Am nächsten Morgen geht unsere Reise weiter. Am Mittag jagt Cheyeyo mit einem Messer Tiere. Nur leider nicht mit Erfolg. Es wäre für ihn leichter, hätte er nur einen Pfeil und einen Bogen.
„Wir haben doch noch Vaters Pistolen." sage ich, aber der Häuptling verneint: „Ich würde vielleicht ein einziges Eichhörnchen treffen und alle anderen laufen wegen dem lauten Schuss davon. Mit einem Eichhörnchen werden wir kaum über die Runden kommen."
Es ergibt Sinn aber dennoch müssen wir was essen. Unser ganzes Proviant ist bereits leer, obwohl wir schon sparsam waren. Seufzend setzt sich Cheyeyo zu uns: „Wenn ich demnächst nichts fange, wird es schwer für uns."
Ich kämme gerade Ashoks Haare und flechte sie, dabei überlege ich haarscharf aber weiß selber nicht weiter, egal wie sehr ich überlege.
Nach kurzer Pause steht Cheyeyo wieder auf: „Komm, Ashok. Ich kann dir zeigen wie man nicht jagt."
Der Junge springt auf und folgt seinen Onkel. Auch ich stehe auf: „Ich werde Wasser holen."
„Hast du eine Waffe dabei?" fragt mich der Häuptling und ich zeige sie ihm, dass eine an meinem Gürtel befestigt ist. So kann er ohne Sorge auf die Jagd gehen und ich mit einem Topf zum naheliegenden Fluss. Was ich jedoch da finde, lässt mich erstarren. Ein Büffel. Ein großer, mächtiger Büffel trinkt gerade am Fluss. Das ist unser Glück. Ich setze langsam einen Schritt zurück um Cheyeyo zu holen, doch bei einem Knacksen wird das Tier hellhörig. Bevor ich den Häuptling geholt habe, wird der Büffel längst weggerannt sein. Ich muss es tun. Vorsichtig und so langsam wie es geht, nehme ich die Pistole in meiner Hand und lade sie. Der Büffel nimmt mich nicht wahr und trinkt weiter. Er ist ungefähr 15 Meter von mir entfernt, ich kann also nicht daneben treffen bei einem so großen Tier. Ich ziele und zittere vor Angst. Noch nie habe ich auf ein Tier geschossen und dann noch ein so großes. Doch wie Cheyeyo sagte, sind die Büffel lebenswichtig. Besonders jetzt gerade für uns.
„Es tut mir leid. Aber dank dir werden wir überleben. Wir sind dir mehr als dankbar und erfreuen uns auf alles, was du uns gibst. Danke." flüstere ich leise. Ich will dem Tier ein letztes Mal Respekt erweisen. Dann drücke ich ab. Ein lauter Schuss hallt durch den Wald. Ich atme auf. Ich habe getroffen aber leider ist das Tier noch nicht ganz tot. Ich nehme meinen Mut zusammen, gehe näher an das Tier und erlöse es von dem Schmerz mit einem weiteren Schuss am Kopf. Dann wird mir schlecht. Weiter weg vom Tier übergebe ich mich. Cheyeyo und Ashok haben den Schuss gehört und rannten zu mir. Sie können kaum ihre Augen trauen als sie den Büffel sehen.
„Hast du ihn getötet?" fragt Cheyeyo mich und ich nicke. Er fängt an vor Freude zu lachen und nimmt mich in den Armen, wie auch Ashok.
„Lassen wir dem Tier noch die letzte Ehre erweisen." spricht Cheyeyo. Wir halten unsere Hände und wie bei einem Gebet, bedanken wir uns nochmal für diese Gabe. Danach häuten sie das Tier, was ich mir nicht mit ansehen kann.
Am Abend sitzen wir am Feuer und genieße das Fleisch, was uns der Büffel gab. Das große Fellstück liegt um uns, was uns schön warm hält. Aus den Knochen schnitzt Cheyeyo einen Bogen und einige Pfeile für die Jagd. Alles was das Tier hat ist gut vom Nutzen. Unbrauchbares wird vergraben, mit einer kleinen Zeremonie, die nochmal unseren Dank und ihnen Ehre erweist.
Nach einigen Tagen, wo wir weiter nach den anderen suchen, finden wir endlich wieder eine Spur zu ihnen und folgen sie. Das Bisonfell liegt über Ashok und mir, man spürt regelrecht wie der Winter sich in großen Schritten nähert.
Vor uns ist eine Kilometerweite Landschaft. Ein schöner Anblick. Doch die Ruhe wird zerstört als kämpferisches Geheul ertönt und immer nähert kommt. Cheyeyo stoppt uns und wartet ab. Acht Indianer reiten auf uns zu. Ich halte Ashok fest an mir.
„Habt keine Angst." redet Cheyeyo, aber leichter gesagt als getan. Diese Indianer haben große Gewehre bei sich, sind gruslig bemalt und ihr Schrei hört sich an wie eine Kriegserklärung.
Sie kreisen uns mit ihren Pferden ein. Stolz und unbeugsam sitzt Cheyeyo auf seinem Pferd und spricht zu ihnen: „Wir wollen keinen Ärger. Ich suche nur meinen Stamm, der davon ging."
Die Indianer fangen an zu lachen. Einer, der nicht lacht spricht zu ihm: „Du bist der Häuptling der Chemainus. Wir haben dein Volk bei uns aufgenommen."
Verwunderung aber auch Sorge steht in Cheyeyos Gesicht. Sie bitten uns sie zu folgen und wir tun es. Ich habe kein gutes Gefühl aber vertraue Cheyeyo. Einige Indianer starren mich während dem Weg minutenlang an, was mich ziemlich nervös macht.
Wir kommen in deren Dorf an. Es ist viermal größer als der Stamm der Chemainus. So viele große Tipis, so viele Menschen, Kinder und Ältere. Alle sehen so sorglos aus. Wir erkennen einige der Chemainus, darunter Adya, die auf uns zu rennt. Ashok steigt vom Pferd und wird stürmisch von ihr umarmt. Auch mich umarmt sie freudig. Der Häuptling dieses Stammes kommt hervor und begrüßt uns: „Willkommen im Stamm der Comox!"
Alle Menschen versammeln sich zu uns und jubeln. Der Häuptling ist alt, besitzt schon graue Haare, wirkt weise und freundlich. Er öffnet die Arme: „Häuptling Cheyeyo, du musst viele Fragen haben. Komm mit mir."
Cheyeyo steigt ab und folgt den Älteren in das Tipi. Lange sitzen sie da drin. Ashok und ich werden mit Adya mitgezogen. Sie wurde verheiratet, sagte sie, ist aber glücklich. Ihren Mann durften wir auch kennenlernen. Ein Krieger mit dem Namen Bärenzahn. So fröhlich die beiden auch sind uns zusehen, erzählen was passiert ist, können sie uns nicht.
Das erfahren wir erst Abends in einem eigenen Tipi von Cheyeyo: „Weiße kamen ins Dorf und drohten sie. Sie hatten Angst und wussten nicht weiter. Die Comox kamen zur Hilfe und nahmen sie mit. Ich bekomme mein Volk nur zurück, wenn ich ihnen Sie überreiche, Grace."
Meine Augen weiten sich aber er fährt fort: „Das werde ich natürlich nicht zulassen. ... Schließlich sind Sie meine Frau."
Entgeistert schaue ich ihn an. Er lächelt: „Ich weiß, ich hätte es vielleicht schon eher machen sollen oder in einer besseren Zeit aber ... Willst du mich heiraten?"
Ashok macht einen erfreuten Laut. Ich bin sprachlos und muss es erst einmal realisieren bis ich glücklich aufstehe und ihn einfach nur küssen, während ich ständig Ja sage. Mich erfüllt es mit großer Liebe und Glück. Denn ich liebe diesen Mann.
Durch die spontane Hochzeitzeremonie von den Leuten der Chemainus, bin ich ab sofort einer von ihnen und Cheyeyos Frau. Ich war noch nie so glücklich. Die Hochzeit hat aber auch einen weiteren sicheren Grund, so können die Comox nicht einen Tausch mit mir verlangen.
Wir bleiben paar Tage bei den Comox und Cheyeyo kämpfte für sein Volk. Bis ihm etwas klar wird. Jeden Abend spazierte er durch das Dorf, beobachtet seine Leute und befragt sie. Sie fühlen sich wohl. Sie werden hier versorgt, starke Krieger beschützen sie und sie haben einen weisen Häuptling. Cheyeyo will das es ihnen gut geht und das ist auch so. Er lässt sein Volk bei den Comox. Und wir reisen weiter. Adya und ihr Mann begleiten uns. Unser Weg führt uns dahin, wo kein Krieg herrscht. Unser Weg führt nach Osten.
Nach wenigen Tagen bekommen wir ein Zeichen von Glück und dass Cheyeyo richtig gehandelt hat. Eine riesige Büffelherde laufen vor unseren Augen. Cheyeyo und Bärenzahn jagen einige der Tiere, mit dem Leder können wir uns Tipis bauen und unsere Kleidung fertigen.
Der Winter bricht ein. Das Fell der Büffel hält uns warm. In Cheyeyos und meinem Zelt glüht das Feuer. Drinnen ist es gemütlich warm. Ich singe ein Lied vor und streichel meine Arme. Lächelnd beobachtet Cheyeyo mich, während er auf dem Fell bedeckten Boden liegt. Es ist so warm, dass ich mir die Sachen auszog und nackt vor ihm auf die Knie sitze. Ich beuge mich zu ihm vor und küsse ihn sanft.
„Bist du glücklich?" fragt er mich leise. Ich lächel: „Ich war noch nie glücklicher." wieder küsse ich ihn. Er hebt die Felldecke hoch, wo er auch nackt drunter ist und lässt mich darunter schlüpfen. Wir küssen uns sinnlich. Während es draußen schneit, erfüllt es in unserem Tipi von Wärme und Zärtlichkeit. Cheyeyo beugt sich über mir und legt seine Stirn auf meine: „Ich liebe dich, Engel." haucht er mir entgegen.
„Ich liebe dich auch, Häuptling." erwidere ich und küsse ihn wieder. Das ist die wunderschöne Nacht indem wir unser gemeinsames Kind zeugen.
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Der Engel der Chemainus
Romance1877. Das Ehepaar Montgomery reisen Tagelang von England zum neuentdeckten Amerika. Edward Montgomery ist nämlich Lehrer und will die sogenannten Indianer studieren um diese Geschichte dann seinen Klassen zu unterrichten. Damit das Frauchen nicht al...