(23) - Chemie ist explosiv

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Als ich am nächsten Morgen vor Davids Tür stand, war ich fast so hibbelig wie vor unserem ersten Treffen vor ein paar Jahren. Gewissermaßen entschied es ja ebenfalls darüber, ob wir nach heute noch zusammen sein würden.
Mit zitterndem Finger drückte ich die Klingel durch und strich mir nervös eine Strähne hinter mein Ohr. Mein Herz stolperte aufgeregt über seine eigenen Schläge. Übertriebene Reaktion, schoss es mir durch den Kopf, doch es half nichts. Ich steigerte mich immer weiter in die schon leicht köchelnden Gefühle.
Durch die Glasscheibe seiner Haustür sah ich seinen Schatten größer werden und im nächsten Moment hatte er mich schon fest in seine Arme gezogen.
Überrascht erwiderte ich die Umarmung und sog mit geschlossenen Augen seinen Duft tief ein. Obwohl ich merkte, dass irgendetwas nicht mehr wie früher war, schob ich diese Tatsache auf die Situation. Ich meine, wir hatten gerade unseren ersten Streit und waren nun wieder auf dem Weg der Besserung. Das war doch normal, oder nicht?
"Komm rein", sagte David und klang ziemlich erleichtert, "ich bin wirklich froh, dass du noch gekommen bist."
"Dachtest du wirklich, dass ich nicht auftauchen würde?", fragte ich und lachte auf. Der Tag schien ja doch noch gut werden zu können.
Ich machte mir immer zu viele Gedanken, doch wenn ich die jeweilige Person dann sah, war es bei weitem nicht so schlimm.
"Man weiß ja nie", sagte David und fuhr sich verlegen durch sein dunkles Haar, "ich wusste ja auch nicht, dass ich so werde, wie ich da in der Apotheke geworden bin."
Ich lächelte einfach, wusste gerade keine Erwiderung.
"Aber du hattest keine Angst vor mir, oder?", wollte David nun ernst wissen, nahm meine Hand und sah mir in die Augen.
Mein Lächeln zitterte nun etwas.
"Doch, ein wenig schon", gab ich schließlich zu. Ich hatte schon immer alles auf Ehrlichkeit gesetzt. Denn nur diese brachte eine Beziehung nach vorn. Angenommen, der Partner konnte mit den Wahrheiten umgehen.
Davids Gesichtszüge verhärteten sich etwas. Dann versuchte er sie mit einem Lächeln wieder etwas zu erweichen.
"Hättest du aber nicht haben müssen, du kennst mich doch", sagte er, "setz dich, ich hole uns etwas zu trinken."

Er nickte mir kurz zu, verschwand in die Küche und ich ließ mich mit einem leisen Seufzen auf seine Couch sinken.
Ja, ich kannte ihn. Aber ich musste mich trotzdem unweigerlich an diese Prügelei erinnern. Daran, wie ich David gesehen hatte. Dieses Bild von ihm, welches sich in mein Hirn eingebrannt hatte. Er, wie er mit wutverzerrtem Gesicht und ungeheurer Kraft mordswütend auf Bert eingeschlagen hatte.
Ja, ich hatte Angst vor ihm gehabt. Gewaltige Angst. Das war die Wahrheit; da brauchte ich ihm jetzt keinen Bären aufbinden.
Ich schüttelte kaum merklich den Kopf, um diese Bilder zu verjagen. Doch damit kramte ich nur weitere Gedanken hervor, die viel weiter in die Problematik hineinragten.
Denn er war nicht erst in der Apotheke so geworden. Sein Verhalten war mir schon am Abend vorher aufgefallen; auch da hatte ich mir dank ihm schon Sorgen des nächsten Tages wegen gemacht.

David ließ sich neben mich auf die Couch fallen und reichte mir ein Glas gekühlten Orangensaft. Einige Momente saßen wir nur nebeneinander, jeder in seine Gedanken versunken und nippten an unseren Gläsern.
Ich warf ihm einen kurzen Blick zu. Würde er anfangen mit reden? Oder erwartete er, dass ich begann?
Unbehaglich rutschte ich ein Stück weiter hinter, um mich anzulehnen.
Mir kam das alles hier fast wie eine Therapiesitzung vor, nicht wie eine Beziehung.
Hätte ich mir denken sollen, dass David eben nicht viel sprechen würde? Immerhin soweit kannte ich ihn ja.
Die Stille zwischen uns war unangenehm. Eigentlich konnte ich gut mit David schweigen. Stunden des Schweigens verflogen mit ihm sonst so angenehm und schnell, dass ich zuweilen das Gefühl hatte, wir verstünden uns ohne Worte.
Aber heute war es anders.
Ungemütlich, bedrängend.
Schließlich, als das Schweigen so laut wurde, dass ich es nicht mehr aushielt, unterbrach ich es.
"Kannst du mir versprechen, dass du nicht nochmal so wirst?", fragte ich vorsichtig.
David sah zu mir.
"Talessa, ich kann sowas nicht versprechen", entgegnete er knapp,"aber ich meine, er wollte was von dir. Da kann ich nicht so einfach zusehen."
"Du musst dich jetzt nicht rechtfertigen", sagte ich schnell, "Ich- ich verstehe dich doch. Aber das darf doch dann nicht immer so weitergehen."
David stellte sein Glas ab und verschränkte dann seine Arme.
"Du solltest ihm schon mal sagen, dass du in einer Beziehung bist", sagte er, ohne mich anzusehen. "Er meinte, er hätte es nicht gewusst."
Ich schloss kurz meine Augen. Dies mit meinen gegenwärtigen anderen Problemen zu verteidigen, schien mir gerade nicht angebracht, weswegen ich die aufkommenden Worte einfach wieder schluckte und nach einer unkomplizierten Variante der Wahrheit suchte.
"Ich habe ihm gezeigt, dass ich nichts von ihm will", sagte ich und konnte nicht verhindern, dass mein Ton recht knapp war. Machte er mich jetzt etwa verantwortlich?
David sah mich immer noch nicht an, biss sich aber nun auf seine Lippe.
"Wollen wir es nicht einfach vergessen?", schlug er plötzlich vor, "Ich meine, wir lieben uns und dann ist doch alles andere nicht so wichtig, oder?"
Bevor ich darauf etwas sagen konnte, küsste er mich und zog mich dann an sich.
"Ich liebe dich doch, Talessa."
Überfordert ließ ich mich an ihn drücken und entspannte mich etwas, als ich mich an ihn kuschelte.
Vielleicht war es einfach Davids Art, mit sowas umzugehen.
Ich griff nach seiner Hand, schloss meine Augen und so blieben wir eine Weile liegen.

Ich winkte David noch zu, als ich am Abend nach Hause ging und langsam rückwärts den Fußweg entlanglief.
Erst, als ich ihn in der Dunkelheit nicht mehr ausmachen konnte, ließ ich meinen Arm sinken und lief dann schnellen Schrittes auf die Bushaltestelle zu.
Paula hatte mir eine Nachricht geschrieben. Sie wollte wissen, wie es heute gelaufen war.
Ich blickte auf die Zeilen, die sie mir geschickt hatte, und überlegte, was ich ihr antworten sollte.
David war ziemlich durcheinander gewesen, was ich jedoch der aktuellen Situation zuschob. Unser kurzes Gespräch über das Geschehen war nicht bemerkenswert aufschlussreich gewesen und noch immer schien irgendetwas zwischen uns zu stehen.
Aber vielleicht sollten wir wirklich einfach versuchen, darüber hinwegzusehen.
Meine Finger tippten schon eine Nachricht für Paula zusammen, als der Chat plötzlich verschwand. Dafür stand Paulas Nummer und darüber ihr Name in grellen Buchstaben auf dem Bildschirm.
Ein leises Seufzen entfuhr mir, gepaart mit einem schwachen Lächeln. Sie wusste einfach immer, wann der beste Moment war, mich anzurufen.
"Na Süße, alles okay?" Ihre Stimme klang leicht besorgt, obwohl ich ihre Bemühungen hören konnte, dies zu unterdrücken.
Ich überlegte kurz. War alles okay? Ich ließ die letzten Stunden zusammengefasst in wenigen Sekunden durch meinen Kopf spielen.
"Ja", sagte ich schließlich und atmete durch. "Ja, es ist alles bestens. Die Situation hat sich geklärt." Meine Lippen, die sich keinesfalls zu einem Lächeln verzogen, sprachen etwas anderes. "Hoffe ich zumindest", fügte ich gedanklich hinzu.
"In einer Viertelstunde bist du bei mir, habe ich gehört", sagte Paula nun munter, ohne auf meine Antwort einzugehen. "Bis gleich, ich freue mich." Dann kam der bekannte Ton. Sie hatte aufgelegt.
Verdattert starrte ich auf mein Handy, auf welchem nun wieder der Chat zwischen Paula und mir mit meiner angefangenen Nachricht erschien.
Das sagte wohl alles.

Aus der Viertelstunde wurden zwanzig Minuten, doch tatsächlich fand ich mich nach dieser Zeit in Paulas Wohnzimmer auf der Couch wieder.
"So Louisa, Zeit, ins Bett zu gehen!", rief Phil, der in der Wohnzimmertür stand, seiner Tochter zu. Diese saß jedoch mit vor der Brust verschränkten Armen auf dem Boden und zog einen Schmollmund.
"Jetzt, wo Taza hier ist, soll ich ins Bett? Die Party geht doch erst richtig los!", entgegnete sie leicht bockig.
Phil hob eine Augenbraue, grinste jedoch ziemlich vergnügt. "Hier gibt es keine Party. Mama und Tessa quatschen über Frauenangelegenheiten und wir beide lesen noch ein Buch."
"Ich bin aber auch eine Frau", sagte Louisa mit erhobenem Kinn und grinste stolz.
"Und die kleine Dame möchte sicherlich noch ein bisschen mit mir toben, bevor sie schläft."
Keine fünf Sekunden später hatte Phil Louisa auf dem Arm und beide verschwanden die Treppe nach oben.

Zeit für ein Frauengespräch.

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Wir haben es geschafft, nach langer Zeit ist hier unser 23. Kapitel.
Es ist einiges dazwischen gekommen, aber unser persönliches Verhältnis ist nach wie vor perfekt. :)
Wir haben fest vor, jetzt regelmäßiger und vor allem häufiger etwas hochzuladen, wobei wir dank der Tatsache, dass wir zwei Leute sind, natürlich keine festen Versprechen geben können.
Wir danken euch, dass ihr immer noch dabei seid und euch generell die Zeit nehmt, diese Geschichte hier zu lesen.

Einen schönen Morgen, Mittag oder Abend noch, macht etwas daraus :)

Scars || ASDSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt