Kapitel 34

488 16 4
                                    

Angespannt sehe ich mir das Namensschild mehrfach an, um sicherzugehen, dass ich auch wirklich richtig bin. Jegliche meiner Muskeln schmerzen und ich hoffe, bald Ruhe zu finden.
Fest klopfend gehe ich mir noch einmal durch die Haare, bevor sich die Tür öffnet und Kelly in Stoffshorts und Tanktop in mein Gesicht blickt. Wissend, dass ich schrecklich aussehe, lasse ich die Sonnenbrille auf und kralle mich an meine Handtasche.
„Hey, du-..." spricht sie ersichtlich erschrocken von meinem Aussehen. „Du siehst gar nicht gut aus. Ist etwas passiert?"
Mit einem Mal überkommt mich die Erschöpfung und ich fange an zu weinen. „I-Ich brauche deine Hilfe."
Ihre entspannte Laune verfliegt sofort, als sie ihre Arme nach mir ausstreckt und mich in die Wohnung führt.
„Natürlich. Wie kann ich dir helfen? Was ist passiert?"
Ersichtlich beschämt hefte ich den Blick an den Boden und lasse mich in der kleinen Wohnung auf das weiße Sofa setzen. Durch den langen Flug habe ich an so viele Dinge gedacht und bin an so viele neue Erkenntnisse gestoßen, dass ich schlichtweg nicht mehr weiß, wie ich weiterleben soll.
Wie konnte er mich so manipulieren? War das alles überhaupt Liebe?
„Willow," werde ich gezwungen hochzusehen, als sie mir an die Schultern fasst und sich so nah wie nur möglich neben mich setzt. „was ist passiert?"

Ich öffne den Mund doch kann mir im Kopf nichts sinnvolles zusammenreimen. „Mein Freund- wir-„ stockend zwinge ich mich mich zu beruhigen. Tief durchatmend schließe ich die Augen und setze die Brille ab. Was soll ich erzählen? Von seinem Vater? Das wäre doch zu gefährlich. Fuck. Wieder schluchzend gehe ich mir durchs Gesicht.
„Was? Was ist mit deinem Freund? Hat er dir etwas angetan, weil sein Freund im Café war? Du bist einfach verschwunden!"
„Nein, er- Das ist alles zu kompliziert!" verzweifelt sehe ich mich in der Wohnung um. Wohnzimmer und Küche sind in einem Raum gequetscht worden. Alles ist weitaus kleiner, als ich es gewohnt bin. Selbst kleiner als die Wohnung meines Bruders in der Schule.
Verdammt, mein Bruder! Unsere letzte Unterhaltung darüber wie dankbar er Bram gegenüber ist macht mir alles schwerer.
Als ich sie neben mir seufzen höre, sage ich einfach: „Wir waren in Italien bis etwas passiert ist und ich bin geflüchtet. Ich habe mich von ihm getrennt."
„Warte. Was? Wieso geflüchtet? Und du willst nicht erzählen, was passiert ist?" Als ich in ihre Augen sehe erkenne ich viele Dinge in deren blau. Besorgnis, Verwirrung und, was mich am meisten trifft, ein Hauch des genervt seins. Schwach schüttle ich den Kopf, was sie tief durchatmen lässt.

„Bist du gleich nachdem du gelandet bist hergekommen? Denn es ist früher Vormittag und du siehst nämlich danach aus und nach mehr.."
Den Kopf etwas müde senkend spiele ich am Saum meines Strandmantels. „Nein. Ich bin vor einigen Stunden gelandet und musste noch was erledigen."
Ich war extra per Anhalter in eine nächstgelegene Stadt gefahren, um nicht nach New York zurückverfolgt zu werden, und habe tausende von Euro aus meiner Blackcard abgehoben. Am Ende war es vielleicht unnötig und zu gefährlich, aber ich muss ab jetzt vorsichtig sein.
„Was hast du da?" plötzlich schiebt sie meinen Strandmantel zur Seite und atmet erschrocken ein. „Scheiße, ist das Blut?!"

Schnell entziehe ich ihr den Stoff und verberge alles so gut es geht, während ich mich frage, ob es eine gute Idee war hierherzukommen. Aber wo hätte ich sonst hingehen sollen? Die Hotels in New York werden bestimmt die ersten Orte sein in denen nach mir gesucht wird. Ganz zu schweigen, dass es gefährlich werden könnte, wenn sie mein Konto ausfindig machen und überprüfen können.
„Willow, alles was ich von dir bekomme sind merkwürdige Vibes. Kannst du mich endlich mal aufklären? Soll ich die Polizei rufen?"
„E-Es ist..! Wir brauchen nicht die Polizei rufen! Das Blut ist nicht von mir."
Entsinnt sieht sie mich an. „Willow, das ist nicht besser."

Ich werde immer verzweifelter. Meine Kräfte sind jetzt schon an ihren Grenzen, da kann ich ihr nicht alles erklären. Vor allem will ich sie nicht reinziehen, wie ich es unbewusst mit Maddy getan habe. Scheiße, jetzt fühle ich mich noch beschissener. „Ich kann dir nicht alles erzählen. Mein Freund stellt sich nur als eine sehr schlechte Person dar. Er-.. Er hat mich manipuliert." bricht meine Stimme ab. Es laut auszusprechen macht es nur noch realer. Hatte Maddy damals Recht?
Gott, ich glaube bald durchzudrehen. An meinen Kopf fassend erkläre ich ihr, warum ich damals in ihrem Café angefangen habe mit der Auslassung von Mr. Chester. Dass dieses Café eher ein Ausweg von seinen Einsparungen war.

Won't lose youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt