so dicht zusammen, dass ich einzelne seiner Wimpern ausmachen konnte. Mir wurde kochend heiß. Aber weder er noch ich machten Anstalten etwas dagegen zu unternehmen. Kayla reiß dich zusammen, du hast dich gerade von Ben getrennt, dass kannst du nicht bringen. Außerdem mag er dich vielleicht gar nicht. Ich räusperte mich und schaffte wieder Platz zwischen uns. Der süße Duft  war verschwunden und ich hatte das Gefühl zu frieren. Warum hatte ich es soweit kommen lassen? Wir schauten uns noch kurz an, tauschten schüchterne Blicke aus. Was tat ich hier gerade? "Also... äh... ich muss dann jetzt los...", stammelte ich verlegen und es schien, als hätte ich Luca aus einem Traum geweckt, denn er zuckte kurz zusammen. "Ja, dass sollten wir... also du ja... du solltest wohl besser gehen", sagte er schnell. Ich nickte kurz und drehte mich um, um schnell aus dieser unangenhemen Situation zu entkommen. "Kayla!", rief Luca mir plötzlich nach. Zitternt drehte ich mich um, aber er brachte mir nur meine Blechdose. Die hatte ich schon wieder ganz vergessen. "Du hast deine Dose verloren", sagte er ruhig und reichte sie mir. Ich murmelte etwas, das ich selbst nicht verstandte und lief dann den Flur entlang. Nein, meine Blechdose hatte ich wohl nicht verloren...

Bist du Santa?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt