Ich war nie jemand gewesen, der seinem Glück hinterherjagte. Eher das Gegenteil. Herausforderungen zogen mich magisch an. Besonders, wenn sie gefährlich waren. Vorbelastet durch meine Mutter, einer anerkannten Psychologin, und meinen Vater, der philosophische Reflexion griechischer Mythologien betrieb, würde ich es vielleicht eine anerzogene charakteristische Verhaltensstörung nennen. Freud hätte es wahrscheinlich als Neurose bezeichnet. Die Übergänge waren da fließend. Die Erfahrung hatte mich aber gelehrt, ein Wespennest zu erkennen, ohne erst darin herumstochern zu müssen. Und bei dieser Geschichte wurde die Angriffslust der ersten Wespe bereits dokumentiert. Diese Amina Begic war bereits gereizt worden. Reizbarkeit war bei Frauen nichts Ungewöhnliches. Aber war es klug, ausgerechnet meine Frau, der sicher einmal ein Denkmal für besondere Reizbarkeit gesetzt werden würde, auf eine so heikle Mission zu schicken?
In den letzten Tagen hatte ich Stunden damit zugebracht, diesen Fall zu recherchieren. Wahrscheinlich hätte ich es auch getan, wenn dieser Junge nicht gerade in Begriff gewesen wäre, ein potentieller Schwiegersohn zu werden. Ich mochte den Kerl. Schon lange. Lange bevor Jasmin angefangen hatte, sich für ihn zu interessieren. Damals, als ich den Mietvertrag mit ihm abgeschlossen hatte, war mir aufgefallen, dass er clever war. Eine eigene Meinung hatte und sich nicht über den Tisch ziehen ließ. Die alte Frau im Erdgeschoß kannte ihn sein ganzes Leben und wusste alles über ihn. Da ich ein guter Zuhörer war, traf das auch auf mich zu.
Obwohl ich gut darin war, alles was ich wissen wollte irgendwie herauszufinden, gab es Grenzen. Bei diesem Rechtsanwalt, dessen Visitenkarte mir Che aufs Handy geschickt hatte, war definitiv etwas faul. Das spürte ich im kleinen Finger. Ich wusste nur noch nicht, was es war.
Sein Netzwerk war überaus gut gesichert und Isak, mein bester Mann im Ausspionieren von Firmensoftware, war noch im Krankenstand. Sicher würde er abheben, wenn ich ihn anrief. Aber das hier war kein offizieller Auftrag. Das war eine Privatangelegenheit. Bestenfalls ein Fall für Interpol, aber nicht für die CSA.
Ich wählte die Nummer meines Verbindungsmannes bei der Wega. Natürlich war er nicht gerade begeistert, von mir zu hören. Meist bewegten wir uns außerhalb des legalen Rahmens, wenn wir uns gegenseitig Gefallen leisteten. Längst hatte ich mich an den grantigen Tonfall gewöhnt, der hier in Wien zum Kulturgut gehörte.
„Besteht eine Möglichkeit, jemanden als Reinigungskraft im AKH einzuschleusen?", fiel ich gleich mit der Tür ins Haus.
„Sie sind ein Spaßvogel!" Der Mann räusperte sich. „Meinen Sie das ernst?"
„Wir müssten dort eine Reinigungskraft beschatten. Also ja."
„Hm. Wahrscheinlich könnte man da gerade zwanzig Leute unterbringen, ohne dass jemand Verdacht schöpft." Der Mann klang nachdenklich. „Wenn Sie wen finden, der das zurzeit freiwillig macht?"
„Das habe ich schon alles gecheckt. Also: Wie sieht es aus?"
„Ja. Kein Problem. Ich melde mich, wenn ich einen Ansprechpartner für Sie habe. Wie heißt denn die Zielperson?"
„Amina Begic."
„Also gut. War's das?"
Ich überlegte kurz. „Gab es jemals Bedenken, oder Ermittlungen gegen einen gewissen Dr. Gerd Schumann? Er leitet eine Rechtsanwaltskanzlei im Zehnten. Sagt Ihnen der Name etwas?"
„Ich hör mich um."
„Danke." Ich beendete das Gespräch. Das war vergleichsweise leicht gegangen. Die Probleme würden früher auf mich zukommen, als mir lieb war. Ich hatte da so eine Ahnung.
Ich erhob mich und verließ mein Arbeitszimmer. Selma stand an ihrem Arbeitstisch und sortierte Schnittmuster. Sie drehte sich zu mir um und blickte mich fragend an. In ihren High Heels, dem Hosenanzug und der Satinbluse sah sie nicht gerade wie jemand aus, der seit Wochen im Lockdown lebte. Vielleicht trug sie etwas weniger Make-up als früher?
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Lockdown-Liebe
RomanceChe hat seine Traumfrau gefunden. Jazy lebt sogar mit ihm in einer WG. Das einzige Problem bei der Sache, was kann er tun, damit sie ihn nicht für einen verklemmten Spinner hält? Als ob das nicht schwierig genug wäre, wird der nationale Lockdown ver...