24. Türchen - Aller Sinne beraubt

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Wie eine zähe Flüssigkeit, umhüllte sie die Dunkelheit. Ließ kein Licht, kein Geruch, kein Geräusch und kein Gefühl zu ihr durch.

Wenn sie etwas sehen könnte, was würden ihre Augen erblicken? Vielleicht einen Raum. Eingerichtet mit alten Möbeln, staubigen Bildern an den Wänden und einem Kamin, in welchem ein warmes Feuer brennt.

Wenn sie etwas riechen könnte, was würde ihre Nase erschnuppern? Vielleicht die Weihnachtskekse auf der verzierten Porzellanplatte. Oder das Kiefernholz, welches darauf wartet, verbrannt zu werden.

Wenn sie etwas hören könnte, was würden ihre Ohren vernehmen? Vielleicht das Knistern der Holzscheite im Kamin. Oder das Husten, welches, von Wänden abgeschwächt, noch leise zu erahnen ist.

Wenn sie etwas fühlen könnte, was würde ihr Körper spüren? Vielleicht die Wärme, welche der Kamin ausstrahlt. Oder die weiche Haut ihrer Mutter, während sie sich an sie schmiegt und behutsam gestreichelt wird.

Doch nichts drang zu ihr durch. In ihre schützende Hülle. Es wäre die richtige Zeit, sie zu verlassen und all das wahrzunehmen. Alleine konnte sie es jedoch nicht. Sie war zu schwach, zu klein, zu sehr auf fremde Hilfe angewiesen, welche nicht kommen würde.

Sie war nicht die einzige, die Hilfe dringend nötig hatte. Auch ihr Vater, ihre Geschwister, ihre Großeltern und ihre Mutter waren hilflos ihrem Schicksal ausgeliefert. Gefangen in einem Schlaf, den sie bald für immer weiterführen würden.

Ihr Mörder war lautlos, ohne Gnade und heimtückisch. Er breitete sich im gesamten Haus aus, schlüpfte unter den Türen hindurch, erreichte jeden. Die Gäste, die Hausbewohner, die Haustiere. Keiner blieb verschont.

Ihre Mutter und ihre Verwandten, die sie alle noch nicht kannte, hatten sich, nach dem füllenden Weihnachtsbraten, für ein paar Stunden hingelegt. Ihre Mutter blieb im Wohnzimmer, um auf das Feuer zu achten. Auf sie traf der Mörder als erstes.

Er erstickte sie langsam, von innen. Kein Sauerstoff gelangte mehr in ihre Lungen. Auch sie, eigentlich geschützt in dem Bauch ihrer Mutter, starb mit ihr zusammen, am warmen Kaminfeuer.

Niemals würde sie Schnee sehen, Kekse futtern, sich über Geschenke freuen oder ärgern. Sie wurde noch nicht einmal von einem Storch zu ihrer Mutter gebracht. Doch ein Storch hatte sie all ihrer zukünftigen Erfahrungen beraubt, in dem er den Kamin mit seinem Nest verstopft hatte.

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