Kapitel 3

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Am nächsten Tag sitze ich vor der Hütte, Edward ist wieder bei den Kindern und verrichtet seine Arbeit, ich soll ja nicht mehr mitkommen. Meine Aussicht besteht nur aus Tipis und dieser Holzmauer mit den Soldaten, die mir ab und an ein Blick zu verwerfen und mich flirtend angrinsen, was ich jedoch nicht erwidere. Ein Ruf von einem Tier ertönt und ich schaue über mir. Ein Weißkopfseeadler fliegt über uns. Ein schönes Tier. So frei und weise. Ich versinke in einem Tagtraum und pule an meinem Finger, an den ich mich gestern schnitt.

Doch ich werde in die Realität gerissen als man einen Indianer, gefesselt ins Reservat bringt. Ich erkenne ihn sofort, es ist der Sohn des Häuptlings, der am Baum hing. Seine Ausstrahlung ist faszinierend. Obwohl er in Handschellen ist und ständig von den Soldat nach vorne geschubst wird, damit er schneller geht, geht er gerade mit Brust raus und den Kopf hoch. Wie ein König der den Saal betritt. Einfach beeindruckend.

Aus Neugier schaue ich den Soldaten zu was sie dem Indianer antun. Mitten im Reservat, an einer Säule wird er befestigt. Dabei spricht ein Soldat zu ihm: „Damit deine Leute deine dumme Sturheit sehen und anders handeln als du." er spuckt vor ihm auf die Füße, „Verrecke hier elendiglich."

Der Indianer schaut auf, ohne jegliche Wut oder Angst im Gesicht, er wirkt einfach nur seelenruhig. Auch als er spricht: „Ich habe keine Angst vor dem Tod. Meine Leute verstehen meine Taten. Nur ihr Weißen versteht rein gar nichts."

Mit dem Gewehr schlägt der Soldat volle Wucht gegen sein Gesicht, wobei ich einen erschreckenden Laut mache. Ein Soldat bemerkt mich: „Sie sollten nicht hier sein, Madame." sagt er mir zu. Doch ich reagiere nicht und sehe wie schlimm der Indianer aus Nase und Mund blutet. Ich will was sagen, doch ich bin zu schwach. Der Indianer blickt auf, direkt zu mir, wobei mir komisch wird. Aus Reflex drehe ich mich um den Absatz und gehe zur Hütte. Als sich die Tür schließt kommen mir wieder Tränen. Diese Brutalität ist mir zu viel.

Vom Fenster aus sehe ich wie die Soldaten aus dem Reservat gehen. Ich denke eifrig nach und habe ständig die Stimme vom kleinen Jungen Ashok im Kopf. Ich bin nicht deren Engel aber ich bin menschlicher als die anderen! Ich nehme mir eine kleine Schlüssel und befülle sie mit Wasser, lege einen Lappen dazu und schleiche mich bedacht, dass mich kein Soldat sieht aus der Hütte. Ich gehe zur Säule, wo der Indianer befestigt wurde. Zur meiner Verwunderung ist Ashok bei ihm und grinst breit als er mich sieht. Er sagt voller Freude etwas zum Sohn des ehemaligen Häuptlings und rennt auf mich zu um direkt meine Hand zu nehmen und mich mit sich zieht. Ich bücke mich vor dem Indianer und streiche vorsichtig seine Haare aus dem blutigen Gesicht. Er lässt es überraschenderweise mit sich machen. Auch als ich das Blut mit dem Lappen vorsichtig abwasche. Vor Schmerz zuckt er kurz mit den Augenlidern aber ansonsten schluckt er es runter. Ashok singt leise etwas, was ich nicht verstehe, weshalb ich neugierig frage was er singt.

„Es soll Cheyeyo Kraft und weiteren Mut geben. Es wird noch eine schwere Zeit für ihn." antwortet mir der Junge. Ich verstehe nicht so Recht, was der Junge bemerkt und es mir nochmal deutlicher erklärt: „Ihr betet euren Gott an für mehr Kraft, wir bitten die Geister unserer Vorfahnen für mehr Kraft."

Plötzlich spricht der Ältere in ihrer Sprache zu Ashok. Der Junge antwortet damit ich es auch verstehe: „Sie ist kein Feind. Das weiß ich. Ich sah sie." er schaut mich mit diesen funkelnden Augen an, „Grace ist der Engel."

„Ich bin kein Engel, mein Junge." erwähne ich, weil ich nicht will, dass er sich Hoffnung macht. Doch der Kleine schüttelt lächelnd mit dem Kopf: „Ich sah dich in meinen Träumen. Die Geister haben es prophezeit und mir vermittelt."

„Ich glaube, dass-"

Cheyeyo stoppt mich in dem er Ashok bittet etwas zu holen. Ich bin mit dem Älteren alleine und gleichzeitig auch etwas nervös, doch er ist gefesselt und kann mir nichts tun. Unbeirrt tauche ich den Lappen wieder ins lauwarme Wasser und säubere sein Gesicht. Er blickt mir tief in die Augen, was ich versuche auszuweichen. Doch es ist unmöglich als er auch noch spricht: „Zerstören Sie bitte nicht seine Hoffnung."

Der Engel der ChemainusWo Geschichten leben. Entdecke jetzt