Ich weiß nicht was der Fremde eventuell mit mir tat, ich habe es nicht mitbekommen. Vielleicht bin ich ja tot. Fühlt sich so der Tod an? Doch warum spüre ich Schmerz? Spüre solche Anspannung und Druck. Ich muss träumen. Wieder sehe ich die Männer, die sich an mir vergehen. Mein Mann, der mich verprügelt und beleidigt. Die Totgeburt meines Sohnes. Alles fühlt sich wieder so real an. Der ganze Schmerz, die Furcht und die Angst. Ich will das nicht nochmal erleben müssen. Und es fühlt sich so echt an.
Bis sich plötzlich meine Augen aufreißen. Ich bin schweißgebadet. Ich frage mich wo ich bin, nach der Hütte sieht es nicht aus. Mir entkommt ein Laut und ich setze mich auf, weil ich mich erschrecke. Die ältere Dame, Orenda sitzt auf einmal vor mir und drückt mich zurück auf das Kissen. Sie legt mir eine stark riechende Pflanze an der Stirn, darauf ein warmer nasser Lappen. Auch bemerke ich Fell. Ich schaue runter, die Decke besteht aus Fell. Ich bin völlig aufgelöst.
„Wo bin ich?" frage ich ächzend. Mein Hals schmerzt beim sprechen. Die Frau versteht mich nicht und antwortet auch dementsprechend nicht. Jedoch geht sie aus dem Tipi, was ich nun allmählich erkenne. In der Mitte ist ein knisterndes Feuer. Ein mit Fell belegter Stuhl ist auch noch vorhanden. Das Leder, was eine Tür gleich, wird zur Seite geschoben. Ein Einheimischer tritt ein. Ich brauche etwas bis ich ihn erkenne. Cheyeyo. Er trägt seine traditionelle Kleidung mit Ketten um seinen Hals, seine Haare sind hinten geflochten und er wirkt nicht mehr so abgemagert, so wie ich ihn von der Säule befreite.
„Ich muss Ihnen ein großes Dankeschön geben, Grace." fängt er an, ich setze mich sogleich ein bisschen auf, „Sie haben mich befreit und ich konnte dadurch einen alten Freund um Hilfe bitten. Sie haben mein Volk befreit. Wir sind keine Sklaven mehr, dank Ihnen."
Ich nehme mir den Lappen und die Pflanze von meiner Stirn.
„Legen Sie es wieder auf die Stirn." erwähnt Cheyeyo, „Das wird Ihnen gut tun. Es heilt die Seele und gibt Kraft."
„Was ist passiert?" meine Stimme ist kratzig. Cheyeyo überreicht mir ein Horn, was ich sprachlos begutachte. Der Indianer lächelt mild: „Trinke Sie die Medizin und ich erzähle was passiert ist."
Eigentlich würde ich misstrauisch fragen, was da eigentlich drinnen steckt. Doch mein Hals schmerzt zu sehr und so auch das reden, weshalb ich es annehme.
„Riechen Sie nicht daran und halten Sie sich lieber die Nase beim trinken zu. Medizin ist schließlich nie ein Vergnügen." gibt er mir den Tipp und diesen befolge ich ohne Misstrauen. Währenddessen setzt er sich auf den Stuhl und erzählt mir was an dem Abend geschah: „Als Sie mich befreiten lief ich tagelang durch den Wald, durch die Landschaften und über die Berge. Ich bin Ihnen so dankbar für das Essen, ohne das wäre ich schon längst vor Schwäche gestorben. Irgendwann fand ich den Bruderstamm Homalco. Ich erklärte ihnen die Situation meines Stammes und sie zögerten nicht mir zu helfen. Wir planten einen Überfall, den wir dann in die Tat umsetzten. Wir kämpften, steckten das ganze Reservat in Brand und flohen mit meinem Volk. ... Als ich Ashok nahm, sagte er sofort, dass wir dich auch holen sollen. Er hatte vor dem Angriff gehört, dass Sie in Gefahr waren. Ashok ging mit den anderen und ich kam zu ihnen. Es erschreckte mich was ich sah. Sie wurden verprügelt und vergewaltigt. Ich dachte sogar, dass Sie tot wären, hätten Sie mich nicht angesehen. Ihr Mann kam in die Hütte und kämpfte mit mir. Es ging um Leben und Tod."
„Was ist mit meinem Mann?" frage ich und lege das leere Horn auf den Boden. Mein Becken schmerzt bei der Bewegung und beiße mir auf die Zähne. Cheyeyo antwortet mir: „Ich fragte ihm, was mit Ihnen passiert war und er meinte nur, dass Sie es verdient hätten. Ich zögerte nicht und rammte ihn mein Tomahawk an den Hals. Er verblutete und verbrannte schließlich in der Hütte. Wie auch viele weitere Männer. Wenige haben wir mitgenommen und sie als Gefangene genommen."
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Der Engel der Chemainus
Romans1877. Das Ehepaar Montgomery reisen Tagelang von England zum neuentdeckten Amerika. Edward Montgomery ist nämlich Lehrer und will die sogenannten Indianer studieren um diese Geschichte dann seinen Klassen zu unterrichten. Damit das Frauchen nicht al...