Ben - Der Schock

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„Ja. Okay."

Das Schlimme an diesen beiden Worten war, dass ich sofort den Trotz in ihnen erkannte, ihn aber nicht wahrhaben wollte.

Ich war zu abgelenkt. Von Schumann und Maurer fehlte nach wie vor jede Spur. Den ganzen Tag schon waren meine Nerven bis zum Zerreißen angespannt gewesen, von Stunde zu Stunde hatte die Anspannung zugenommen. Zuerst der Drohbrief. Dann das Verschwinden von Rolf Maurer. Mein Unbehagen deshalb. Amina und ihre Schwiegermutter in großer Sorge. Schließlich die Suche nach Jasmin und Oliver.

Zu sehen, dass Jasmin in Sicherheit war und sich auch der Junge gemeldet hatte und uns zumindest wissen ließ, wo er steckte, hatte mich glauben lassen, dass das Schlimmste hinter uns lag. Laut Jasmins Aussage war Gerd Schumann mit zur Jagdhütte gefahren. Sie hatte ihn zwar nicht gesehen, aber ihre Schilderung der Ankunft dort ließ eindeutig darauf schließen, dass er und noch ein weiterer Mann dort gewesen waren. Ob es Aminas Mann war, blieb ungewiss. Vermutlich eher nicht.

Der überwältigte Kidnapper saß inzwischen im Polizeiwagen. Ich hatte ihn eigenhändig dorthin geschafft. Pyotr versuchte mit einem Wink meine Aufmerksamkeit auf dessen dunklen Mercedes zu lenken.

„Was gibt's?" Ich ging zu Pyotr. Cem hatte seinen Wagen ebenfalls bis an die Hütte herangefahren und sich mit Jasmin im Arm auf seine Rückbank gesetzt. Die Türen waren geschlossen. Der Motor lief, sicherlich auch die Heizung. Jasmin war total unterkühlt gewesen. Ich ging an Cems Kombi vorbei. Selma saß bei ihnen und sah mir fragend nach.

Pyotr hatte eine der hinteren Türen der dunklen Limousine geöffnet und deutete hinein. „Schau dir das an!"

Ein dreckiger Spaten und eine Spitzhacke lagen zwischen Vorder- und Hintersitz. Obwohl es stockdunkel in der Jagdhütte gewesen war, waren mir die dreckverkrusteten Sportschuhe des verhafteten Kidnappers aufgefallen. Ich fasste probehalber nach einem Erdklumpen, der an dem Spaten heften geblieben war. „Fühlt sich frisch an. Was denkst Du?"

„Wir müssen Jazy fragen." Pyotr presste die Lippen zusammen.

Ich stimmte ihm grimmig nickend zu. Wir gingen zurück zu Cems Wagen und setzten uns auf die freien Vordersitze.

„Wie geht es dir, Kleines?" Ich forschte im dunklen Wagen nach Jasmins Reaktion.

„Ich wusste, du würdest mich finden", antwortete sie tapfer.

Ohne Amina wäre uns das nicht gelungen, doch weshalb sollte ich sie nachträglich beunruhigen? „Was genau ist passiert? Warum hat Oliver nicht gewusst, wo du warst?"

Sie erzählte stockend ihre Geschichte nochmals. „Ich war so dumm!", endete sie mit einem Selbstvorwurf.

„Du hast einen Fehler gemacht, aber zum Glück hattest du einen Schutzengel, der dir die Hand gehalten hat. Wenn sich jemand vorwerfen kann, einen Fehler gemacht zu haben, dann bin das ich. Es hätte überhaupt nicht soweit kommen dürfen. Den Maurer aus den Augen zu lassen - das war eine Riesendummheit. Du sagst, ihr hättet drei Mal angehalten, während du im Kofferraum eingesperrt warst?"

„Ja. Das erste Mal war auf einer dunklen Straße. Dort haben sie mich gefesselt und mich in den Plastiksack gesteckt. Ich dachte, ich ersticke." Selma reichte ihr ein frisches Taschentuch, weil Jazy bei der Schilderung wieder zu weinen begonnen hatte.

„Dann haben meine Entführer sich mit jemandem getroffen. Es muss in Wien gewesen sein. Weil wir sind nicht so lange gefahren. Wegen des Plastiksacks habe ich nicht mehr verstanden, was sie geredet haben. Das dritte Mal war kurz bevor wir hier ankamen. Es hat gerumpelt und wir sind ganz langsam gefahren. Ich wusste, wir mussten auf einer Schotterstraße sein. Ich dachte, die wollen mich umbringen und irgendwo im Wald verscharren." Jazy schluchzte und zitterte.

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