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„Charles", rief Josh, als ich an der Rezeption vorbei lief. Ruckartig blieb ich stehen, drehte mich zu ihm um und lächelte breit:"Ja? Was gibt es denn?", ich legte meine Hände auf die Mamorplatte des großen Schreibtisches und sah ihn fragend an. „Gestern gab es einen kleinen... nennen wir es Vorfall", Josh schien fast schon beschämt mir davon zu erzählen und kramte nervös mit seinen Fingern in seinem Aktenordner rum. Blickkontakt hielt er nicht und er kaute auf seiner Unterlippe rum. Fast überrascht ihn so nervös zu sehen lachte ich leicht:"Was hast du denn? Geht es um Chase?"

Josh sah mir endlich in die Augen und nickte leicht:"Arthur ist gestern, nachdem du gegangen bist erstmal in seinem Zimmer geblieben. Als ein Pfleger nach ihm sehen wollte, hörte er aus dem Inneren des Raumes, dass er sich mit irgendwem unterhielt. Kein Stottern, keine parataktischen Sätze. Ganz klar und fokussiert. Es ging anscheinend um Sushi und irgendein Getränk... der Name fällt mir gerade nicht ein..."

„Cappuccino!", murmelte ich sofort leise und meine Augen weiteten sich etwas. Überrascht blickte Josh mich an:"Ja, genau. Das war es! Wie kommst du denn jetzt da drauf?". Ich antwortete ihm nicht. Mit einem Ruck stieß ich mich von dem Tisch ab und lief mit großen Schritten in Richtung Treppe. „Charlie warte", rief Josh mir hinter her:"Das muss gar nichts heißen, vielleicht war das Zufall, das heißt nicht, dass er sich jetzt wieder an alles erinnert!", hörte ich noch hinter mir.

Woher sollte Chase Sushi und Cappu kennen? Er hatte sie nie gesehen, ich hatte ihm nie von ihnen erzählt. Dass er ihre Namen kannte musste heißen, dass er irgendwie mit Zero in Kontakt war, der im Arrest sitzt. Und er hat eine klare Konversation geführt? Wenn ich nur Wörter aus ihm kriege? Energisch stapfte ich die Treppe hoch und lief mit geballten Fäusten den Flur entlang. Mit einem Ruck öffnete ich, ohne anzuklopfen, ich die Tür zu Chases Zimmer, sodass sie an den Schrank knallte, der rechts hinter ihr stand. Chase saß auf der Bettkante und starrte an die Wand. Beim Knall der auffliegenden Tür verzog er keine Miene und auch als ich wütend auf ihn zugestürmt kam, bewegte er sich nicht.

„Was verheimlichst du mir?", ging ich ihn sofort an, stellte mich vor ihn, zog ihn am Kragen zu mir hoch und drückte ich mit einem unsanften Ruck an die Wand neben dem Bett:"Mit wem sprichst du hier? Worüber sprichst du?". Chase, der immer noch keine Reaktion zeigte, starrte einfach durch mich durch. Wütend zog ich ihn einmal etwas von der Wand weg, nur um ihn direkt wieder dagegen zu donnern:"Ich weiß, dass du reden kannst! Sprich mit mir!", verlangte ich und suchte sein Gesicht nach irgendeiner Mimik ab. Als ich abermals keine Reaktion bekam, löste ich eine Hand von seinem Kragen, hob sie an und holte zu eine Ohrfeige aus.

Wie aus dem nichts schoss Chases Hand nach oben, umgriff mein Handgelenk und fesselte es in einem engen Griff. Sein Blick fokussierte sich, durchbohrte mich förmlich und ohne einen Ton von sich zu geben, legte er seine andere Hand an meine Brust. Mit einem kräftigen Stoß beförderte er mich auf die andere Seite des nicht gerade großen Zimmers, wo ich an die Wand prallte und regungslos stehen blieb. Jeder Muskel meines Körpers war angespannt. Die Luft hatte ich angehalten und ich traute mich kaum mich auch nur einen Zentimeter zu bewegen. Chase stand mir gegenüber, die Hand, mit der er mich gestoßen hatte, war immer noch mit der Handfläche in meine Richtung ausgestreckt und sein Blick lag weiterhin auf mir.

Ich biss mir auf die Lippe, hielt mit aller Kraft meine Tränen zurück und rutschte langsam an der Wand herunter. Ob ich vor Schock oder vor Verzweiflung weinte wusste ich nicht, doch Weinen war schon lange keine Seltenheit mehr bei mir. Auf dem Boden angekommen zog ich meine Beine an meinen Körper, legte meine Arme um sie und vergrub meinen Kopf zwischen meinen Knien. Er verheimlichte mir irgendwas, das wusste ich. All meine Kraft, die ich in letzter Zeit in ihn gesteckt hatte, schien mich plötzlich erneut zu verlassen und ich schniefte leise. Mit langsamen Schritten hörte ich Chase auf mich zukommen, doch er bog ab und kurz darauf hörte ich die Federn des Bettes quietschen.

„Sie kommen", hörte ich ihn sagen und ein kalter Schauer lief mir den Rücken runter. Als ich den Kopf hob hatte Chase seinen Arm in Richtung Fenster gestreckt. Sein Blick war wieder leer, fast gruselig. Langsam drehte er sich zu mir, zeigte mit dem Finger auf mich und ballte seine Hand dann zu einer Faust. „Du machst mir Angst, Chase", schluchzte ich leise und wischte mir mit einem Finger unter der Nase her. Sein Blick änderte sich nicht, doch seine Faust senkte sich und er starrte wieder durch mich durch.

Langsam stand ich auf, tapste in Richtung seines Bettes und setzte mich einfach auf seinen Schoß, schlung die Arme um ihn und legte meinen Kopf auf seine Brust. Der Ton seines schlagenden Herzens war es letztendlich, der mich beruhigte und langsam hörte ich auf zu weinen. Ich lehnte mich zur Seite, sodass Chase samt mir auf das Bett kippte und legte ein Bein über ihn und meinen Arm auf seine Brust. „Was verheimlichst du mir?", wiederholte ich leise und legte meinen Kopf ganz nah an seinen, sodass meine Lippen seine Wange schon leicht streiften. Sanft zog ich kleine Kreise mit meiner Nasenspitze auf seinem Wangenknochen und die Augen fielen mir zu:"Bitte komm zu mir zurück", murmelte ich, drückte mich an die Hülle, in der ich meinen Arthur vermutete:"Bitte, bitte komm zurück".

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Ich finde sowas immer total gruselig, wenn Menschen so weggetreten sind. Was ist mit euch?

Be kind :)

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