Che - Allein zu Hause

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Die Türklinke wurde mir mitsamt dem Schlüsselbund, den ich soeben im Schloss versenkt hatte, aus der Hand gerissen. Doktor Kunze drückte meinen Oberarm. „Ich habe Ihnen eine Visitenkarte da gelassen, wenn etwas sein sollte."

Na toll! Jetzt waren also nur noch diese drei Schränke in meiner Wohnung.

Während ich die paar Meter von der Wohnungstür in die Küche zurücklegte, drang eine eindringliche Stimme aus Jazys Wohnzimmer. Der Freund von Jazys Mutter hockte vor dem Gangster, starrte ihm ins Gesicht und befahl ihm, seine Fragen zu beantworten. Ich dachte, ja sicher, so funktioniert eine Befragung beim Geheimdienst. Man starrt den anderen einfach nieder und der sagt daraufhin nichts als die reine Wahrheit.

Schon wollte ich mich abwenden und in mein Zimmer gehen. Dieser Kerl war schuld daran, dass mein Engel weg war.

Irgendetwas in der Stimme des verletzten Glatzkopfes ließ mich innehalten. Er verriet bereitwillig Namen und Aufenthaltsorte seiner Komplizen. Ben stellte ihm noch ein paar weitere Fragen zu Ereignissen der letzten Wochen. Auch diese beantwortete der Fremde, ohne zu zögern.

Das fand ich interessant. Hatte ihm der Doc ein Wahrheitsserum, sofern es so etwas im echten Leben überhaupt gab, gespritzt? Ich trat an die Wohnzimmertür. Das wollte ich mir aus der Nähe ansehen.

Sobald mein Kommen bemerkt wurde, knallte Ben mir die Tür vor der Nase zu. Ich durfte den Typ ausschalten, aber beim Verhör war ich unerwünscht! Wütend starrte ich die Tür an.

Ich ging zu meinem PC, ließ mich in den Schreibtischsessel fallen. Es würde alles nichts ändern. Jazy war weg! Ich starrte den schwarzen Bildschirm an. Es kostete einiges an Überwindung, mich zu bücken und den Computer einzuschalten. Ich funkte Toni an.

„Na? Hast du dich wieder einmal losreißen können?", begrüßte er mich. Saß der Kerl eigentlich den ganzen Tag vor dem Kasten?

„Hi! Machst du eigentlich nie eine PC-Pause?", konfrontierte ich meinen Freund mit meinem letzten Gedanken.

„Was geht mich die Raumzeit-Welt da draußen an?"

„Hm!" Ich imitierte so gut es ging ein elendes Lachen.

„Was ist los? Du klingst sonderbar. Ist was mit Dir und Jazy?" Er konnte nicht ahnen, was sich hier gerade abgespielt hatte. Dass ich einen Kampf auf Leben und Tod mit einem Verbrecher hinter mir hatte, also musste er es an meiner Miene erkannt haben.

„Sie ist weg. Ihr Vater war gerade da und hat sie abgeholt." Ich verschwieg wohl besser, was genau vorgefallen war.

„Scheiße! Diese Türken! Schickt er sie in die Heimat und verheiratet sie mit einem Cousin dritten Grades?"

„Ha. Nein, das war nicht der Grund. Der ist ganz okay." Was sollte ich ihm für eine Begründung liefern?

„Sollen wir eine Runde zocken?" Toni hatte meine verzweifelte Mimik offensichtlich so gedeutet, dass ich nicht darüber reden wollte. Das war mir recht.

„Klar. Mir wär nach einer Runde Destiny 2."

„Alles klar. Dir ist nach einem Gemetzel! Ich hoffe, du gibst mir deine Supersphären ab, sonst wird das ein kurzes Vergnügen."

Ich setzte meinen Kopfhörer auf. „Wir sehen uns auf Titan!"

Die nächste halbe Stunde verbrachte ich, mit einem starren Tunnelblick so viele Gegner wie möglich niedermetzelnd. Bis eine Faust neben meiner Tastatur einschlug und der ganze Schreibtisch wackelte.

Oliver AFK, informierte ich kurz meinen Freund, bevor ich mir genervt die Kopfhörer runter zog.

„Was?" Ich versuchte nicht mehr länger, meine Feindseligkeit zu verbergen.

Lockdown-LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt