Kapitel 10

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Unser Sonntag hatte Tradition

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Unser Sonntag hatte Tradition. Damit meinte ich nicht, dass alle weit entfernten Familienmitglieder anreisten und wir mit selbstgebackenen Muffins unser Wochenende feierten. Oh nein, unsere Familie war viel spießiger.

Wir gingen in die Kirche.

Ich konnte noch nie etwas mit Gott oder Religion anfangen. Trotzdem schleiften mich meine Eltern jeden Sonntag in die Kirche unserer Kleinstadt. Der Priester kannte mich beim Vornamen. Diesen Sonntag war die Predigt besonders langweilig. Ich musste ständig aufpassen, nicht einzuschlafen.

Ich nahm an, dass meine Eltern uns jedes Wochenende nur in die Kirche brachten, damit sie ihre Popularität in der Gemeinschaft stärken konnten. Meine Eltern kalkulierten jeden Schritt und wägten immer ab, wie viel Nutzen sie aus einer Anstrengung erzielen konnten.

Auch heute war es nicht anders. Meine Ma begrüßte in ihrem klassischen blauen Kleid gerade Ursula, eine ihrer treuesten Wählerinnen. Mein Vater hatte sich hingegen zu den Männern in seinem Alter gesellt und plauderte ebenfalls drauf los. Die Messe wurde vor zehn Minuten beendet und ich saß noch mit Florian auf der Kirchenbank.

Mein linkes Bein war eingeschlafen und ich schüttelte es unbehaglich aus. Alles an diesem Ort war langweilig, wenn man nicht an Gott glaubte. Ich fragte mich, warum ich eigentlich hier war.

„Eli? Sag mal, wann weißt du eigentlich, dass du verliebt bist?", fragte mein Bruder aus heiterem Himmel.

Ich musste mich erstmal räuspern und drehte mich zu ihm um. Seine braunen Augen schauten fragend zu mir auf und ich runzelte meine Stirn.

„Wieso willst du das wissen? Denkst du, du bist verliebt?", hakte ich nach.

Dieser Moment fühlte sich komisch an. Ich redete nie mit Florian über diese Dinge. Allerdings war er jetzt in dem Alter...

„Oh nein, es ist nur so ein allgemeines Interesse von mir", erklärte er schulterzuckend. Ich musterte ihn skeptisch.

Woran erkannte man, dass man verliebt war? Wie erklärte man das seinem kleinen Bruder?

„Naja, du fühlst du zu jemanden hingezogen. Du lachst viel und fühlst dich bei der Person wohl. Du willst sie beschützen und viel Zeit mit ihr verbringen", probierte ich es zu umschreiben und für Florian verständlich zu machen.

„Also ist es so wie Freundschaft?", hakte er nach und zog seine Augenbrauen zusammen.

Ich griff mir an mein Ohrläppchen, weil ich nachdachte.

„Nicht so ganz. Da ist mehr, du fühlst dich auch körperlich zu der Person hingezogen, nicht so wie bei Freunden", stellte ich klar und blickte auf meine Turnschuhe.

„Okey", bestätigte Florian und schaute ebenfalls auf seine Füße. Ich vermutete, wir waren beide verlegen und wussten nicht, wie wir mit der Situation umgehen sollten.

FederfreiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt