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Ich spürte den Wind, der durch meine Haare strich. Wie er jede einzelne anhob und mit ihr spielte, nur im sie im nächsten Moment wieder loszulassen. Meine Augen hatte ich geschlossen, genoss die Kälte auf meiner schwitzenden Haut. Ich kam oft auf das Dach, wenn die Albträume mich wachhielten. Ich genoss die Ruhe, die Schönheit die mir der Wald bot, der sich um die Lagerhalle erstreckte. Sushi hatte es tatsächlich geschafft, das kahle Hallendach zu bepflanzen. Nun zierten abgesehen von dem Efeu, das sich freiwillig die Wände hochzog, auch Blumen und kleine Bäume in allen Farben das kahle grau.

Das dunkle Blau des Abendhimmels erinnerte mich an seine Augen, der rote Schleier der untergehenden Sonne an den Schmerz, den ich schon so oft gesehen hatte. Ich vermisste Chase. Mehr als alles andere wünschte ich mir, dass er hier sein könnte, mich im Arm halten könnte. Für einen Moment schloss ich die Augen.

„Charlie, du wirst dich noch erkälten", Chase muskulösen Arme legten eine Decke um meine Schultern und sein wunderschönes Gesicht erschien vor mir und lächelte mich an. Seine blauen Augen ertränkten meine grünen, zogen sie mit sich in die Tiefe der Ruhe, die Chase ausstrahlte.

„Ich wünschte du wärst hier, Chase", murmelte ich, spürte, wie eine Träne auf meinem Handrücken landete.

Chase lächelte breit:"Ach, Charles. Ich bin doch hier. Du musst nur die Augen aufmachen", hörte ich seine Stimme sagen, die so weit entfernt war, dass es für mich unmöglich schien die Distanz zwischen ihr und meiner zu überwinden.

Und als ich seiner Aufforderung nachkam und sie öffnete, erstreckte sich der Wald unbarmherzig vor mir, plötzlich viel kälter und trotzdem noch einsamer als davor. „Ey, Buddy", Ginger klopfte mir auf die Schulter:"Trübsal blasen ist nicht, nicht heute", er drückte mir eine Flasche Bier in die Hand und sah mich breit grinsend an.

Ginger war knallrot, die Antwort seines Körpers auf viel zu viel Alkohol. „Wir finden diesen Chase schon. Der muss ja irgendwo sein. Weißte, Stühle haben zwar Beine, weit kommen die aber trotzdem nicht. Wußtest du, dass alle 5 Minuten ein Koch in ner Kochschau einen Hygienefehler macht? Danke Merkel", er klopfte mir ein weiteres Mal auf die Schulter und verschwand dann wieder, mit dem selben breiten Grinsen, mit dem er gekommen ist.

Kommentarlos setzte ich die Flasche an, die Ginger mir gegeben hatte und ehe ich mich versah sickerte ihr kompletter Inhalt bereits meine Kehle runter. Ginger hatte zwar keine Ahnung was er da laberte, Unrecht hatte er aber trotzdem nicht. Chase musste irgendwo sein. Ich musste nur herausfinden wo.

———

Der Wald kam mir endlos vor. Jeder Baum, den ich aufgrund meiner beschränkten Sicht rammte, sah gleich aus. Die letzte Flasche, die ich mit einem Zug lehrte, zerschlug ich an einem von ihnen und schmiss die Scherben, die ich vorher in meiner Hand zerdrückte, irgendwo hin wo sie mich nicht stören würden. Chase Stimme rief mich weiterhin, immer und immer wieder dröhnte sie in meinen Kopf, jedesmal aus einer anderen Richtung. Das Dunkel des Waldes beruhigte mich, so könnte ich nicht sehen, warum meine Hand plötzlich so wehtat, so könnte ich nicht sehen, wie erbärmlich mein Spiegelbild aussah, als ich mit einem Fuß kurz in einem Teich steckenblieb und mich nach langer Zeit befreien konnte.

„Charlie", nun könnte ich sie hören, doch nicht weit weg, sie war hier, sie war in der Dimension, in der ich mich auch befand. „Charlie", sie kam näher, die Stimme kam immer näher zu mir. Ich begann meinen Kopf umher zu reißen, trotz der Dunkelheit. „Charlie", kam es wieder, doch plötzlich so nah, dass ich zusammenzuckte. Die Stimme berührte mich, nahm mich am Arm und riss mich in eine Richtung. Die Stimme war seltsam klein und ihre Haare seltsam schwarz, soweit ich das ausmachen konnte.

Sushi drückte mich sofort auf einen Sessel, als wir im inneren des viel zu hellen Gebäudes ankamen. Seine Augen waren plötzlich so klein, seine Haare plötzlich so.... pink. Ich bekam eine Ohrfeige. Die hatte ich nicht verdient. Ein Schauer durchfuhr mich und holte mich zurück ins Diesseits, als Sushi mir plötzlich einen Eimer mit eiskaltem Wasser über den Kopf schüttete. Die Kälte zog meine Lunge zusammen, ich riss die Augen auf und begann sofort zu husten.

„Was fällt dir eigentlich ein?", Venom sah mich vorwurfsvoll an, die nächste Ohrfeige begegnete mir und bei Venums strafendem Gesicht war ich mir nicht mehr so sicher ob ich sie vielleicht doch verdient hatte. „Vier Stunden", mischte sich nun Cappu ein:"Vier Stunden haben wir dich gesucht, Freckles", auch er klang gereizter als sonst. Vier Stunden? War ich wirklich so lange dort gewesen? Ich sah beide nur kurz an, senkte dann meinen Kopf und biss mir auf die Unterlippe:"Tut mir leid", murmelte ich leise und sah wieder etwas zu den beiden auf.

Venom schnaubte, beugte sich zu mir runter und legte die Arme um mich, ihre Lippen auf meine Wange:"Tu das nie wieder, Puppy", murmelte sie und gab mir einen dicken Kuss, strich mir durch die klatschnassen Haare. „Puppy?", ich schmunzelte sie an und sie zuckte nur mit den Schultern:"Du schaust immer wie ein misshandelter Welpe, was kann ich dafür?", sagte sie während sie den Raum verließ. Cappu schüttelte nur den Kopf, strich mir ebenfalls durch die Haare und zwinkerte mir nur zu, lief dann seiner Verlobten nach.

„Wenn du erwartest, dass ich dich jetzt auch abschlabbere, hast du dich geschnitten, Freak", Sushi ließ von meiner Hand ab, die er verbunden hatte und ich grinste, während ich ihm nachsah.

———
Lucy. x

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