Kapitel 6

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Am Morgen steige ich aus dem Tipi und strecke mich genüsslich. Die Sonne strahlt warm und zeigt von einem guten Tag. Ich habe zu meinem Erstaunen ziemlich gut geschlafen. Einige Einwohner sind auch schon wach und bauen ihre Tipis ab. Verwirrt begutachte ich das. Mutter Orenda kommt zu mir und sagt etwas. Ich wünschte nur, dass ich deren Sprache verstehen könnte. Dann überreicht sie mir eine kleine Schüssel mit verschiedenen Beeren und sagt wieder irgendwas, wobei ich innerlich ziemlich verzweifle, weil ich nicht weiß, was sie mir gerade sagt. Doch zu meinem Glück steht Cheyeyo hinter mir und übersetzt es für mich: „Die Beeren sollen Ihnen auf dem Weg Kraft geben. Bis wir angekommen sind, sollten Sie die Schlüssel leer haben. Das heilt die Seele."

„Wo gehen wir hin?" frage ich eher.

„Wir müssen weiter. Wir haben unser Ziel noch nicht ganz erreicht." antwortet mir Cheyeyo, „Wir haben hier nur einen längeren Zwischenstopp gemacht, damit Sie zur Ruhe kommen und meine Leute ebenfalls eine Pause von der Sklaverei bekommen. Wir brechen auf, wenn alle ihre Sache gepackt haben."

Ich will was erwidern, doch Cheyeyo gibt mir die Antwort zu meiner Gedankenfrage: „Ich werde Ihnen gleich beim abbauen helfen."


Als die Sonne schon höher stand und alle ihr Gepäck zusammen haben, warten wir auf die Pferde. Cheyeyo erklärte mir, dass einige aus dem anderem Stamm ihnen noch solange helfen werden bis sie angekommen sind. Von weiten ertönt auch schon Gewieher von einem Pferd. Als sie näher kommen erkenne ich viele Pferde, sogar mit drei Kutschen, was mich erstaunt. Mit Sicherheit sind die geklaut worden. Einige machen sich dabei ihre Sachen auf die Kutsche zu platzieren. Die Indianer vom anderen Stamm, machen mir ein ungutes Gefühl. Sie haben sich am ganzen Körper bemalt, tragen nicht nur selbstgemachte Waffen sondern auch richtige Gewehre bei sich.

„Hab keine Angst, dass sind unsere Brüder." spricht Ashok, dessen Hand ich schon eine ganze Zeit lang halte. Doch als ich wieder aufsehe, setzt mein Herz aus. Drei Pferde kommen auf uns zu mit bemalten Einheimischen darauf, in der Mitte gehen Weiße. Aber nicht irgendwelche, es sind die Soldaten vom Reservat. Darunter auch Peter. Trotz der diversen Verletzungen im Gesicht blickt er zu mir und fängt an zynisch zu grinsen.

„Grace? Du erdrückst meine Hand." ertönt Ashok neben mir. Widerwillig lasse ich ihn los und laufe vom Volk weg. So schnell ich kann laufe ich in den Wald und halte mich dann schließlich am Baum. Mein ganzer Schmerz kommt wieder. Ich weine bitterlich und bekomme dadurch kaum noch Luft. Ich bemerke wie sich wer mir nähert und schrecke auf. Doch es ist nur Cheyeyo, der mir gefolgt ist.

„Was ist los?" fragt er sanft. Ohne Erlaubnis gehe ich die paar letzten Schritte zu ihm und umarme ihn. Ich brauche jetzt einfach jemanden, der mir zeigt, dass er mich beschützen kann. Zögerlich legt er seine Arme um mich und streichelt mich am Kopf. Ich weine noch ziemlich lange an seiner Brust bis ich mich dann von ihm löse. Ich wische mir die Tränen weg und entschuldige mich bei ihm. Plötzlich liegt seine Hand an meiner Wange und er lächelt mir mild zu: „Egal was gerade war, Sie können jeder Zeit zu mir kommen."

Ich erwidere das Lächeln und nicke ihm zu. Behutsam wisch er mir noch eine Träne weg: „Sie sind in Sicherheit. Niemand wird Ihnen etwas tun, das verspreche ich."

In seiner Anwesenheit fühle ich mich tatsächlich sicherer. Wir gehen zurück zu den anderen. Auf meiner Bitte hin, laufen die Gefangenen ganz weit hinter unserer Truppe. Alle sitzen zu zweit auf einem Pferd. Ich sitze mit Adya und Ashok auf einem schwarzen Hengst. Ashok sitzt vor mir, hinter mir Adya. Ich kann kaum reiten doch ein netter Ureinwohner hat die Zügel in der Hand und zieht unser Pferd somit mit. Cheyeyo reitet alleine auf einem Pferd ganz weit vorne mit drei aus dem Homalco Stammes.

Der Engel der ChemainusWo Geschichten leben. Entdecke jetzt