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Als Chase aufsprang, mich einfach unter seinen Arm klemmte und zu dem schwarzen Van rannte, der um die Ecke stand, konnte ich nicht viel mehr tun als mir meinen Arm zu halten und wild rumzuhampeln:"Lass mich los", protestierte ich. „Was zum Teufel ist hier los?". Chase sprang hinten in den Van rein, setzte mich einfach auf den Boden des Fahrzeuges, wo ich kurz perplex sitzen blieb. Er hechtete zu den Türen, die er zuzog. Ich konnte hören, wie jemand vorne in den Van stieg, ebenfalls die Tür zuknallte und nachdem der Motor gestartet war, setzte sich der Van mit quietschenden Reifen in Bewegung.

Vor Schreck kippte ich zur Seite, ließ einen spitzen Schrei los, doch Chase hielt mich aufrecht, nahm die Hand meines unverletzten Armes und legte sie an einen Bügel, der an der Innenwand des Vans befestigt war:"Festhalten!", befiel er mir knapp und ungläubig sah ich ihn an:"Chase!", brüllte ich dann:"Was ist hier los?", wiederholte ich, konnte erkennen, wie Chase irgendetwas mit dem Rücken zu mir gedreht tat. „Was passiert hier gerade? Und was ist mit deiner Amnesie, kannst du...", erst jetzt fiel mir auf, dass auch Chase einen Schuss abbekommen hatte. Blut quillte auf der Höhe seines Bauches durch den Pulli.

Von dieser Tatsache einen Moment verstummt bekam ich fast gar nicht mit, dass Chase sich ruckartig zu mir drehte, mir etwas ins Gesicht drückte und mir in die Augen sah:"Tut mir leid. Aber ich habe keine Zeit es dir zu erklären". Ich begann gegen das Tuch zu schreien, krallte meine andere Hand in sein Handgelenk und versuchte es wegzuziehen, doch Chase war eindeutig stärker als ich und die Kraft begann mich zu verlassen. Der Mann, den ich so sehr liebte begann vor meinen Augen zu verschwimmen. Seine kristallenen Augen wurden unscharf, seine braunen Haare verschmolzen mit dem schwarzen Inlet des Vans und als ich das letzte Mal tief Luft holte, fielen mir die Augen zu und ich stürzte in eine mich umhüllende Schwärze.

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Moral ist eine durchweg komische Angelegenheit. Differenziert man zwischen Ehrlichkeit und der Notwendigkeit einer Lüge, stößt man nicht selten auf ein Paradoxon. Doch wer behält bei dieser Entscheidung das Recht, und wer ist in der Lage, beide gegeneinander zu quantifizieren?

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Das erste, was ich vernahm, bevor ich meine Augen öffnete, waren Stimmen. Mein Hirn brauchte etwas, um die Stimmen zuzuordnen, doch nach wenigen Sekunden konnte ich ihre Farben klar erkennen. „Wie lange haben sie gebraucht um euch zu finden?", fragte Cappu und ich hörte, wie jemand mit langsamen Schritten den Raum auf und ab lief. „Knapp einen Monat", hörte ich Chases Stimme unmittelbar neben mir:"Etwas mehr vielleicht". Eine kurze Stille setzte ein. „Ich kann mir das nicht erklären", durchbrach Zero diese:"Wir waren ziemlich vorsichtig, haben versucht alles so gut es ging aus der Öffentlichkeit zu halten." Zero? Was machte er hier. Er sollte im Gefängnis sitzen.

„Einfach", gab Sushi von sich und während er redete wurde seine Stimme lauter, begleitet von Schritten, die auf mich zukamen:"Jemand in seinem Umfeld muss Kontakt zu Arrow haben", ich spürte eine Hand auf meinem Bein. „In Charlie's Umfeld?", fragte Chase neben mir. Eine Hand glitt durch meine Haare, kraulte sie leicht:"Unmöglich. Während ich die Amnesie vorgetäuscht habe hat er niemandem von mir erzählt". Bei diesem Satz begann mein Blut zu kochen, ich packte sein Handgelenk, riss die Augen auf und sah in Chases erschrockenes Gesicht:"Charlie du...", ich unterbrach ihn:"Was hast du?", schrie ich, sprang von der Matratze auf der ich lag und scannte kurz mein Umfeld.

Wir befanden uns an keinem anderen Ort als in der Lagerhalle, in der ich mehrere Monate mit Cappu, Venom und den anderen gelebt hatte. „Charlie", hörte ich Ginger rufen, der in der Tür stand und mich anstrahlte:"Du bist wach". Ich ignorierte ihn. Chase stand einfach nur da, mir gegenüber:"Ich habe nichts von alledem getan, um dich zu verletzen", sagte er ganz ruhig. „Erzähl das meinem Therapeuten", ich lief auf ihn zu, stieß ihm gegen die Brust. Er bewegte sich etwas nach hinten, um nicht umzufallen. „Einen Monat", ich lief mit geballten Fäusten auf ihn zu:"Einen Monat habe ich gedacht du hast keine Ahnung wer ich bin, habe gedacht, dass ich dich nie wieder haben würde, obwohl du direkt vor mir warst", brüllte ich ihn an und schubste ihn nochmal. Diesmal ging Chase vor mir auf die Knie, er senkte seinen Kopf.

„Ich habe kein Argument um mich zu verteidigen", murmelte er nur leise:"Es...", er fasste sich an den Bauch:"Es tut mir so leid". Etwas überrascht ihn so schwach zu sehen wich ich etwas zurück. Chase blieb auf seinen Knien sitzen, geschlagen ließ er seinen Kopf hängen, seine Augen waren traurig zu Boden gerichtet. „Dich wieder zu sehen....", murmelte er:"Nach so langer Zeit...", er sah etwas zu mir hoch:"Ohne mit dir zu sprechen, dir zu sagen, dass ich dich liebe oder dich anzufassen", er senkte den Kopf wieder. „Aber ich bin kein Opfer. Ich bin der Täter. Ich habe dir die Hoffnung genommen."

Ich atmete tief durch, senkte meine Fäuste und seufzte:"Be the bigger man", murmelte ich leise. Ich ging in die Hocke, legte die Hand an Chases Pulli und zog ihn etwas hoch. Sein Streifschuss war bereits verbunden. Nun fiel auch mir auf, dass mein Arm verbunden war. Außerdem trug ich ein pastellrosanes Shirt, das nur von Ginger kommen konnte. Einen Moment lang sah ich Chase in die Augen. Sein Blick war getränkt von Trauer und Reue und seine Mimik so niedergeschlagen, wie ich sie lange nicht gesehen hatte. Einen Moment zögerte ich, doch dann stand ich tonlos auf und wand mich an die anderen, die still verteilt im Raum standen.

„Cappu", lächelte ich, lief auf ihn zu und legte meine Arme um ihn. Rau lachend legte er einen Arm um meine Taille, hob mich etwas an und legte den Kopf auf meine Schulter:"Hallo Charlie. Es ist schön dich wieder zu sehen." Kaum hatte er mich runtergelassen spürte ich ein weiteres Paar Arme um mich:"Du kannst dir nicht vorstellen wie schwer es ist wieder ohne dich zu leben, mit diesen Idioten". Venom drückte sich an mich und lachend legte ich einen Arm um sie. „ICH BIN DRAN", hallte es fast schon durch den Raum und Ginger kam vom Türrahmen auf mich zugesprungen, schlang die Beine um mich:"Ich habe dich soooo vermisst", quietschte er. Sushi stand an die Wand gelehnt gegenüber von mir:"Ich werde dich zwar nicht drücken, aber froh dich zu sehen bin ich auch", sagte er und schenkte mir ein sanftes Lächeln.

Nachdem wir noch kurz über Sushis Emotionslosigkeit gelacht hatten, legte ich die Arme um Ginger und Cappu:"So...", sagte ich und sah ernst zwischen beiden hin und her:"Und jetzt erzählt ihr mir, was hier los ist"

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Be kind :)

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