(6) - Exotische Reaktion

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"Die ersten Würstchen wären fertig!", verkündete Oli, der am Grill stand, und kam mit einem vollgepackten Teller an, den er auf den Tisch stellte. Langsam aber sicher saßen die Namen bei mir - sogar mit passendem Gesicht.
"Übrigens hast du gestern richtig gut geholfen", schnitt Phil, der rechts von mir saß, plötzlich den gestrigen Tag an. "Der Patientin ging es auch schnell besser. Hättest du sie nicht in die stabile Seitenlage gelegt, dann... Na ja, du weißt ja, was passiert ist. Das passt jetzt nicht ganz zum Essen."
Ich musste lächeln. "Das ist selbstverständlich", tat ich ab, sah im Augenwinkel jedoch Alex' neugierigen Blick. "Stimmt, ich hab dir das ja noch gar nicht erzählt", stellte ich fest und berichtete von der wirklich nervenaufreibenden Aktion am Vortag.
Alex machte ein anerkennendes Gesicht. "Das hast du bestimmt von mir."
Ich legte meinen Kopf schief und tat so, als würde ich kurz überlegen. Dann schüttelte ich mit mitleidiger Miene meinen Kopf. "Eher nicht."

Auf Alex' gespielt beleidigtes Gesicht ging ich nicht weiter ein, denn Franco fragte nach Mailin. "Ging es gestern noch mit ihr? Sie schien ja schon sehr geschockt."
Ich nickte. "Nachdem ich ihr noch ein bisschen gut zugesprochen habe, ging es wieder. Sie freut sich jetzt schon auf das Eis, wenn wir diesen Tag nachholen."
"Ach stimmt", fiel es Alex wieder ein. "Gestern hat sie ja auch ihren Test geschrieben. Wie ist der verlaufen?"
"Na dank dir lief der anscheinend sehr gut."
Alex grinste selbstgefällig. "Genau das wollte ich hören."

Nachdem das deftige Essen von uns allen vertilgt wurde, mussten die Schüsseln voller Obst an ihr Dasein glauben.
Paula stürzte sich besonders auf die Ananas.
"Die hat sie damals schon in der Schwangerschaft verschlungen und seitdem nicht mehr damit aufgehört", kommentierte Phil grinsend.
Empört guckte Paula ihn an. "Ananas ist einfach lecker, oder?" Sie blickte mich nach Beistand suchend an, doch ich konnte nur meine Schultern heben.
Phil guckte erst mich, dann seine Freundin triumphierend an. "Ha, siehst du? Ananas ist nicht besonders."
"Nein", entgegnete ich schnell und musste auflachen. "Ich habe noch nie Ananas probiert", gab ich zu.
Mich trafen nun zwei entgeisterte Blicke. "Bitte?" Paula blinzelte irritiert in meine Richtung, während sie sich ein weiteres Stück zwischen die Zähne schob.
"Weiß nicht, bin halt noch nie dazu gekommen", verteidigte ich mich, als Alex noch seinen Senf dazugeben musste.
"Sie hatte auch erst durch mich ihren ersten Döner gegessen. Und das ziemlich spät. Mich würde bei ihr nichts mehr wundern." Grinsend trank er einen Schluck von seiner Brause, löste unseren Augenkontakt jedoch nicht.

Erst der Geruch nach etwas Süßem ließ mich meinen Blick abwenden. Phil hielt mir die Schüssel unter die Nase.
"Probier mal. Es ist lecker, ja, aber darin baden würde ich jetzt nicht. Nicht so wie Paula."
Dafür kassierte er einen Schlag auf den Oberarm. Natürlich nicht von mir.
Etwas zögernd griff ich zu und schob mir unter vier neugierigen Augenpaaren ein kleines Stück in den Mund. Denn auch Franco wurde auf unser ach so spannendes Gespräch aufmerksam.
Schon nach einem Biss konnte ich feststellen, dass das eine ziemlich saftige Angelegenheit war. Und irgendwie ein passender Mix aus süß und sauer.
"Und?" Voller Erwartungen wartete Paula auf eine erste Reaktion, als würde ich gerade eine Weltentdeckung machen.
Ich nickte. "Schmeckt echt gut, aber meine Mundwinkel brennen jetzt schon."
Phil musste herzhaft auflachen.
"Du willst nicht sehen, wie Paula in der Schwangerschaft immer aussah. Ja, Ananas kann wirklich ganz schön aggressiv sein."

Aus einem Stück wurden dann ein paar mehr. Doch schnell merkte ich, dass Phil recht hatte. Ja, Ananas konnte aggressiv werden. Aber so?
Ich wandte mich an Alex, der sich gerade eh an keinem Gespräch beteiligte. "Du, ist das normal, dass meine Zunge so kribbelt? Und meine Lippen irgendwie auch."
Seine Augenbrauen zogen sich zusammen. "Du hast doch nicht viel gegessen, oder?"
"Eigentlich nicht", antwortete ich ehrlich und merkte, wie mir bei dieser Erkenntnis das Herz plötzlich schneller schlug. Ich schnalzte leise mit der Zunge, die sich irgendwie immer schlimmer anfühlte. Dieses Kribbeln mutiert zu einem Anschwillen.

"Aber über eine Allergie weißt du nichts, oder?", hakte Alex nach, der mich mit leicht zusammengezogenen Augenbrauen beobachtete.
"Nein", entgegnete ich und räusperte mich, in der Hoffnung, dieses unangenehme Brennen aus meinem Hals wegzubekommen. Mir stieg eine Wärme das Gesicht hoch. "Ich habe wie gesagt noch nie vorher Ananas gegessen", redete ich mit kratziger Stimme weiter.

"Dann lass es jetzt erstmal mit essen. Ich hab da eine Vermutung. Wir müssen das mal im Auge behalten", legte Alex dann fest.
Ich hatte auch gar nicht vor, weiter zu essen. Und irgendwie auch keinen Appetit mehr. Auf Ananas. Und generell. Ich legte mein noch aufgespießtes Stück wieder zurück zu seinen Artgenossen.
Dann wandte ich mich an Alex.
"Glaubst du, dass es eine allergische Reaktion ist?", fragte ich ihn unsicher.
"Halte ich schon für möglich. Aber wenn dann keine starke. Das hätte man eher gemerkt", sagte Alex ruhig.

Phil, der sich bis eben noch mit Paula und Oli unterhalten hatte, drehte sich zu mir und sein Blick fiel auf meinen Teller.
"Willst du doch nicht mehr?", fragte er überrascht und sah dann hoch in mein Gesicht. "Sag mal, ist alles okay bei dir?", hakte er dann nach und ein besorgter Gesichtsausdruck legte sich auf sein Gesicht. "Bist etwas blass."
"Ich-", ich musste mich wieder räuspern, "Ja geht schon", sagte ich dann relativ heiser und griff zu meinem Wasserglas.
Phils Blick wanderte zu Alex, der ihm dann irgendetwas erklärte. Ich hörte ihm nicht wirklich zu, sondern genoss eher das angenehm kühle Wasser beim Trinken.
"Also... ich glaube, ich lass das dann mal mit der Ananas", sagte ich und grinste schief.
"Ja, besser ist das", stimmte Alex mit einer Mischung aus Besorgnis und Belustigung zu.

"Wird es denn langsam besser?", mischte sich jetzt auch Phil von meiner rechten Seite aus ein. Also musste Alex ihn darüber aufgeklärt haben.
Ich nickte. Und es war ernst gemeint.
Aber irgendwie war ich ja schon froh darüber, dass nicht der ganze Tisch mitbekommen hatte, dass mit mir etwas nicht stimmte. Die Aufmerksamkeit von zwei Ärzten reichte mir voll und ganz.

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Einen schönen Morgen, Tag oder Abend noch, macht etwas daraus :)

Scars || ASDSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt