Kapitel 28

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Heute

Sobald die Sekretärin meint, dass Lennard in keinem Telefonat ist gehe ich sofort in sein Büro. Inzwischen habe ich wieder genug Kontrolle über mich selbst um ihm nicht gleich die Tür einzutreten, aber akzeptieren kann ich all das nicht.
Als ich sein Zimmer betrete blickt er von irgendwelchen Papieren auf und hat nur noch gedämmtes Licht an. So schnell wird er mir nicht in den Feierabend gehen.
Mit erhöhten Brauen richtet er sich zu mir und ist sofort auf der Hut. Das sollte er auch lieber sein, denn nochmal werde ich ihn das nicht tun lassen.
„Dass du genug Zeit hast um hierherzukommen hätte ich nicht gedacht." sagt er während ich die Tür hinter mir schließe und faltet die Hände ineinander.
"Ja. Ich wünschte, ich hätte so viel Freizeit, wie du sie anscheinend hast." brumme ich, was ihn die Brauen zusammenziehen lässt.
Erwartungsvoll lehnt er sich auf den Tisch damit wir uns direkt ansehen können. Ich glaube, ich sollte anfangen auch bei meinem besten Freund jegliche Kleinigkeiten zu deuten. Ansonsten richtet er Schaden an und trifft mich aus dem nichts, wie jetzt.
„Was meinst du, Bram?"
„Jetzt tu nicht so." schüttle ich den Kopf mit feindseligem Blick. „Du weißt, warum ich hier bin und ich kann nicht glauben, dass das überhaupt sein muss."

Tief ausatmend lehnt er sich in seinem Stuhl zurück und deutet auf den gegenüber von ihm, was ich auch akzeptiere. Er wartet jedoch und scheint all das erklären zu wollen. Seinen Grund für diese Scheiße würde ich zu gerne wissen.
„Was hat sie dir erzählt?" fängt er an, als wäre das hier ein Gespräch mit meinem Psychiater, weshalb ich kotzen könnte. Eine Zeit, an die ich selten erinnert werde.
„Du Bastard." flüstere ich, „Du hast sie zu meinem Treffen mit Elena geführt. Wieso?"
Nach einem räuspern setzt er sich ordentlicher hin und sucht nach den richtigen Worten. „Weil ich weiß, dass das mit Elena nichts ist, was du brauchst. Nichts, was dir gut tut."
„Wieso denkst du, dass du das für mich entscheiden darfst?!"
„Weil es schon einmal so war." legt er die Hand auf den Tisch und durchdringt mich mit seinem Blick. „Damals, als ich dich kurz vor einer Hochzeit gerettet habe, warst du so erleichtert und hast mir gedankt." brummt er überzeugt, „Es war das richtige und ich werde es noch einmal tun, weil du mein einziger guter Freund bist."
„Aber diesmal ist das anders!" rutscht es mir aus, weshalb ich mich schnell sammle. Er hat nicht unrecht. All das tut er für mich. „Aber wieso ziehst du Willow verdammt nochmal mit rein?"
Für einen Moment ist er still und mit jeder weiteren Sekunde wächst mein Verlangen ihm eine reinzuhauen. Ich bin nicht blind. Ich weiß, dass er sie nicht vollends mag und wollte mir die Beziehung anfangs ausreden, aber ich dachte da sind wir darüberhinaus.

„Weil sie deine Freundin ist." kommt es plötzlich ruhig von ihm.
„Was? Was soll das für ein dummer Grund sein?"
„Das ist nicht dumm, Mann." sieht er mich mit gesenkten Lidern an. „Sie hat mir selbst erzählt, dass du sie gar nicht mehr ernst nimmst. Ich meinte, dass sie dir das ausreden kann, als deine Freundin, aber nicht mal dabei hatte sie Hoffnung. Du verlierst sie."

Mit großen Augen sehe ich ihn an und weiß, dass etwas dran ist, weil ich mich eben darüber mit ihr gestritten habe. Doch zur selben Zeit beschleicht mich die Ahnung, dass genau er ihr das alles hätte einreden können. Aber wissen kann ich das nicht.
„Du hättest zuerst mit mir reden sollen."

Wieder lehnt er sich zurück. „Das habe ich nicht, weil ich wusste du würdest nicht auf mich hören."
„Dann höre diesmal auf mich!" rufe ich wütend, „Mischt euch nicht dauernd in meine Angelegenheiten ein, als wäre ich 5! Mit deiner Scheißaktion hast du nicht nur Willow gegen mich, sondern sie auch noch in Gefahr gebracht! Was wenn mein Vater sie gesehen hat?"
„Hat er nicht. Darauf-„
„Er wird sie umbringen, Lennard. Herr Gott nochmal. Ich mache das alles nicht ohne Grund hinter ihrem Rücken. Sie ist scheiße zerbrechlich und wenn sie weiß, dass sie doch nicht aus dem Visier ist, sondern jetzt auch noch im Mittelpunkt, wird sie zusammenbrechen. Und das will ich nicht nochmal erleben."
„Er wird nicht erfahren, dass ihr noch zusammen seid. Jedenfalls nicht durch mein Handeln, Mann. Ich weiß, dass dir das wichtig ist."
„Und deswegen bringst du sie auch noch zum Flughafen?"
Angepisst wirft er sich in den Sessel und schüttelt den Kopf. „Sie hat mich verraten." flüstert er zu sich selbst.
„Natürlich! Weil sie mir die Wahrheit sagt."
Dazu schnaubt er nur abgehoben.
„Also erstens: Ich habe sie dahin gebracht, weil sie wegen dir mega verletzt war und weg wollte. Ansonsten hätte sie ein Taxi gerufen.-„
„Beim nächsten Mal fliegst du besser mit." zische ich, was mir einen bösen Blick fürs Unterbrechen gibt.
Deshalb fährt er mit Nachdruck fort. „Zweitens: Erzählt sie dir nicht immer die Wahrheit."
„Was soll das jetzt bedeuten?"

Dazu lächelt er schief.
„Ich verspreche dir hoch und heilig dich fertig zu machen, wenn du mir was verschweigst." lehne ich mich näher zu ihm. Mein Kopf droht zu explodieren, weil so viel passiert, wo ich versuche den Überblick als auch die Kontrolle zu behalten. Ich werde irgendwann an allem zusammenbrechen.
Seit ich Willow in mein Leben geführt habe ist so vieles dazugekommen. Mein einst unbeschwertes Leben wurde immer mehr zum Chaos.
Und wenn dann auch noch Lennard - welcher neben meiner Mutter der einzige in meinem Leben war, der irgendwie normal und standhaft in meinem Leben mitspielte - zu einem Problemauslöser wird, verliere ich jeglichen Halt in diesem Leben. Dann wird das Chaos in voller Montur losbrechen.

„Ich vertraue ihr immer noch nicht." meint er wieder gelassen, was mich innerlich stöhnen lässt. Es ist ein Thema bei dem ich gehofft hatte, er würde es endlich sein lassen.
Ich habe Willow inzwischen so umgepolt, dass sie nicht einmal auf den Gedanken kommen kann etwas ohne mich zu machen. Und Lennard weiß vollkommen Bescheid. Auch wenn sie letzte Zeit wirklich merkwürdig ist. „Und?" brumme ich.
„Als ich an meinem Geburtstag bei euch war, war sie Anfangs nicht da."
Stutzig krümme ich die Brauen, doch verstehe nicht, wo das hin soll.
„Aber dafür lag ihr Handy auf der Couch." Überrascht warte ich auf Weiteres, denn das kann nicht sein. Sie würde doch nicht ohne ihr Handy das Haus verlassen. Vor allem, wenn ich meinte, wir müssen extra auf der Hut sein. „Und ich hatte zufällig eine Nachricht darauf gesehen von einem Mädchen Namens Kelly."
„Wer zur Hölle ist Kelly." knurre ich.
„Oh warte warte." lächelt er mit gehobenem Zeigefinger. „Deswegen habe ich jemanden an eurem Gebäude postiert, sollte sie wieder losgehen. Und nein, der Typ wird keine Informationen an deinen Dad geben noch sonst was." spricht er schnell weiter, als ich schon den Mund geöffnet haben. Desto weniger Menschen von Willow Bescheid wissen, desto besser. „Und weißt du wo mich das hingeführt hat?" lehnt er grinsend zu mir.

„Spuck es endlich aus."
„In ein Café, wo unsere ehrliche Willow gearbeitet hat, während du auf Arbeit warst."
Genervt falle ich in meinen Sitz. „Du bist ein Idiot."
Meine Reaktion nicht erwartend verschwindet das Grinsen und er sieht mich stutzig an.
„Du wusstest es schon?"
Darauf schnaube ich amüsiert. „Nein. Das heißt, dass du viel zu weit gehst um uns zu trennen. Es wird langsam lächerlich."
Ersichtlich irritiert bäumt er sich auf. „Du vertraust ihr über deinem besten Freund? Ihr über jemanden, der dir geholfen hat einen Mord zu vertuschen? Das meinst du wohl nicht ernst."
„Du erzählst mir nun mal Dinge, die ich nicht einfach so glauben kann, Lennard." versuche ich es ihm beizubringen.
„Dir beweisen also." presst er den Kiefer zusammen. „Ich weiß zwar nicht, seit wann das nötig ist, aber ich weiß wie verblendet du sein kannst, wenn es um sie geht."

Sofort holt er sein Handy heraus und sucht darin rum, während ich ein mulmiges Gefühl bekomme. Lennard würde niemals so viel Aufruhr machen, wenn es nicht ernst wäre.
Aber wenn das tatsächlich stimmt und sie einfach so hinter meinem Rücken eine Arbeit hatte und auch noch ohne Handy rausgegangen ist, wäre ich so hintergangen worden, wie schon lange nicht mehr.

Kurz darauf streckt er mir sein Display entgegen und ich sehe durch ein Schaufenster zu einem Tresen bevor ich sie erkenne und mein Körper in die Finsternis verfällt.

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