Meine zweite Tasse Kaffee am Freitagmorgen schlürfte ich genüsslich am Frühstückstisch.
Der Geruch von Kaffee verbesserte direkt meine Laune. Ich mochte die Nacht lieber als den Tag. Der Morgen versetzte mich deshalb immer in eine wehmütige Stimmung, die Nacht verabschiedete sich viel zu schnell.Nur das laute: „Mi-rau", unterbrach meinen Trance-Zustand.
Nini schmiegte sich unter dem Tisch an meine Beine und begann zu schnurren. Nini war unsere fünfjährige Katze, die oft draußen unterwegs war. Häufig kam sie nur zum Essen und Schlafen nachhause. Da hatten wir gewissermaßen etwas gemeinsam.Tatsächlich mochte ich Nini lieber als die meisten anderen meiner Familienmitglieder. Deshalb schlich sich auch ein ehrliches Lächeln auf meine Lippen. Ich kraulte ihr weißes Fell und ihr kleiner Kopf kam meiner Hand entgegen.
„Rrrr", gab Nini von sich.
„Du bist heute aber zutraulich, willst du auch etwas zu Essen?", fragte ich Nini, obwohl ich natürlich keine Antwort erwartete.
Schnell stand ich auf und griff nach dem Trockenfutter, um ihren Napf aufzufüllen. Nini tänzelte mir dabei so um die Füße, dass ich beinah das Gleichgewicht verlor. Anscheinend hatte sie wirklich Hunger, denn sie stürzte sich auf die eklig riechenden Klumpen.
„Morgen Eli", überraschte mich Florians Stimme.
Mein Bruder setzte sich bereits fertig angezogen an den Frühstückstisch und nahm sich ein Brötchen. Ich brummte nur als Antwort und lehnte mich mit meiner Tasse gegen den Küchentresen.
„Habt ihr genug gegessen? Es wird ein langer Tag", erklang nun auch die Stimme meiner Ma. Sie war in Bluse und Bleistiftrock gekleidet und stellte die Aktentasche im Türrahmen ab.
„Ja, alles ok", antwortete mein Bruder. Ich musterte die beiden ausdruckslos.
„Ihr werdet mich im bevorstehenden Wahlkampf doch unterstützen, ja? Wir werden in den nächsten Wochen einige Veranstaltungen zu besuchen haben. Außerdem werdet ihr den Investor für die Fabrik in zwei Wochen treffen. Ich hoffe auf euer vorbildliches Benehmen", erinnerte sie uns. Dann schaute sie erst meinen Bruder und dann mich eindringlich an.
Ich schnaubte nur und sagte: „Klar, für die Politiker-Scheinwelt spielen wir doch gern die braven Jungs." Meine Mutter ignorierte die ätzende Ironie in meinen Worten und schenkte uns ein schnelles Lächeln.
„Sehr schön, dann sehen wir uns heute Abend", verabschiedete sie sich, während sie schon wieder auf ihr Handy starrte.
Dann schnappte sie sich ihre Aktentasche und ging mit eiligen Schritten zur Haustür. Ich nippte weiter an meinem Kaffee und probierte mich innerlich zu beruhigen. Ich hasste es, auf öffentliche Veranstaltungen wie ein dressierter Pudel mitgeschleppt zu werden. Florian zuckte hingegen nur mit den Schultern, er passte viel besser in diese Welt hinein.
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Federfrei
Teen FictionZwei verfeindete Jugendliche - ein gemeinsames Ziel: die Rettung ihres Heimatwaldes. Damit beginnt für die beiden Rivalen nicht nur ein Wettlauf gegen die Zeit, sondern auch gegen ihre immer schneller schlagenden Herzen... *** Monica Wilchow ist vie...