*Kap. 2*

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Seong Tony

Gegen Mittag ist die Beerdigung zu Ende und Alex hat seine Arme fest um mich geschlungen.

„Gott, was soll ich hier nur ohne dich machen... ich komm dich auf jeden Fall so bald wie möglich besuchen!", gibt er mir ein nicht vermutlich so schnell einlösbares Versprechen, eh er mich eher wiederwillig gehen lässt und mich zum Auto des Jugendamtlers bringt. Meine Koffer wurden bereits eingeräumt.

Mit einem Knall wird die Beifahrertür neben mir zu geschmiss und hinterlässt bereits jetzt eine tiefe Einsamkeit und auch etwas Angst vor dem Unbekannten. Das letzte Mal war ich in Seoul, als ich 10 war, im Urlaub.

Die Zeit, bis wir am Flughafen ankommen, verbringe ich deshalb damit, mir so viel wie möglich von und über Südkorea ins Gedächtnis zurückzurufen.

Ich weiß nicht, ob ihr jemals geflogen seit oder dies gar ohne eure Familie, aber ihr würdet mir sicher zustimmen, wenn ich sage: Es ist nur schön, solange man in der Luft ist. Auch gibt es für mich diesmal niemanden, der einen bis zum Check-in begleitet und nach winkt. Niemand der mir einen guten Flug wünscht, naja mein bester Freund tat dies, aber sonst bin ich allein.

Bei der Kofferabgabe für das Nicht-Handgepäck verliere ich bereits mein letztes bisschen Selbstständigkeit: Mein Blindenstock wird von meiner Begleitperson in den Koffer gepackt. Zwar hätte ich ihn theoretisch mitnehmen können, doch ist es so organisatorisch einfacher. Daher muss ich mich von da an bestätig an dem Arm der mir völlig fremden Person fest halten und durch die Personen beziehungsweise Handgepäckkontrolle zum Gate führen lassen.

Ich kann eigentlich erst wieder etwas Freiheit genießen, als ich auf meinem Sitz an der rechten Gangseite in der Mittelreihe ganz hinten bei den Toiletten sitze. Ich hasse es, hilflos zu sein, aber genau dies ist prinzipiell mein Dauerzustand. Ich bin eben noch nicht langgenug blind, um mich ohne Probleme in dieser sicher nicht barrierefreien Welt zu bewegen.

Früher hab ich das leichte Kribbeln beim Abheben des Flugzeugs genossen, jetzt macht es mir Angst. Es beendet offiziell mein altes Leben und schickt mich in eine ungewisse Zukunft, weg von allem, was ich kannte.

Heute ist Tag 0 von wahrscheinlich Tausenden weiteren Tagen, in welchen ich für jedes bisschen Selbstverständlichkeit kämpfen muss.

Leise seufzend lehne ich mich zurück und schließe die Augen. Früher hätte ich jetzt Musik gehört, aber mein Gehör ist der letzte Sinn, auf den ich mich wirklich verlassen kann. Ich möchte diesen gerade nicht betäuben.

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Als ich die Augen wieder öffne, ist es dunkel.

Tut mir leid, falls ihr euch gerade  weh getan habt, aber zu etwas Witzigerem werde ich wohl in nächster Zeit nicht im Stande sein.

Mühsam schnalle ich mich ab und erhebe mich von meinem Sitz, äußerst vorsichtig taste ich mich durch den Gang zur Toilette. Es ist sehr still, weshalb ich schätze das es bereits sehr spät sein muss. Was dann auch wieder heißt, dass es nicht mehr allzu lange dauern kann, bis wir da sind.

Nach einiger Probleme die Tür zu öffnen, zu schließen, die Toilette, das Waschbecken und Co zu finden, habe ich es dann auch geschafft, mich zu erleichtern und wanke wieder zurück zu meinen Sitz.

Habt ihr versucht, ohne etwas zu sehen, in einem Flugzeug während des Fluges zu laufen? Es geht grauenhaft, vor allem bei solchen langen Flügen, wo man so weit oben fliegt.

Als ich sitze, weicht die Nervosität wieder etwas aus meinem Körper und ich fische in meiner Hosentasche nach meinem Handy, welches ich daraufhin anschalte und meine Kopfhörer hineinstecke.

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