„Sehen, hören, riechen, schmecken, tasten. Unsere fünf Sinne, ohne welche wir nicht überlebensfähig wären. Die Möglichkeit, einen oder mehrere zu verlieren, besteht, aber wir haben Mittel und Wege das zu verhindern oder auszugleichen. Das heißt nur, weil du nicht sehen kannst, bist du nicht auf dich allein gestellt.
Doch was wäre, wenn wir Menschen noch viel mehr wahrnehmen könnten und zu mehr fähig wären, aber uns das Organ dazu fehlt? Die Möglichkeiten wären grenzenlos. Mit dem richtigen Organ könnten wir beispielsweise unter Wasser atmen oder durch die Lüfte fliegen.
Vielleicht könnten wir sogar mit den Verstorbenen in Kontakt treten und ihre Anwesenheit spüren, mit ihnen reden und sie sehen. Doch so einfach, wie ich mir das vorgestellt habe, ist es natürlich nicht. Wir können uns nicht einfach an der Evolution zu schaffen machen und die Ergebnisse verfälschen.
Selbst Klonen, auch wenn das nicht zu meinem Thema gehört, wäre ein Bruch mit der Evolution. Wir hätten niemals so schlau werden sollen. Denn unser Wissen, unsere Vorstellungskraft und unser Drang, die Grenzen des Möglichen zu überschreiten, haben uns, oder eher mich, überhaupt erst an diesen Punkt gebracht.
Ich hätte es lassen sollen, als ich noch die Chance hatte. Nun ist es zu spät. Ich wurde sie nicht mehr los, die Dämonen, die ich mit meinen Experimenten geschaffen habe. Dabei sollte es gar nicht, um die Erschaffung, sondern nur um die Erforschung von Mutationen gehen.
Ich gebe es zu. Ja, ich habe meine menschlichen Rechte weit überschritten, doch ich konnte nicht anders. Denn ist es nicht der Kern von Wissenschaft, dass allgemeine Wissen über unsere Welt zu erweitern und die Grenzen des Möglichen zu vergrößern?
Sie kamen freiwillig zu mir, die Schatten derjenigen, die sich, geächtet von der Gesellschaft, verstecken mussten. Ich nahm sie auf, jeden, der Fehlbildungen, Überempfindlichkeiten oder andere Arten von Mutationen aufwies. Ich erwarb extra eine ungenutzte Hotelanlage, stellte Pflegepersonal ein und sorgte dafür, dass jeder, der zu mir fand, den bestmöglichen Aufenthalt hatte.
Ihnen zu schaden, war nie meine Absicht. Diese Menschen waren nur der Einstieg in meine Experimente. Ich begann damit sie miteinander bekannt zu machen. Durch Zufall, oder Glück, hatte ich häufig mehrere Menschen unterschiedlichen Geschlechts mit derselben, oder zumindest einer ähnlichen, Art von Mutation. Errätst du worauf ich hinaus will?
Sie haben zuvor eine Erklärung unterschrieben, dass, sollten sie Kinder während ihres Aufenthalts bekommen, ich diese Kinder bei mir behalten dürfte. Viele der Menschen glaubten auch gar nicht daran, dass sie erstens je ein Kind bekommen würden oder zweitens, dass es überhaupt lebensfähig sein würde.
Doch es sind tatsächlich Kinder entstanden. Einige der Eltern weigerte sich, trotz ihrer Erklärung, ihr Kind bei mir zu lassen und es nie wieder zu sehen. In solchen Fällen hatte ich keine andere Wahl, als ihnen die Lüge vom Tod ihres Kindes zu erzählen. Am Ende waren es so viele Kinder, dass ich, schon fünf Jahre nach Beginn des Experiments, die Freiwilligen nach Hause schicken konnte.
Natürlich sträubten sich manche dagegen zu gehen. Nicht wegen ihren Kindern, sondern weil sie nicht wussten, wohin sie gehen sollten. Sie hatten ihre Heimat hinter sich gelassen, damit sie nicht mehr nur das Deformierte Monster der Stadt waren. Ich erlaubte diesen heimatlosen zu bleiben, doch sie dürften auch jederzeit gehen.
Dann konnte ich endlich mit dem eigentlichen Experiment beginnen. Die Kinder trugen Gene in sich, die mit Glück noch weiter mutiert waren, als die ihrer Eltern. Mir gelang es eine bestimmte Mutation zu entschlüsseln und ihre Effekte auf die menschliche Wahrnehmung zu ergründen.
Drei, der Kinder, zeigten besondere Leistungen in ihrer frühkindlichen Entwicklung. Während die anderen teilweise geistige Behinderung aufgrund ihrer Mutationen erlitten, hatten diese Kinder eine sehr hohe Intelligenz. Sie konnten schon mit zwei Jahren perfekt sprechen und mit sechs Intelligenztests lösen, welche auch bei den Einstellungstests der Polizei vielen Probleme bereiten.
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Adventskalender 2020
Short StoryEin Adventskalender für Menschen, die gerne traurige, übernatürliche oder verstörende Geschichten lesen. Kaum eine wird ein gutes Ende haben, bzw. ein Ende, dass halb traurig halb glücklich ist.