Kapitel 59

406 14 5
                                    

Für einen kurzen Moment ist es still, sobald die Autotür zuknallt und ich schließe die Augen, während sich ein nerviges Piepen in meinen Ohren ausbreitet.
Doch sobald Bram auf der Rückbank neben mir raschelt, verfliegt die Ruhe und ich rutsche näher an ihn heran.
Lennard sitzt derweil auf dem Beifahrersitz und hält sich scharf atmend die Seite. Ich weiß nicht mehr, wo ich anfangen oder was ich sagen soll. Also lege ich meine Hände einfach auf Brams Schenkel und wende mich Lennard zu, während sich Rufus an den Lenker setzt. Ich kann nicht behaupten, dass ich mich jetzt sicherer fühle. Solange er hier ist werde ich nicht sagen können, dass es endlich vorbei ist. "Wie geht es dir, Lennard?" krächze ich und starre auf den blonden Schopf.
"Wird schon." brummt er angestrengt. "Ich wurde nur ungünstig getroffen."
Benommen nicke ich und habe ein Gefühl der Schwerelosigkeit, sobald der Wagen losrollt und uns mit einem starken Schwung von dieser Hölle wegfährt.
"Ich hoffe nur, dass später keine Blutflecken in meinem Auto sind." knurrt er angepisst hinterher. "Bram, wie geht es dir?"
Sofort richtet sich mein Blick wieder auf diesen, doch er sitzt mit geschlossenen Augen da und ringt mit seinem schwankenden Kopf. "Ich bezweifle, dass er bei uns ist." murmle ich bedrückt. Seine Augen öffnen sich, doch die Lider liegen so tief, dass ich kaum das warme Braun erkenne, welches normalerweise sofort heraussticht. Sein Kopf neigt sich immer wieder nach vorne, als würde er nur unter Schlafmangel leiden.
"Bram." bellt Lennard trotzdem und sieht in den Rückspiegel nach hinten.
Kurz knurrt Bram auf. "Gut. Ich muss... runterkommen." antwortet dieser doch zu meiner Überraschung.
"Die Wirkung könnte noch mehr als eine Stunde anhalten." murmelt Rufus vorne.

Ausatmend fluche ich aus und nehme die Hände wieder weg, um sie auf meinen eigenen Schoß zu legen. Ich muss unbedingt mit ihm reden. Jetzt, wo er neben mir ist, muss ich wissen, wo wir stehen. Der Drang nach Klarheit schmerzt schon in meiner Brust.
Unter dem Rütteln, welches der unebene Weg verursacht, spüre ich etwas an meinem Schenkel und erkenne Brams Fingerspitzen, als ich hinsehe.
Überrascht sehe ich in sein Gesicht, welches sich jedoch kaum verändert hat. Es ist nur angestrengter geworden.
Langsam mit Bedacht versucht er seine Hand nun auf meinen Oberschenkel zu legen, während ich mich nicht bewegen kann. Ich beobachte nur seine Finger und lege meine erst dann auf seine, als er es endlich geschafft hat.
Und obwohl ich ein kurzes Drücken erwarte, bleibt es aus. Es ist natürlich verständlich, immerhin steht er unter dem Einfluss von Drogen und besitzt kaum irgendwelche Kraft, aber ein wenig enttäuscht bin ich dennoch und desto länger ich darauf warte, desto unruhiger werde ich. „Ich liebe dich." krächzt er dann plötzlich und mein Kopf schnellt zu ihm hoch.
Der verzerrte Ausdruck zeigt seine Mühen, was mein Herz einmal gewaltig aufschlagen lässt. Normalerweise würde ich sofort erwidern und das will ich auch, aber es ist, als wäre ich in einer Blockade. Es fehlt etwas, bevor ich weitermachen kann und das ist die Gewissheit.
Desto länger ich nichts sage, desto mehr verändert sich sein Ausdruck. Ich will ihn fragen, aber ich kann kein Wort sagen.
"Hier." höre ich es von Rufus und bin erleichtert für die Ablenkung. Als ich zu ihm sehe, hält er mir eine Wasserflasche entgegen, die ich unsicher annehme. "Damit vergeht die Wirkung vielleicht schneller. Aber pass auf, dass er nicht alles wieder ausspuckt oder sich verschluckt."

Bedrückt öffne ich die Flasche und lege sie an Brams Lippen, doch er scheint sie stur zusammenzupressen. Ein Teil von mir - der genug Zeit mit diesem Sturkopf verbracht hatte - weiß schon ganz genau, dass es wegen der Worte ist, die ich nicht ausgesprochen habe. Also bleibe ich ebenso hartnäckig und meine, dass er alles versuchen muss, um wieder die Kontrolle über seinen Körper zu erlangen. Erst dann gibt er nach.
Bei der folgenden Stille merke ich, wie mein Kopf wieder weiter umherschwankt und schließe für den Moment die Augen.
Wir haben schon schlimmeres hinter uns.

Erst bei dem Ächzen von Lennard kehre ich zurück aus der Watte in meinem Kopf und sehe ihn besorgt an, während ich die Flasche wieder schließe und sie wie einen Anti-Stress-Gegenstand nutze, indem ich sie in meinem Schoß hin und her schubse und drücke.
"Wie lange brauchen wir noch zu deinem Arzt?" ächzt Lennard.
"Ungefähr 30 Minuten, wenn ich nicht auf den Straßenverkehr achte. Ich hoffe, ein paar Strafzettel machen dir nichts aus." meint Rufus.
Ich höre Lennards folgendes Knurren, doch nicht mehr seine Antwort, da ich vollkommen der Starre verfalle. Wir fahren erst zu einem Fremden?

Won't lose youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt