Mein Blick verweilte auf der offenen Tür, durch die Phil keine Minute zuvor mit Louisa auf dem Arm verschwunden war.
Unbehagen stieg in mir auf, obwohl ich mir vorhin noch so sicher war. Sicher darüber, dass das mit David wieder problemlos laufen konnte.
Doch konnte es so werden wie früher? Jede Beziehung geht mal durch einen Streit. An Streit wächst die Beziehung und zeigt nur, wie fest das Band zwischen zwei Personen ist. Was wäre jedoch, wenn das Band zwischen David und mir gar nicht so fest war, sondern schon spröde Spuren aufwies, die es nun immer weiter auflösten? Wenn wir nicht mehr so miteinander klarkämen, wie wir es zuvor immer geschafft hatten?
„Möchtest du etwas trinken?", holte Paula mich aus meinem selbst erbauten Berg voller Fragen, auf die ich keine Antworten zu wissen schien. Noch nicht.
Langsam drehte ich meinen Kopf in ihre Richtung und sah sofort an ihrer Mimik, dass sie erahnen konnte, was in mir vorging.
„Ich hol uns mal was", entschied sie direkt, ohne auf eine Antwort von mir zu warten, und stand auf.Wenige Minuten später saßen wir schweigend nebeneinander auf der Couch und hatten jeder ein Glas Rotwein in der Hand. Augenscheinlich wartete Paula darauf, dass ich ein Gespräch begann. Und da bewies sie wie so oft ihre unglaubliche Geduld, die höchstens mal Louisa aus der Bahn werfen konnte, wenn sie sich mal wieder nicht entscheiden konnte, welche Eissorte es diesmal sein sollte.
Doch ich blieb stumm und nippte an meinem Glas, um nichts sagen zu müssen.
Aber schließlich fing ich doch einfach an.
„Ich weiß es nicht", begann ich mit einem Seufzen und nahm einen großzügigen Schluck aus meinem Glas. „David hat sich so verändert. Sollte ich mit diesen Veränderungen nicht klarkommen und sie problemlos so hinnehmen?"
Eigentlich erwartete ich keine ernste Antwort von Paula, da ich die Frage doch viel eher an mich selbst gestellt hatte. Aber Paula hatte direkt die Worte parat, die ich nun dringlichst brauchte.
„Gib euch Zeit", war das erste, was sie dazu sagte. Und allein dieser kleine Fakt brachte den Stein in mir ins Rollen, den ich doch vorher so fest geglaubt habe. „Veränderungen sind oft nicht leicht, aber eine starke Beziehung, wie du und David sie führt, kann auch solche Hürden überwinden. Du darfst nicht zu schnell urteilen. Du kannst auch später noch jederzeit eine Grenze ziehen und den Absprung finden. Aber überstürze nichts, sonst bereust du es später."
Nickend nahm ich noch einen Schluck. Ich hatte das Gefühl, meine ganzen Zweifel einfach im Keim ersticken zu müssen. Und das ging gerade nur mittels herunterspülen.
„Du hast wohl recht", stellte ich fest, während mein inzwischen leeres Glas auf dem Tisch vor mir seinen Platz fand. „Zeit heilt doch bekanntlich alle-" Mein summendes Handy unterbrach mich und ich warf einen Blick auf den grellen Bildschirm.
„David?", fragte Paula, doch ich schüttelte den Kopf.
„Alex", berichtigte ich. Mit einem kurzen Blick stellte ich sicher, dass Paula einverstanden war, und nahm ab.
„Tessa, alles okay bei dir?", redete er direkt los. „Du hast dich seit Stunden nicht mehr bei mir gemeldet und auch nicht auf meine Nachrichten reagiert. Bist du-"
„Alles gut, Alex. Bleib ruhig", unterbrach ich ihn, woraufhin nur noch ein Räuspern von ihm zu hören war. Sein typisches Räuspern, welches eine Entschuldigung für alles war. „Ich war bei David, ja. Jetzt bin ich bei Paula und lasse den Abend gemütlich mit einem Glas Wein ausklingen. Wir können später reden, okay?"
Sein Schweigen sagte ziemlich klar, dass es eher weniger okay war, doch er gab nach. So war Alex eben. Er wollte es mir immer recht machen.
„Wein", murmelte er ziemlich verbissen. Zumindest konnte ich mir seinen verbissenen Gesichtsausdruck ziemlich genau vorstellen. „Pass bitte auf, okay?"
„Es ist nur ein Glas Wein, Alex. Nur eins. Natürlich passe ich auf mich auf." Innerlich rollte ich mit den Augen, blieb aber ruhig, da ich seine Sicht ja sehr gut verstand. Nur war für mich gerade nicht der passende Moment, um mich mit diesem Thema und seiner dahingehenden Überfürsorglichkeit auseinanderzusetzen.
„Kannst du mir versprechen, dass du mir den Freiraum gibst?“, fragte ich vorsichtig. Ich wusste, dass ihm das schwerfällt.
Alex schwieg kurz.
„Natürlich“, sagte er dann leise. „Ich hab nur- ich meine, du weißt ja eigentlich warum und wieso alles“, endete er schließlich seufzend, „alles gut.“
Ich nickte leicht.
„Ich ruf dich nochmal an, wenn ich zu Hause bin, ja?“
„Jaah, in Ordnung“, sagte er, „sag Phil und Paula liebe Grüße von mir. Bis dann.“
„Mach ich, bis dann.“
Ich legte auf und blickte kurz in meine Benachrichtigungen. Da warteten tatsächlich elf neue Nachrichten von Alex auf mich, die ich noch nicht gelesen hatte. Ich ließ mein Handy in meiner Tasche verschwinden und wandte mich wieder Paula zu.
„Schöne Grüße von ihm“, richtete ich direkt aus, ehe ich es vergaß. Sie nickte.
Ich sammelte den Faden wieder auf, den wir vorhin kurzzeitig verloren hatten.
„Jedenfalls versuche ich der Sache mit David noch Zeit zu geben und mir einfach nicht so viele Gedanken zu machen?“ Was als Satz geplant war, ist als Frage geendet und ich sah Paula nun doch mit einem zweifelnden Blick an.
Sie nickte mir ermutigend zu.
„Genau“, bestärkte sie mich, „und wenn was sein sollte- du weißt, wo du mich finden kannst.“ Sie wies mit einer ausladenden Geste durch ihr Wohnzimmer. „Aber“, setzte sie an, „lass uns noch ein wenig die Zeit genießen, bevor du Alex dann noch Rechenschaft schuldig bist. Oder hast du noch etwas?“ Sie musterte mich.
„Nein“, sagte ich rasch, „nichts weiter.“
„Schön“, sagte Paula plötzlich ziemlich munter. Sie griff nach der Weinflasche und goss sich noch ein halbes Glas ein. „Willst du auch?“, fragte sie mich und bot mir die Flasche an.
Einen Moment lang war ich versucht, sie zu nehmen.
»Es ist nur ein Glas Wein. Nur eins.«
„Nein danke“, lehnte ich lächelnd ab.----------
Hallo zusammen, es hat wieder ein bisschen gedauert, aber wir geben uns wirklich Mühe, wieder häufiger zu schreiben.
Einem schönen Morgen, Mittag oder Abend, macht noch etwas daraus. :)
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Scars || ASDS
FanfictionFür ihre Schwester da sein, wenn die Mutter nicht kann, und sich auch um diese kümmern, wenn sie es selbst nicht schafft, ist für die 24-jährige Talessa Alltag. Wie wichtig ein bester Freund in diesem Leben sein kann, weiß sie. Sie weiß auch, wie wi...