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Was tut man mit zwei Seelen, die das Leben in die Knie gezwungen haben? Zwei Menschen, die sich an nichts anderes erinnern als an Kälte, Trauer und Schmerz. Der einzige Weg sie aus diesem Loch zu ziehen scheint zu sein, sie an die kleinen, wärmenden Flammen zu erinnern, die immer und immer wieder in der Kälte entfacht wurden.

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Lächelnd winkte ich Josh zu, der hastig etwas am PC tippte und mir nur kurz schmunzelnd zurück winkte. Fast jeden Tag kam ich hierher, lief an Josh vorbei und die Treppen rauf zu dem Zimmer. Zu seinem Zimmer. Chase war nach seinem Koma nun schon einen Monat in Kur.

Aus seiner Trance ist er trotzdem nie richtig erwacht. Ob er mich vollständig wahrnimmt oder nicht ist Glückssache. Manchmal bekomme ich ein „Hallo" von ihm und ein bisschen Aufmerksamkeit, manchmal werde ich in den zwei Stunden, in denen ich ihn besuche, vollkommen ignoriert. Er war unvorstellbar in sich gekehrt, als hätte die Zeit bei Arrow ihn gezwungen in sich selbst zu verschwinden. Lange hatte ich versucht ihn zu finden und die Hoffnung hatte ich noch nicht aufgegeben.

Manchmal sah ich ihn an und entdeckte den Chase, in den ich mich verliebt hatte. Meinen Revolutionär, der gegen alles etwas einzuwenden hatte. Meinen Wolf, der mein Leben um jeden Preis verteidigte. Doch manchmal sah ich gar nichts. Als würde er still in sich arbeiten und versuchen alle Teile seiner zerbrochenen Persönlichkeit zusammenzuflicken, starrt er dann regungslos in die Gegend. Ich gebe ihm diese Zeit, ich kann warten.

Immer zwei Stufen auf einmal nehmend hastete ich die Treppe herauf. Sein Zimmer lag am Ende eines langen Korridors. Ein Weg in Richtung des Lichtes, das durch das Fenster schien, lag vor mir und leise pfeifend ging ich den Gang bis zum Ende entlang. Die metallene Türklinke drückte ich nach einem kurzen Klopfen langsam runter und betrat dann den hellen Raum.

Zu meiner Rechten stand der Kleiderschrank, den Zero und ich Chase eingerichtete hatten. Es war Sommer geworden, weswegen vor allem T-Shirts und kurze Hosen auf den Bügeln hingen. Zu meiner Linken formte sich eine weitere Tür, die in das Badezimmer führte. Geradeaus erstreckte sich das kleine Zimmer, das ein Bett, eine Kommode und einen Fernseher beinhaltete, den ich noch nie laufend gesehen hatte. Und dort, mittendrin auf einem Stuhl, der dem Fenster zugewandt war, saß Chase.

Von hinten konnten man die Narbe sehen, die seinen Schädel nach seinen OPs immer noch zierte, doch abgesehen davon hätte dort auch der Chase sitzen können, der mich vor vielen Jahren überfallen hatte. „Hallo Chase", rief ich durch das Zimmer, während ich meine Schuhe von den Fersen streifte und meine Sommerjacke auf einen Bügel hing. „Ja", entgegnete Chase nur ohne mich anzusehen. Immerhin etwas. Ich lief zu ihm, legte ihm von hinten die Arme um die Schultern und drückte ihm zwei Küsse auf die Wange:"Selber ja", ärgerte ich ihn und setzte mich auf sein Bett, sah ihn von der Seite an:"Also, heute war ein ganz komischer Tag...."

Ich erzählte ihm meistens zwei Stunden lang einfach nur was, da ich tatsächliche Konversationen mit ihm schon vor zwei Wochen aufgegeben hatte. Er hörte mir zu, zeigte nie eine Reaktion oder eine Antwort.

„Und sie war so fest davon überzeugt, dass ich tatsächlich lüge und mehr als drei verschiedene Wandfarben habe, aber ich meine du weißt es ja auch und ich...." „weiß, blau und orange", hörte ich ihn plötzlich sagen. Ich zuckte so heftig zusammen, dass ich fast von der Bettkante fiel. Chase hatte seinen Blick nicht vom Fenster bewegt, starrte weiter leer in die Gegend und rührte sich nicht. „W...was hast du gesagt?", fragte ich vorsichtig.

Chase antwortete mir nicht. Sein Blick durchbohrte weiterhin das Glas des Fensters, als würde er auf etwas anderes starren. Etwas weit, weit weg, fern von dieser Welt. Ein paar Minuten wartete ich auf eine Antwort, bis ich es aufgab und kopfschüttelnd aufstand. „Als wärst du da noch irgendwo drinnen", schmunzelte ich leicht, legte meine Hand in seine kurzen Haare und kraulte etwas durch sie durch.

Es war mittlerweile spät geworden, ich hatte Chase noch in die Cafeteria entführt und ihn mit Zimtschnecken vollgestopft. Wieder im Zimmer angekommen führte ich ihn zu seinem Bett, auf das er sich setzte und mich mit leerem Blick ansah. Traurig sah ich zu ihm runter, nahm seine Hände in meine und versuchte irgendetwas in seinen Augen zu finden. Irgendwas außer gähnende Leere. Tränen stiegen mir in die Augen und mich überkam abermals das Gefühl Chase für immer verloren zu haben.

Ich kniete mich vor ihn:"Weißt du", schniefte ich und wischte mir eine Träne an meiner Schulter weg:"Wenn du hier raus kommst wirst du ins Gefängnis müssen. Aber solange deine Amnesie anhält können sie keine Verhandlung eröffnen", ich legte meine Hände auf seine Knie und sah zu ihm hoch. Lange Zeit sah ich ihn einfach nur an und er tat es mir gleich. „Ich liebe dich so sehr, Chase", brachte ich leise hervor, während mir eine Träne die Wange herunterlief. Ich beugte mich zu ihm hoch, drückte ihm einen sanften Kuss auf die Lippen und kniff die Augen zusammen. Noch nie zuvor hatte mein Herz so weh getan. Langsam stand ich auf, wischte mir die Träne erneut weg und zog die Nase hoch. „Ich komme morgen wieder, okay? Sei artig", ich lächelte etwas. Mir war, als würde Chase ein klein wenig nicken und auch auf seinen Lippen bildete sich ein fast nicht sichtbares Lächeln.

An meinem Auto angekommen schmiss ich die Klamotten, die ich von ihm mitgenommen hatte auf die Rückbank, befreite meinen Schaltknüppel von dem Kabelsalat, der aus meinem Radio kam, damit ich mein Handy anschließen konnte und seufzte ausgiebig. „Du schaffst das schon Charlie", ermutigte ich mich und startete das Auto. „Du schaffst das schon".

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Bin ich es wirklich? Ja ich bin es. Ich bin zurück und mein langes Fehlen tut mir unfassbar leid!

Die Hauptsache ist, dass ich jetzt wieder da bin und hoffentlich diese Geschichte weiter schreiben werde.

Danke an alle, die es bis hierher geschafft haben!!

Schreibt mal in die Kommentare, ob ihr weiterhin mitlest (damit ich weiß, ob es sich lohnt weiterzuschreiben)

Be kind :)

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