Kapitel 21

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Mit grauenhaftem Gefühl wage ich es nicht einmal die Augen zu öffnen, als ich mich aus den Armen von Bram drehe. Aber mit der Realität muss ich Wohl oder Übel konfrontiert werden.

Sobald Licht in meine Pupillen eindringt, krümme ich mich unwohl zusammen. Alles ist verschwommen und ich spüre, wie ich am liebsten erbrechen würde.
"Sieht aus als hätte ich gestern zu sehr gegen deinen Nacken gedrückt." brummt es hinter mir. Ich will mich nicht einmal zurückdrehen, weshalb ich einfach nur schlaff an meinen Nacken fasse und eine dünne trockene Linie spüre. "Jetzt ist dort eine rote Linie."
„Was?" frage ich alarmiert, doch bereue es sofort, als mir das einen schmerzhaften Stich durch die Rübe schießen lässt.
Dennoch spüre ich die streichelnden Hände und den Kuss an der Wunde. „Es tut mir Leid, Baby."

Fuck. Das kann ich doch unmöglich mit einem Shirt kaschieren!
"Dafür mache ich uns Frühstück." bekomme ich einen Kuss auf die Wange, "Spiegelei mit Avocado und gesalzenem Brot?"



Ich hatte vergessen, wie sehr ich Alkohol hasste. Oder eher gesagt dessen Wirkung am nächsten Tag.
Total erledigt lehne ich an der Kücheninsel und halte mir die Stirn während ich das Glas Wein genieße.
Es ist helllichter Tag und ich habe nichts besseres zu tun, als klassische Musik durch die Wohnung spielen zu lassen und meinen Kater aus zu kontern.
Genau da ertönt das leise Piepen der Eingangstür und Bram kehrt mit einer Tüte von Guess zurück.
Zwar musste er zu einem spontanen Meeting, aber in der kurzen Zeit zur Arbeit gehen konnte ich dennoch nicht.
Also konnte ich nichts anderes tun als mich krank zu melden.
„Hey, Schatz." kam er darauf zu mir und küsste mich von hinten auf die Wange. „Wie läuft das auskatern?"
„Mies. Wie war dein Meeting?"
"Sehr gut. Mein Klient hatte mir auch Kleinigkeiten zum Vertragsabschluss geschenkt." hebt er die Tüte an, wozu ich nur träge nicken kann.
Alles ist doch beschissen.

Nachdem er die Tüte im Schlafzimmer abgestellt hatte kommt er wieder zu mir und umarmt mich von hinten. "Wie geht es dir inzwischen wegen der Sachen gestern?" fragt er vorsichtig und legt seinen Kopf auf meinem ab.
Ich kann nicht anders, als das Gesicht zu verziehen und zu lügen. "Besser."
Ich spüre, wie er stutzt. "Sicher? Immerhin hast du ganz schön reagiert."
Etwas in meinem inneren rät mir, nicht die Wahrheit zu sagen. "Ja, das habe ich.. Aber ich hatte genauso Zeit zum überlegen. Unsere Freundschaft ist nicht mehr vorhanden und wertlos. Das hatte ich aber vor einiger Zeit gemerkt." Damit lege ich die Hand auf seine und starre benommen auf mein Glas. "Du bist die einzige Person, die ich noch habe und brauche."

Als wäre er vollends glücklich gibt er mir einen langen Kuss auf den Hals.
Wie konnte alles nur so tief sinken?





"Also dafür, dass du so selten hier bist leistest du dennoch gute Arbeit." meint Kelly aus der Puste und schrubbt das letzte Glas vom letzten Frühstücksansturm.
Zufrieden lächle ich sie an. "Das kommt davon, dass ich Spaß dabei habe."
"Schade, dass der nicht so doll ist, dass du bis zum Schluss bleibst. Zum Feierabend wird der Laden echt frustrierend, wenn man alleine ist."
Mit schlechtem Gewissen sehe ich sie traurig an, während sie alles in die Regale stellt. "Daran liegt das ehrlich nicht. Es ist nur schwierig, das mit meinem Freund zu erklären. Er darf einfach nicht wissen, dass ich hier arbeite." meine ich leise und langsam. "Es tut mir wirklich Leid, Kelly. Ich würde ansonsten gerne bis zum Schluss bleiben."
"Ach, alles gut. Ich verstehe es nicht, aber es ist dein Leben." entgegnet sie schulterzuckend. "Und was ist, wenn du mit Freunden unterwegs bist?"
Erstarrend weiß ich nicht, welche Lüge ich ihr auftischen soll. Eigentlich will ich sie gar nicht anlügen. Ihre Natur beeinträchtigt mich so sehr, dass ich mir einfach kaum Gedanken bei ihr mache. "Das würde wahrscheinlich nur gehen, wenn er der Person genug vertraut. Aber weil wir bisher nicht wirklich in einer solchen Lage waren," kommt es mir bitter über die Zunge, "kann ich dir das nicht genau beantworten."

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