Die Luft im Auto stand, als ich es parkte, und diese drückende Hitze raubte mir fast schon den Atem.
Beinahe fluchtartig verließ ich meinen Wagen und lehnte mich dann an diesen an. Die sengende Wärme des erhitzten Asphalts kroch mir die Beine hoch und die von meinem Auto ausstrahlende Hitze fraß sich durch mein Shirt in meinen Rücken.
Ich strich mir eine im Gesicht klebende Haarsträhne weg und sah mit wegen der blendenden Sonne zusammengekniffenen Augen auf das Display meines Handys. In fünf Minuten hatte Mailin Schulschluss. Ich hoffte sehr, dass ihr Test gut verlaufen war und Alex' Hilfe sich ausgezahlt hatte. Zweifel hatte ich daran zwar nicht, aber man weiß ja nie.Ein Grinsen stahl sich auf mein Gesicht, als wenige Minuten später eine zufrieden wirkende May vom Schulhof kam. Sie unterhielt sich lachend mit zwei Freundinnen und ihre Miene erhellte sich schlagartig, als sie mich sah. Schnell verabschiedete sie sich von den beiden Mädchen und kam zielstrebig auf mich zu.
"Was machst du denn hier?", fragte sie, während sie mich in eine kurze Umarmung schloss.
"Ich wollte mit dir ein Eis essen gehen", grinste ich. "Wie lief denn der Test?"
Plötzlich wurde ihr Gesicht ernst. Doch ich kannte sie einfach zu gut, denn die kleinen Fältchen, die sich um ihre Augen legten, verrieten sie.
"Sprich mich lieber nicht darauf an", brummte sie, bemüht darauf, nicht zu lachen.
"Du kleine Spinne", grinste ich und kniff ihr leicht in den Oberarm. "Komm, einsteigen und los geht's."Das Eiscafé war um diese Uhrzeit schon gut besucht. Aber bei dieser Hitze kein Wunder. Als wir in den Raum traten, wehte uns augenblicklich eine angenehme Kühle entgegen. Ich hielt kurz inne und genoss diesen Moment, bevor ich an die Theke trat.
"Auf die Hand oder hinsetzen?", fragte ich dann an Mailin gewandt, während unsere Bestellung bearbeitet wurde.
Sie brauchte gar nicht zu überlegen. "Hinsetzen, aber draußen."
Eigentlich hätte ich nicht fragen müssen, die Antwort war mir schon im Vorfeld klar gewesen.
Wir suchten uns einen schattigen Platz unter einem Sonnenschirm.
"Hoffentlich war das die richtige Entscheidung, den Schokoeisbecher zu nehmen", gab Mailin zu bedenken und sah fast schon sehnsüchtig auf den bunten Kindereisbecher, der gerade auf dem Nebentisch abgestellt wurde.
"Ach komm, du wolltest doch mal was Neues probieren", sagte ich sofort, "Wird schon richtig sein."
Mailin riss den Blick vom Nebentisch los und sah zu mir. Halbwegs überzeugt nickte sie.Fast schon zeitgleich wurden uns unsere Eisbecher serviert. Mailins Augen leuchteten auf, als sie ihren Becher sah und sofort zog sie das Waffelröllchen aus dem Eis und biss genüsslich hinein. Glücklich grinste sie mich an.
Ein Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus. Es war so schön, meine kleine Schwester so unbeschwert und frei zu sehen. Auch wenn es mich das manchmal alle Kräfte kostete, war es mir das immer wieder wert.
Außerdem war sie mir auch oft eine wirklich große Hilfe, selbst wenn sie das meistens unbewusst tat.
Gerade nahm ich auch den ersten Löffel von meinem Eis, als mein Blick fast automatisch von jemandem hinter May angezogen wurde.Die Kälte von meinem Vanilleeis breitete sich gerade noch in meinem Hals aus, als ich schnell aufstand, um der jungen Frau zu helfen, die gerade ohne ersichtlichen Grund einfach umgekippt war.
"Hallo? Können Sie mich hören?", fragte ich sie laut und griff nach ihrem Arm. Der brennend heiß war.
"Was ist denn hier passiert?" Eine Kellnerin kam etwas aufgeregt auf uns zu und hockte sich neben mich.
"Sie ist gerade umgekippt, könnten Sie bitte den Notruf wählen?", fragte ich sie direkt.
"Ja, natürlich", antwortete sie sofort etwas überfordert wirkend, zog ihr Handy hervor und trat ein paar Schritte zurück.
"Tessa? Kann ich irgendwie helfen?" Meine kleine Schwester erschien hinter mir und sah auf die Frau runter.
Ich sortierte mich kurz.
"Du könntest mir mal mit helfen, sie etwas in den Schatten zu ziehen", wies ich sie dann an und einen Augenblick später hatten wir die Frau etwas weiter von dem sonnigen Platz weggezogen.Ich probierte gerade erneut, die Frau irgendwie zu einer Reaktion zu bringen, als die Kellnerin wieder hinter mir erschien.
"Der Rettungsdienst sollte gleich da sein", teilte sie uns mit.
Innerlich atmete ich kurz auf. Immerhin wusste ich, dass gleich professionelle Hilfe kam. Dennoch blieb in mir eine ungewohnte Unruhe, denn die Frau reagierte einfach nicht. Und ohne viel Ahnung daneben zu sitzen war echt kein schönes Gefühl.
Ich legte sie notdürftig in die stabile Seitenlage und überprüfte durchgängig ihre Atmung, während die Zeit verstrich.
Es mussten zwar nur wenige Minuten gewesen sein, die vergangen waren, bis ich die ersten Sirenen hörte, aber es fühlte sich an wie Stunden.Gerade als die Einsatzkräfte unweit von uns parkten und die Kellnerin ihnen entgegenlief, regte sich die Frau. Ihre Lider flackerten, ihr Kopf drehte sich etwas. Und kaum konnte ich irgendwie reagieren, erbrach sie sich.
Ich nahm im Augenwinkel wahr, wie Mailin leicht erschrocken zurückwich, auch wenn sie nicht in Schusslinie war. Auch ich kniete nicht im Weg, sodass nur der Boden neben dem Kopf der Frau beglückt würde."Rettungsdienst", rief im nächsten Moment eine männliche Stimme ein paar Meter hinter mir.
Die Kellnerin lief dem Team voraus auf uns zu. Ganz vorn ein mir nicht unbekanntes Gesicht.
Auch er schien mich zu erkennen, denn Phil nickte mir kurz lächelnd zu, bevor er sich zu seiner Patientin hockte.
"Hallo, Rettungsdienst, können Sie mich hören?", rief er laut und tätschelte ihre Wange.
Von der Frau kam nur ein undefinierbares Brummen zurück. Immerhin mehr als es vorhin war.
"Was ist denn passiert?", hörte ich eine Stimme neben mir. Ebenfalls eine mir bekannte Stimme, die ich nicht zum ersten Mal hörte. Einen Moment später wurde ich von zwei Armen etwas zur Seite gezogen.
"Talessa", sagte Franco überrascht, dem ich nun gegenüberstand. "Ich habe dich gerade gar nicht erkannt."
Ich ging über diese Bemerkung hinweg und erklärte kurz das, was ich wusste. Was nun bekanntlich auch nicht viel war.
Franco nickte.
"Jacky, wir brauchen die Trage. Sie ist definitiv zu schwach, um zum RTW zu laufen", wies Phil im Hintergrund eine Sanitäterin mit blonden Haaren an, die ich noch nie gesehen hatte. Ich kannte auch Phil und Franco nicht wirklich gut, eigentlich hatte ich sie nur ein paar mal in Zusammenhang mit Alex gesehen."Mit dir ist alles gut?", informierte sich Franco dann plötzlich bei mir.
"Ich... Ja klar", sagte ich etwas überrascht und sah mich um.
Mein Blick blieb an Mailin hängen, die mittlerweile im Schneidersitz auf dem Boden saß und die Patientin beobachtete, die gerade auf die Trage gehoben wurde.
"May?", fragte ich.
Franco, der sich kurz noch mit Phil verständigt hatte, folgte meinem Blick.
"Ist das Mailin, deine Schwester?", fragte er mich.
Ich nickte ohne ihn anzusehen und kniete mich runter.
"May?", wiederholte ich, als sie immer noch die Frau anstarrte.
Sie riss ihren Blick los und fokussierte stattdessen mich. Ihr Gesicht wirkte ziemlich blass um die Nase.
Franco kniete sich vor sie und nahm ihre Hände in seine.
"Mit ihr ist alles gut, sie kommt auch langsam wieder zu Bewusstsein", erklärte er ihr ruhig, als er merkte, dass sie mit der Situation überfordert war.
"Hey, schau mich mal an." Franco drehte Mailins Kopf leicht zu ihm.
"Es ist alles gut, ja?", sagte er erneut.
Meine Schwester schüttelte sich kurz und wirkte dann wieder im Hier und Jetzt.
Sie nickte.
"Ja", bestätigte sie nochmal."Was habt ihr eigentlich hier gemacht?", wechselte Franco dann das Thema und sah wieder zu mir.
"Wir waren", mein Blick wanderte zu unserem Tisch, "Eis essen." Mein Satz endete ziemlich lahm. Unsere einst schön angerichteten Eisbecher hatten sich in eine homogene Masse aus Eiscreme, Sahne und Soße entwickelt.
Appetitlich.
"Das tut mir natürlich sehr leid", bemerkte Franco, doch es klang nicht ganz so aufrichtig, wie er es wohl wollte. Seine Belustigung stach mehr heraus. "Man sieht sich bestimmt." Er lächelte uns nochmal zu und eilte dann seinem Team hinterher.
Ich stand nun ziemlich planlos an dem Tisch, auf dem unser Eis schon schwamm. Ein Blick zu May verriet mir, dass sie nun auch keine wirkliche Lust mehr hatte, noch einen Eisbecher zu verdrücken."Ich würde mich im Namen des Cafés gern bei Ihnen für die schnelle Hilfe bedanken", riss mich die Kellnerin, die auch den Notruf abgesetzt hatte, aus meinen Gedanken. "Wenn Sie kurz warten könnten." Damit verschwand sie ins Café, aus dem sie gerade erst gekommen war.
Wenig später drückte sie mir einen Gutschein in die Hand. "Sie können diesen Tag ja gern nachholen."
Ich blickte zu Mailin, die durch diese liebe Geste schon wieder ein leichtes Lächeln im Gesicht hatte.----------
Einen schönen Morgen, Tag oder Abend noch, macht etwas daraus :)
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Scars || ASDS
FanfictionFür ihre Schwester da sein, wenn die Mutter nicht kann, und sich auch um diese kümmern, wenn sie es selbst nicht schafft, ist für die 24-jährige Talessa Alltag. Wie wichtig ein bester Freund in diesem Leben sein kann, weiß sie. Sie weiß auch, wie wi...