„Das Taxi ist da." Selma verließ ihren Aussichtsposten am Fenster, nahm Jacke und Handtasche, die sie auf dem Tisch bereitgelegt hatte, und ging in den Vorraum.
Während ich meine Glock 22 hinten in meinen Hosenbund steckte und den Pullover darüber zog, schärfte ich Jasmin noch einmal ein, das Handy im Auge zu behalten. Anschließend verließen wir die Wohnung.
„Ich wollte schon fast aufhören für heute. Nach sieben Uhr machen wir jetzt eh kein Geschäft mehr", plauderte der Fahrer mit starkem Akzent über die Trennscheibe aus Plastik hinweg. Die Botschaft war deutlich: Er zählte auf ein ordentliches Trinkgeld, wenn schon sonst der ganze Umsatz wegbrach.
Selma griff nach meiner Hand. Es war dunkel im Fond des Taxis und wir hatten unsere Masken auf. Ich konnte ihre Mimik nicht lesen, aber wenn sie von sich aus den Körperkontakt suchte, bedeutete es, dass sie nervös war.
Ihre Finger lagen kalt in meiner Hand. Ich drückte ermutigend zu. Vielleicht hätten wir uns doch ein Car-Sharing-Auto nehmen sollen? Es war unklar, wie der Abend weiter verlaufen würde. Ich zählte aber darauf, dass Pyotr wie versprochen kam. Dann hätten wir auch ein Fahrzeug, um gegebenenfalls die Villa dieses Anwalts zu beschatten.
Ich zahlte mit Kreditkarte. Der Fahrer dankte für das großzügige Trinkgeld und überreichte mir seine Visitenkarte. Selma stand schon am Hauseingang. Sie zeigte auf das Namensschild. Die Wohnung lag demnach im zweiten Stock. Ich nickte. Sie drückte den Knopf. Wenige Sekunden später hörten wir das Vibrieren des Türöffners. Immerhin hatte Selma ihren Besuch angekündigt. Ich hielt etwas Abstand. Selma sollte dieser Amina erst schonend beibringen, dass sie nicht alleine kam.
„Hallo!", sagte eine weibliche Stimme. „Du hast dich aber schick gemacht."
Selma trug wie üblich ihre High-Heels. Die Frau konnte nicht wissen, dass sie gar keine anderen Schuhe besaß.„Hallo Amina. Mein Freund hat mich hergefahren."
Ich trat einen Schritt näher, jetzt konnte ich die Frau sehen und sie mich. Sie sah mich überrascht an.
„Ben, das ist Amina. Amina, Ben", stellte sie uns vor. „Ich hoffe, wir überrumpeln dich nicht zu sehr, aber man bekommt kaum noch Taxis um diese Zeit. Ihre Entschuldigung klang für mich plausibel. Ich hatte allerdings noch die Worte unseres Taxifahrers im Ohr. Forschend versuchte ich im Gesicht von Amina zu lesen, was sie von der Erklärung hielt. Sie schien überrascht.
„Hallo, Ben. Du bist aber kein Türke, oder?" Sie klang neugierig. Offensichtlich war es ihr nicht unangenehm, mich zu sehen.
„Nein. Amerikaner. Freut mich, dich kennenzulernen. Ich kann auch im Wagen warten, falls ihr unter euch bleiben möchtet?"
„Ach, Blödsinn! Kommt rein!" Amina winkte uns in die modern eingerichtete, blitzblanke Wohnung. Sie zeigte uns die Garderobe und bestand darauf, dass wir unsere Schuhe anließen. „Ich habe heute noch nicht gesaugt. Sofia, meine Tochter, ist in ihrem Zimmer", fügte sie entschuldigend hinzu, weil aus einem der Räume Musik drang.
Wir folgten ihr in die Küche, die mit dem Esszimmer und Wohnzimmer eine Einheit bildete. „Soll ich einen Wein aufmachen?"
„Nur, wenn du einen trinken möchtest. Wegen uns brauchst du dir keine Umstände machen."
Amina zog aus einem kleinen Weinregal eine Flasche Rotwein. „Der wird sonst noch schlecht. Wer weiß, wann wir das nächste Mal Besuch bekommen."
Ich nahm ihr die Flasche aus der Hand und bot an, sie zu öffnen.
„Hat sich dein Mann schon gemeldet?" Selma fragte es beiläufig. Ich konnte aber einen angespannten Unterton wahrnehmen. Sie wollte möglichst schnell zur Sache kommen.
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Lockdown-Liebe
RomanceChe hat seine Traumfrau gefunden. Jazy lebt sogar mit ihm in einer WG. Das einzige Problem bei der Sache, was kann er tun, damit sie ihn nicht für einen verklemmten Spinner hält? Als ob das nicht schwierig genug wäre, wird der nationale Lockdown ver...