Kapitel 12

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Tage vergehen und alles wurde arrangiert. Ich werde zurück nach England müssen um abzuschließen. Erst dann kann ich in Ruhe weiter bei den Chemainus leben und mit Cheyeyo ohne Alpträume zusammen sein.

Ashok wird mich selbstverständlich begleiten, wie auch Cheyeyo, da er die andere, die andere Welt gerne sehen würde. Schließlich erzählte ich viel davon.

Immer wieder sehe ich diese Fassungslosigkeit von Cheyeyo, mit so viele Weiße hatte er in diesem Land nicht gerechnet. Er macht sich große Gedanken und fragt sich sicherlich, ob es eine gute wäre mit mir zukommen und seinen Stamm alleine zulassen. Ich sehe es ihm an, dass er Bedenken hat.

Die Reise war anstrengend und lange, doch Cheyeyo und Ashok blieben treu an meiner Seite. Was manchmal nicht so einfach war. Viele Weiße verabscheuen die Indianer und ließen es uns auch spüren. Egal, als ich mir ein Kleid kaufen musste, wir in der Eisenbahn oder auf dem Schiff waren. Auf dem Schiff hatte man mich sogar entführt, weil sie dachte, dass sie mich so aus Cheyeyos Griffen befreien würden – dafür hatten die Männer aber schöne Ohrfeigen von mir kassiert.

Bevor wir ankommen hat sich Cheyeyo und Ashok umgezogen. Wir kauften ihnen die Klamotten, die wir in England tragen. Ich sehe ihnen an, dass sie es nicht mögen. Beide tragen einen Anzug, Ashok sieht darin einfach nur entzückend aus, während Cheyeyos Anzug eine Nummer zu klein ist. Ich hatte seine Muskeln unterschätzt beim Kauf. Ich mache beiden die Haare, gut gekämmt und hinten geflochten. Ich spüre wie angespannt sie sind. So weit von der Heimat entfernt in ein ihr fremdes Land, wo die Leute anders drauf sind als in Amerika.

Als wir dann auch endlich ankommen halte ich Ashoks Hand in meiner und steigen vom Schiff runter. Wir sind in meinem Zuhause angekommen – Oxford. Cheyeyo hat den einzigen Koffer, den wir mit haben in der Hand. Die Blicke der beiden sind nicht sehr begeistert. Während Ashok jedoch neugierig und erstaunt ist, bleibt Cheyeyo misstrauisch und fast ständig in seiner Tasche, wo er seinen Tomahawk hat. Es war seine einzige Bedingung, dass er seine Waffe bei sich hat für den Notfall und ich ließ es widerwillig zu.

Wir suchen eine Kutsche und steigen ein als uns einer hinein bittet. Die Leute sind alle hin und weg vom Aussehen der Indianer und schauen sich alle zu ihnen um. Nicht nur die beiden fühlen sich dabei unwohl, auch ich habe Angst vor weiteren Übergriffen.

Lange, gefühlt unendliche Minuten fahren wir durch die Stadt und Landschaft bis wir an einem großen Haus ankommen und aussteigen. Ich bezahle den Fahrer, der dann wieder wegfährt. Die ganzen Klamotten und die Fahrten konnten wir uns nur leisten, weil Cheyeyo so schlau war und beim Angriff im Reservat, das Gold mit sich nahm, was wir dann an Ständen in Geld oder Ware umtauschten.

„Das ist das Haus meiner Eltern." sage ich. Es hat sich kaum was verändert. Der Vordergarten blüht und die Staturen stehen auch noch wie sonst auch. Wir haben einen guten Tag erwischt, die Sonne scheint und die Wolken sind nur teilweise über uns.

„Haben Sie Angst?" fragt Cheyeyo mich. Ashoks Hand umklammert meine.

„Eher Bedenken." antworte ich. Wir gehen auf das Haus zu. In den beiden kann ich unzählige Fragen erkennen, doch keiner stellt eine. Ich klingel an der Tür, was die beiden kurz aufschrecken lässt und ich sie noch schnell beruhigen kann bis die Tür aufgeht. Mein Vater steht vor uns und erkennt mich erst gar nicht, weil er zu sehr auf die beiden Männer fixiert ist. Doch dann erkennt er mich und seine Augen werden glasig: „Grace? Meine geliebte Tochter." er umarmt mich fest was ich erwidere. Nachdem wir uns lösen schaut er mich glücklich an und ruft nach seiner Frau, meiner Mutter.

„Du bist so dünn geworden." redet er, „Wie geht es dir? Was machst du hier? Wer sind die beiden und wo ist eigentlich Edward?"

Ich hatte Angst vor der Frage. Sie wissen nicht, was passiert ist. Und ich muss es irgendwie erzählen. Mutter kommt zu uns, sie ist eher etwas kühler und strahlt nicht so wie mein Vater als sie mich sieht aber nimmt mich ebenfalls überrascht in die Arme.

Der Engel der ChemainusWo Geschichten leben. Entdecke jetzt