(3) - Launenhaft

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"Ich hätte echt nichts gegen einen Spaziergang. Die Luft hat sich so schön abgekühlt", probierte ich, Mailin davon zu überzeugen, sie nicht mit dem Auto nach Hause zu bringen. Es hieß zwar, dass wir zwanzig Minuten Fußweg vor uns hatten, aber ich brauchte gerade einfach diese frische Luft, um meine Gedanken final zu ordnen.
Bittend schaute sie zu Alex, doch auch er war für das Nutzen unserer gesunden Beine.
"Na schön, ihr habt gewonnen. Mal wieder", murrte sie leise und zog sich ihre Schuhe an.

"Hast du alles? Dein Buch? Deine Federtasche?", stellte ich die obligatorischen Fragen. Es kam nicht erst einmal vor, dass May ihren halben Ranzen bei mir vergaß.
"Jaah", sagte sie langgezogen und ihre Stimme hatte fast schon einen fragenden Unterton, während sie nachzudenken schien.
"Na, guck lieber nochmal nach", gab auch Alex etwas dazu bei. Er kannte meine Schwester eben beinahe so gut wie ich.
Sie drehte sich um und verschwand durchs Wohnzimmer in die Küche.
Sofort lag Alex' Blick auf mir. "Hast du Angst?"
Ich gab es nur ungern zu. "Ein wenig schon. Ich hoffe, dass sie heute einen guten Tag hatte."
Ich spürte, wie Alex nach meiner Hand griff und sie kurz drückte.
Er wollte gerade noch zu etwas ansetzen, als Mailin wieder in das Wohnzimmer kam.
Sofort änderte ich meinen leicht gequälten Gesichtsausdruck zu einem Lächeln, um sie nicht zu verunsichern.
"Ihr kennt mich einfach zu gut", gestand sie nun und beugte sich zu ihrem Ranzen runter. "Meine Federtasche lag noch auf dem Stuhl."
"Ich sagte es ja", sagte Alex gespielt weise und schob seine imaginäre Brille seinen Nasenrücken hoch. Mailin musste grinsen.

Ich trug den Rucksack meiner Schwester locker auf dem Rücken, während ich neben Alex den Fußweg entlangging.
Mailin lief etwas vor uns und kickte ab und an Steine vor sich her. Was auch so ziemlich das einzige Geräusch neben dieser kaum befahrenen Straße war.
Ein leichter Wind wehte mir durch die Haare und brachte eine angenehme Frische, nachdem der Tag mal wieder so brütend heiß war.
Mailin unterbrach die Stille und drehte sich zu uns um, sodass sie ein paar Schritte rückwärts lief.
"Alex, kannst du mir nächste Woche nochmal Mathe erklären?", wollte sie wissen und klang fast schon quengelnd. "Wir schreiben bald einen Test, in dem ich gut abschneiden wollen würde."
"Ihr schreibt schon einen Test? Zwei Wochen nach Schuljahresbeginn?" Alex hob verwirrt seine Augenbrauen.
Mailin brummte bestätigend. "Leider."
"Aber ja, kann ich gern machen. Wir müssen nur gucken, dass das mit meinen Diensten passt. Wann schreibst du den denn?" Alex sah Mailin fragend an.
"Freitag erst."
Er schien einen Augenblick zu überlegen und geistig seinen Arbeitsplan durchzugehen. Dann nickte er. "Das bekommen wir hin", sagte er sicher.
Es war immer wieder erstaunlich, welch eine große Entlastung Alex für mich darstellen konnte.

Mein Finger zitterte leicht, als ich den Knopf der Klingel durchdrückte.
Ich atmete tief durch. Es war eigentlich so wie immer. Diese Ungewissheit vor ihrer Reaktion, vor ihrer Stimmung.
Mit dem Summen des Türöffners beschleunigte sich mein Herzschlag etwas und ich strich mir nervös eine Strähne hinter das Ohr.
Alex' Hand legte sich beruhigend auf meine Schulter, als wir eintraten.

Doch meine Sorgen schienen heute unbegründet und fast automatisch schlich sich ein Lächeln auf mein Gesicht, als ich meine Mutter sah.
Sie kam mit strahlender Miene auf uns zu und zog erst mich, dann Mailin und schließlich Alex in eine kurze Umarmung.
"Alex! Freut mich, dich auch mal wieder zu sehen!", sagte sie gut gelaunt. "Wie geht's, was macht die Arbeit?"
"Alles beim Alten", antwortete er ebenfalls lächelnd und warf mir einen kurzen Blick zu. Es war eine wirklich große Erleichterung für mich und scheinbar auch für ihn, dass meine Mutter heute guter Laune war.

"Und, May? Wie lief die Schule?", wollte sie dann noch von ihrer jüngsten Tochter wissen.
"Alles prima. Alex hat mir Mathe erklärt. Und ich verstehe es jetzt sogar, nachdem Tessa mir ja nicht gerade helfen konnte."
Gespielt beleidigt sah ich sie an, woraufhin sie mir grinsend die Zunge rausstreckte.
Alex drückte Mailin ihren Rucksack in die Hand, mit dem sie in ihr Zimmer verschwand.

Nachdem wir uns die Schuhe ausgezogen haben, ließen wir uns zu dritt auf die Couch fallen.
"Wie geht's dir?", fragte ich dann vorsichtig an meine Mutter gewandt. Diese Frage stellte ich immer, um die Lage grob einschätzen zu können.
Sie nickte und lächelte mich an.
"Danke, dass ihr euch heute wieder um sie gekümmert habt. Das hat mir sehr geholfen", sagte sie ehrlich und bedachte auch Alex mit einem dankbaren Blick. "Es tut mir wirklich gut, wenn ich mal etwas Zeit für mich habe."
"Gerne", erwiderte ich. Das war genau das, was ich bezwecken wollte. Auch wenn ich dafür meine eigene Zeit hingab. Für sie. Und generell für andere.
Wir unterhielten uns noch ein paar Minuten, bis Mailin ins Bett sollte und wir uns verabschiedeten.

"Tessa?", fragte Alex, als er die Haustür hinter sich zuzog.
"Ja?", antwortete ich und genoss einen Augenblick mit geschlossenen Augen die laue Abendluft.
Er schwieg einen Moment, ich sah ihn an und merkte, dass er mich beobachtet hatte. Er räusperte sich.
"Ich werde nächste Woche Samstag eine Grillparty veranstalten. Weil ich dann exakt ein Jahr an der Wache arbeite. Und ich will halt ein paar Kollegen einladen. Und Freunde. Also auch dich."
"Natürlich nur wenn du willst", beeilte er sich hinzuzufügen.
"Gerne", sagte ich grinsend, "Dann kann ich deine Kollegen auch mal besser kennenlernen. Ich habe sie ja bisher viel zu wenig gesehen."
Auf Alex' Gesicht breitete sich ein erleichtertes Lächeln aus. Hatte er wirklich mit einer anderen Antwort gerechnet? Oder war es nur, weil man mir anmerkte, dass ich gerade wesentlich entspannter drauf war als vor dem Besuch meiner Mutter?
"Das freut mich", sagte er dann ehrlich, "Ich brauche doch auch jemanden, der mir beim Vorbereiten hilft."
"Klar, immer doch." Mein Grinsen wurde noch breiter. In mir bahnte sich große Vorfreude auf diesen Tag an, obwohl es nicht einmal meine Feier war. Vielleicht einfach, weil es mal wieder Abwechslung in meinen Alltag brachte.

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Einen schönen Morgen, Tag oder Abend noch, macht etwas daraus :)

Scars || ASDSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt