🐰 Der Hüne im Kaninchenbau

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Nevin

Die Finger klopfen im Rhythmus zu Metallicas One aufs Lenkrad, während ich an der Kreuzung Westlake Avenue und Mercer Street stehe und darauf warte, dass die Ampel endlich auf grün springt. Mein Magen knurrt schon seit einer Ewigkeit wie blöde und ich habe ihm einen ganzen Eimer Chinken Wings von KFC versprochen.

Den ganzen Nachmittag über, während ich bei Hunter im Büro war, regnet es schon wie verrückt und ich beobachte die Regentropfen, wie sie auf die Frontscheibe meines Jaguars prasseln. Wirklich ein ungemütliches Wetter. Plötzlich erhellt ein Blitz den grauen Himmel und ich zucke kurz zusammen, richte dann meinen Blick nach oben und sehe eine fette schwarze Wolke links von mir. Super! Und ich muss auch noch genau in die Richtung. Da kommt Freude auf!

Endlich leuchtet das grüne Licht an der Ampel auf und ich fahre los. Leider habe ich einen alten Nissan vor mir, dessen Fahrer oder Fahrerin eher der Schön-Wetter-Typ zu sein sein scheint, denn das Auto schleicht mit etwas dreißig Sachen die Straße entlang. Stöhnend schüttele ich den Kopf und fluche innerlich. Wenn es in diesem Tempo weiter geht, dann kann ich auch zu Fuß nach Hause gehen. An der Ecke Queen Anne Avenue hält der Nissan an, um einen Transporter herauszulassen. Wie edel! Mein Blick fällt auf die Bushaltestelle rechts von mir und ich runzele die Stirn, denn die junge Frau, die sich notdürftig einen Rucksack über den Kopf hält, kommt mir irgendwie bekannt vor. Sie trägt hellgraue Hotpants, einen grauen Strickpulli und Sneaker an den Füßen. Nicht gerade die passende Kleidung für solch ein Mistwetter.

Als sie sich eine nasse Strähne ihres langen braunen Haares aus dem Gesicht streicht und dann die Brille auf ihrer Nase zurecht rückt, fällt mir ein, woher ich sie kenne. Sie ist einer der Musikerinnen des Orchesters, mit dem die Devilish Ashtons letztens einen ihrer Songs - Deep Down - neu aufgenommen haben. Wie hieß sie noch gleich? Mira, Mara...irgendwas in diese Richtung.

Ich erinnere mich daran, dass sie in den kurzen, knappen Klamotten, die sie während der Proben und auch im Tonstudio getragen ist, immer extrem sexy ausgesehen hat. Normalerweise stehe ich ja eher auf kurvigere Frauen, aber dieses schlanke Mäuschen hat trotzdem jedes Mal aufs neue meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen und ja, ich gebe es zu, in Gedanken habe ich sie auch jedes Mal ausgezogen und meine große Hände über jeden Zentimeter ihres Körpers gleiten lassen.

Mayra!!!

Genau! Das ist ihr Name.

Ohne weiter darüber nachzudenken, halte ich den Wagen neben dem Bordstein an, lasse das Beifahrerfenster herunter und beuge mich leicht nach vorn, um sie besser sehen zu können.

„Hey...", rufe ich ihr zu und drehe gleichzeitig die Lautstärke des Radios herunter.

Die durchnässte Frau sieht sich verwirrt um, dann fällt ihr Blick auf mich und sie kneift die Augen zusammen. Es dauert ein paar Sekunden, aber dann erkennt sie mich. „Hi."

„Brauchst du eine Mitfahrgelegenheit?"

Obwohl wir uns nur flüchtig kennen, kann ich sie doch bei so einem Sauwetter nicht im Regen stehen lassen, oder etwa doch? Womöglich holt sie sich eine Lungenentzündung, wenn sie noch länger in diesen durchnässten Klamotten ausharren muss. Nein, so ein Mistkerl bin ich nicht auch wenn ich vielleicht auf den ersten Blick so wirke. Was allerdings auch beabsichtigt ist, dass möchte ich an dieser Stelle mal klarstellen. Als Bodyguard der momentan erfolgreichsten Rockband kann ich es mir nicht erlauben, wie ein Teddybär rüber zukommen. In meinem Job ist eine entschiedene Härte notwendig!

„Ich...warte auf den...Bus", erklärt sie und wirft einen kurzen Blick auf ihre Armbanduhr.

„Und wann kommt der?"

Ashtons - Lost ScenesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt