Ein Blick reichte aus, um zu sehen, dass Toni richtig sauer war.
„Alter, wir haben in zwei Wochen den Termin!", fuhr er mich an. Wir hatten bisher nur gechattet, doch jetzt schaltete er die Videocam zu.
Gerade hatte ich ihm geschrieben, dass er mich nicht nerven soll. Dabei wollte er lediglich, dass wir endlich unser Projekt zum Abschluss brachten.
Ich aktivierte ebenfalls meine Kamera. „Sorry", stieß ich geknickt hervor. Ich holte tief Luft. Auch wenn meine Gedanken verrückt spielten, durfte ich mich nicht dazu verleiten lassen, meine schlechte Laune an meinem besten, meinem einzigen Freund auszulassen. Meine Gereiztheit hatte noch immer mit dem Dämpfer zu tun, den Ben mir verpasst hatte, als er mich als grottenschlechten Hacker entlarvt hatte. Toni wusste noch immer nichts von all den Ereignissen rund um meine Eltern.
„Ich glaube, der Shutdown breitet sich schön langsam auf mein Gehirn aus."
„Ich habe es gleich gewusst. Kaum kommt eine Frau ins Spiel, wird's kompliziert."
Ich sah durch den Türspalt in die Küche. Jazy bereitete eine Mahlzeit zu und summte dabei fröhlich vor sich hin. Automatisch wanderten meine Mundwinkel in Richtung Ohren.
„Was grinst du so? Ich weiß, dass ich recht habe."
„Du weißt gar nichts, mein Freund. Jazy ist ein Engel. Sie hat unsichtbare Flügel, sag ich dir. Zumindest fühlt es sich an, als könnten wir gemeinsam abheben."
„Oje. Es ist ja noch schlimmer, als ich befürchtet habe. Du verlierst unsere Ziele völlig aus den Augen."
„Hör einmal! Ich bin heute schon zwei Stunden am Rechner gesessen und habe deine Liste durchgeackert", verteidigte ich mich. „Es geht gar nicht um unser Projekt. Ich habe vor ein paar Tagen Kontakt mit meinem Onkel in Malaysia aufgenommen. Heute wollte sich ein Cousin von mir über Skype melden, deshalb bin ich mit meinen Gedanken gerade nicht ganz bei der Sache."
„Warum das auf einmal?"
„Das war Jazys Idee. Sie hat im Keller ein Tagebuch von meiner Mum gefunden. Das hat mich einfach neugierig gemacht. Ich habe mich auch schon mit einer Freundin von meinem Dad getroffen. Zeit genug haben wir immerhin."
„Ja, schon. Aber kannst du damit nicht warten, bis wir unser Game eingereicht haben?"
Er hatte ja sowas von keine Ahnung! „Das ganze Herumstochern in der Vergangenheit geht mir ganz schön an die Nieren", gestand ich ihm. „Du weißt ja, dass ich bisher fast nichts über meine Eltern wusste. Und jetzt auf einmal bricht das alles über mich herein."
„Verstehe." Toni rückte seine Brille zurecht. „Du sagst mir ja auch nichts mehr. Woher sollte ich denn wissen, was dich zur Zeit beschäftigt?"
„Das willst du gar nicht alles wissen."
„Du wirkst müde. Ich dachte, deine Freundin laugt dich so aus."
„Das tut sie." Ich musste lachen.
„Jaja. Kann ich mir lebhaft vorstellen. Erspar mir bitte die Details. So. Ich mache dann einmal bei den Feinabstimmungen weiter. Lass mich nicht hängen!"
„Ich lass dich nicht hängen. Versprochen! Ich brauche das Geld. Ich glaube nicht, dass meine beiden Untermieter dieses Semester noch einmal auftauchen." Noch hatten Tom und Julian sich nicht gemeldet, aber so wie es aussah, blieb es an der Uni vorerst beim Distance Learning. „Ich sollte mich schön langsam nach einem Ferialjob umsehen."
„Habe ich auch schon getan. Ich schicke dir ein paar Ausschreibungen. Programmierer werden sowieso ständig gesucht, deswegen brauchst du dir sicher keine Gedanken machen."
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Lockdown-Liebe
RomanceChe hat seine Traumfrau gefunden. Jazy lebt sogar mit ihm in einer WG. Das einzige Problem bei der Sache, was kann er tun, damit sie ihn nicht für einen verklemmten Spinner hält? Als ob das nicht schwierig genug wäre, wird der nationale Lockdown ver...