Ich sah aus dem Beifahrerfenster und nahm dennoch nichts von dem wahr, was da draußen an uns vorüberzog. Ches traurige Blicke aus wunderschönen blauen Augen hatten sich in mein Gehirn eingebrannt. Ich war doch volljährig! Wieso behandelten mich meine Eltern noch immer wie ein Kind? Wieso ließ ich es zu, dass sie das taten?
Ok. Es hatte brenzlige Situationen in unserer Vergangenheit gegeben, aber wir waren zäh! Das hatten wir doch immer bewiesen. Was hätte mir schon passieren können, mit Ben und jetzt auch noch mit Che an meiner Seite? Er hatte diesen Typen schneller als ich bis drei zählen konnte erledigt!
Ich seufzte aus tiefstem Herzen.
Mein Vater musterte mich mit seinen braungrün gesprenkelten Augen von der Seite. Bis vor kurzem hatte es keinen anderen Mann außer ihm gegeben, der meiner Idealvorstellung eines Märchenprinzen nahekam.
Das Auhof Center lag rechts von uns. Die Einser-Bundesstraße ging in die A1 über. Wir waren im Begriff, Wien hinter uns zu lassen. Vor uns lag der Wienerwald. Keine Umkehrmöglichkeit für die nächsten 140 Kilometer, außer, man fuhr von der Autobahn ab.
„Wie war das bei dir und Sonja? Wann wusstest du, dass sie deine Traumfrau ist?"
Sicher war es meinem Papa peinlich, meine Frage zu beantworten. Er klopfte nervös mit dem Zeigefinger gegen das Lenkrad. Sein Blick war starr auf den kaum vorhandenen Verkehr gerichtet.
„Es hat lange gedauert, mir einzugestehen, dass Sonja meine Traumfrau ist. Obwohl sich das jetzt blöd anhört, denn vom ersten Tag an habe ich ständig nur noch von ihr geträumt. Schon unser erster Kuss! Gänsehaut pur."
Er schluckte. Wurde nachdenklich.
„Sie hat mich umgehauen! Ich konnte mein Handy fast nicht mehr aus der Hand legen, nach dem ich ihr geschrieben hatte und sie um ein Wiedersehen gebeten hatte. Ich war nervös wie ein Schulbub. Aber da war auch sehr viel schlechtes Gewissen. Euch und eurer Mutter gegenüber."
„Aber weil du gewusst hast, sie ist die Richtige, hast du sie wiedergesehen?"
„Es war wie eine Sucht. Man weiß, dass es falsch ist, und trotzdem kommt man nicht davon los."
Ich hatte ihn noch nie so private Dinge gefragt, aber jetzt gerade brachte es mich auf andere Gedanken.
„Und bei ihr?"
Er lachte kurz. „Bei unserem ersten Date hätte ich es vor lauter Aufregung fast so was von verschissen! Innerlich haben meine Knie geschlottert. Nach außen habe ich Depp ihr einen Obermacho vorgespielt. Sie wäre fast vor mir davongelaufen."
Er lachte versonnen. „Natürlich hat sie mich durchschaut. Zum Glück! Wenn wir zusammen waren, haben wir den Rest der Welt komplett ausgeschaltet. Anders hätte es auch gar nicht funktioniert. Warum fragst Du?"
Blöde Frage! Er musste doch gesehen haben, wie Che und ich uns geküsst hatten? Ich rollte die Augen, obwohl er das gar nicht sehen konnte und atmete bedeutungsschwer.
„Ich mache nur Spaß, Mäuschen! Sieht doch ein Blinder, dass ihr zwei total verliebt seid! Du und dieser ...?"
„Che! Also, er heißt Oliver. Oliver Moser!" Ich sprach seinen richtigen Namen das erste Mal aus, seit wir zusammen waren. Wehmütige Sehnsucht überkam mich, während ich die wenigen Silben aussprach. „Ich glaube, du solltest dir den Namen merken, Papa."
Er fasste zu mir rüber und packte meine Hand. Drückte sie in einer Geste der Zuneigung. Ich fühlte mich für einen kurzen Moment glücklich. Bis mir wieder einfiel, dass er meinen Liebsten und mich gerade auseinandergerissen hatte. Es hatte begonnen zu regnen, die Tropfen trommelten gegen das Autodach.

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Lockdown-Liebe
RomanceChe hat seine Traumfrau gefunden. Jazy lebt sogar mit ihm in einer WG. Das einzige Problem bei der Sache, was kann er tun, damit sie ihn nicht für einen verklemmten Spinner hält? Als ob das nicht schwierig genug wäre, wird der nationale Lockdown ver...