Bevor wir jedoch ins Wohnzimmer kamen, stellte sich Louisa mir in den Weg.
"Hallo Taza", sagte sie strahlend und umarmte mein Bein.
"Na du", grinste ich und strich ihr über den Kopf. "Du bist schon wieder so groß geworden."
Paula lachte. "Und trotzdem nennt sie dich noch Taza."
"Ob sie das jemals lassen wird?", fragte ich sie schmunzelnd. Louisa hatte mich Taza genannt, als sie meinen Namen das erste Mal gehört hatte - und da war sie noch drei. Seitdem hat sie nicht einmal Tessa zu mir gesagt, obwohl sie den Namen inzwischen können sollte.
Doch lange interessierte sie sich nicht für mich. "Komm May, Papa hat mir im Garten eine Hütte gebaut, in der wir spielen können!", rief sie ganz euphorisch und mit glänzenden Augen aus, sprang kurz in die Luft, schnappte sich Mailins Arm und wollte losrennen.
"Stopp", hielt Paula ihre Tochter auf, "du ziehst dir noch eine Jacke und Schuhe an. Es ist frischer draußen."
Leicht maulend nahm sie Paula die Jacke aus der Hand und zwang sich umständlich in diese hinein, während Paula ihr bei den Schuhen half.
Keine Minute später war von den beiden Mädels nichts mehr zu sehen."Ach ja, das war schon lustig", seufzte Paula grinsend und ließ sich neben mir auf die Couch fallen. "Louisa hatte sich seit längerer Zeit ein kleines Spielhäuschen für den Garten gewünscht. Phil, der seiner Tochter keinen Wunsch abschlagen kann, hat sich natürlich sofort darum gekümmert. Aber warum kaufen, wenn man das auch selber machen kann? Kurzum musste Franco ihm helfen, weil Phil dafür einfach kein Händchen hat." Paula lachte und griff nach einer der beiden Tassen, die gefüllt vor uns standen.
Ich konnte mir das alles viel zu gut vorstellen, und auch wenn sich das ziemlich lustig anhörte und mich einen Augenblick lang zum Grinsen brachte, hatte das ganze einen bitteren Beigeschmack.
Paula und Phil waren wirklich wie füreinander gemacht. Das merkte ich jedes Mal, wenn der eine vom anderen redete. Vor allem, wenn man beide zusammen erlebte. Und ich dachte auch, dass David und ich wie füreinander gemacht waren. Dass wir uns ergänzten und einfach ein Herz und eine Seele waren. Ich hoffte inständig, dass ein Gespräch von Gesicht zu Gesicht alles wieder einrenken würde.Mit einem Seitenblick zu mir verblasste Paulas Lächeln. "Möchtest du nochmal über die Sache reden, die gestern passiert ist?", fragte sie ernst und leichte Sorgenfalten legten sich auf ihre Stirn, als sie mich musterte.
Etwas ratlos zuckte ich mit den Schultern. Einerseits half reden manchmal, doch eigentlich wollte ich heute einfach mal auf andere Gedanken kommen.
Mein innerer Konflikt endete ziemlich schnell, als Paula noch ergänzte: "Du musst natürlich nicht. Ich dachte nur-"
"Schon gut", unterbrach ich sie. Ihr war das schlechte Gewissen sofort anzusehen. "David hatte wohl eine ziemliche Eifersuchtsszene geschoben. Es wäre nicht nötig gewesen und das habe ich ihm auch gesagt, woraufhin er nur noch ... ja, schon irgendwie aggressiv wurde. Ich weiß aber ehrlich gesagt nicht, ob ich vor der Sache mit meinem Kollegen mehr Angst haben sollte. Mit David wird das schon wieder, da bin ich guter Dinge."
Von Paula bekam ich ein Nicken. Sie schien nicht zu wissen, was sie erwidern sollte.
"Heute würde ich mich aber gern einfach mal ablenken wollen", beendete ich dieses nicht gerade behagliche Schweigen und griff nach meiner Tasse. "Und Zeit mit einer tollen Freundin verbringen."
Ich grinste Paula zu, sie erwiderte es.Und sie schien wohl sofort eine Idee zu haben, wie sie mich auf andere Gedanken bringen konnte.
"Louisa zählt jetzt schon die Tage bis zu ihrem Geburtstag", begann sie dann mit einem ganz anderen Thema. "Dabei haben wir gerade mal den dreißigsten September."
Ich lachte. "Ja, da hat sie noch einige Tage zu zählen."
"Phil hat auch schon gesagt, dass die Kleine beinahe Suchtanzeichen an die Oberfläche bringt."
"Sucht nach Geburtstagen?" Ich hob lachend meine Augenbrauen. "Noch nie gehört."
"Tja, Sachen gibt's, die gibt es gar nicht.""Ich beobachte die beiden wirklich gern", gab ich schmunzelnd zu, während Paula und ich auf der Terrasse standen und gerade dabei zusahen, wie Louisa kichernd probierte, Mailin zu fangen.
"Hoffentlich fällt Mailin mit ihrem Arm nicht hin", erwiderte Paula nur mit gerunzelter Stirn.
Sanft boxte ich ihr auf den Arm. "Wird sie schon nicht. Kannst du das nicht einmal ablegen?"
"Ablegen?", gespielt unwissend sah Paula zu mir, "Ich habe keine Ahnung, wovon du redest."
"Ich wünsche Louisa schon mal viel Spaß. Wenn sie älter wird und die Fürsorge zweier Ärzte immer um sich herum hat."
"Na hör mal." Diesmal kam die Faust von Paula. "Wir machen uns nicht mehr Sorgen als Eltern mit anderen Berufen. Und wir sind deswegen auch nicht fürsorglicher."
"Ich weiß doch", sagte ich versöhnlich und lachte auf. "Aber lass ihnen doch mal ihren Spaß. Es wird schon nichts passieren."
"Nun gut", Paula wandte sich vom Garten ab und zog mich mit ins Haus. "Wollt ihr beiden eigentlich noch bis zum Abendessen bleiben?"
"Eigentlich hatte ich meiner Mutter gesagt, dass Mailin bis neunzehn Uhr wieder da ist, damit die beiden noch essen können", sagte ich und konnte etwas Enttäuschung nicht verbergen. Hätte ich das gewusst.
"Oh", sagte Paula ebenfalls etwas niedergeschlagen. "Und wenn deine Mutter mit herkommt?", fügte sie zweifelnd hinzu.
Ich schüttelte den Kopf. "Das will sie nicht. Ich habe ihr sowas auch schon öfter angeboten", murmelte ich.
"Und wenn nur du mit uns isst und Mailin bei sich zu Hause?", ließ Paula nicht locker.
"Da müsste ich die Strecke noch mehrfach fahren… Eigentlich soll ich mich ja auch schonen."
"Das musst ja nicht du machen", sagte Paula, "Das kann ja auch Phil übernehmen."
Meine Augenbrauen hoben sich. "Phil? Würde er? Wann kommt er denn?"
Paula öffnete gerade den Mund für eine Antwort, als es klingelte.Sie drehte sich um und ging zur Haustür.
"Wenn man vom Teufel spricht!", rief sie lachend in meine Richtung.
"Teufel? Ich bin kein Teufel", hörte ich Phils Stimme aus dem Flur.
Ich ging ihnen entgegen und lehnte mich lächelnd an die Wand. Das Traumpaar schlechthin, ich konnte es immer wieder sagen. Phil hatte seine Jacke halb ausgezogen und war etwas nach vorne gelehnt, damit Paula ihm einen kurzen Kuss auf die Wange geben konnte, als sein Blick mich traf.
"Hi Tessa", sagte er lächelnd in meine Richtung. Er hing seine Jacke auf und zog mich dann in eine kurze Umarmung.
"Wie geht es dir?", fragte er behutsam.
"Ist okay", antwortete ich bloß.
Paula, die ja wusste, dass ich nicht darüber reden wollte, sprang dazwischen.
"Ich hätte es gerne, dass Tessa zum Essen bleibt, aber ihre Schwester muss bis neunzehn Uhr zurück sein. Könntest du sie dann vielleicht fahren?"
"Ja klar", kam es etwas überrumpelt von Phil. "Mailin ist wohl auch da?" Sein Blick wanderte von mir in Richtung Terrasse und seine Miene hellte sich etwas auf.
"Aber ja, klar, kann ich machen", versicherte er mir nochmal.
"Danke", sagte ich und lächelte ihn an."Papaaaaaa!", tönte es plötzlich laut aus dem Wohnzimmer und Louisa kam herangeschossen, die von Phil sofort hochgehoben und fest umarmt wurde.
Mailin kam schnaufend hinterher und tätschelte Louisas Arm. "Hab dich."
"Zählt nicht", kam es sofort zurück.
"Doch."
"Nein."
"Tessa!"
Ich grinste. Die beiden waren noch komplett im Spiel.
"Tessa, sag doch mal was!" Mailin sah mich flehend an.
"Ich glaube, ich halte mich da raus", sagte ich und hob entschuldigend die Hände. Mailin warf mir einen entrüsteten Blick zu. Das würde Konsequenzen für mich haben."Wie war die Schicht?", fragte Paula an Phil gewandt, während wir in der Küche standen und zu dritt das Abendessen vorbereiteten.
Phil zuckte mit den Schultern und schmiss die kleingeschnittene Tomate in eine Schüssel. "Ganz okay eigentlich. Nicht viel los", sagte er. "Aber ich hatte mal wieder so einen Spezialisten als Patient dabei, der uns die ganze Zeit erzählen wollte, was wir besser machen sollen. Liebe ich, sowas."
Während Paula wissend grinste, warf ich einen Blick auf die Küchenuhr.
"Du, Phil, ich muss euch mal kurz unterbrechen. Es ist nach achtzehn Uhr. Könntest du Mailin dann nach Hause bringen?", fragte ich ihn.
Phil folgte meinem Blick. "Oh, so spät schon? Danke der Erinnerung. Nach dieser Tomate hier", versprach er und deutete auf sein Schneidebrett.----------
Einen schönen Morgen, Tag oder Abend noch, macht etwas daraus :)
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Scars || ASDS
FanfictionFür ihre Schwester da sein, wenn die Mutter nicht kann, und sich auch um diese kümmern, wenn sie es selbst nicht schafft, ist für die 24-jährige Talessa Alltag. Wie wichtig ein bester Freund in diesem Leben sein kann, weiß sie. Sie weiß auch, wie wi...