Kapitel 61

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Willow pov

Als hätte ich die ganze Zeit über die Luft angehalten hole ich heftig Luft, sobald ich aus dem Hochhaus bin und stütze mich an den Knien ab. Mir ist schwindelig und die Übelkeit bleibt hartnäckig in meinem Rachen stecken, aber ich kann jetzt nicht einfach zusammenbrechen.
Diese Situation wird mir zu viel. Ich drifte gedanklich weiter und weiter ab ohne wirklich zu wissen wohin. Wann hört das alles endlich auf?
Ich schließe die Augen und atme tief ein und aus bevor ich mich aufrichte und die Augen öffne. Der trockene Wind weht mir durch die Haare und vor mir erstreckt sich immer noch die apokalyptisch wirkende Gegend in der keine Menschenseele zu sehen ist.
Lennards weißer SUV fällt in diesem trostlosen Ort sofort auf und lässt meinen Blick daran verharren. Bei dem Wissen, dass Bram sich darin aufhält verspüre ich ein ziehendes Gefühl in meiner Brust. Ich kämpfe einen Moment gehen die Sehnsucht an, doch sobald ich Tränen in meinen Augen aufkommen spüre gebe ich dem nach und trotte kaputt auf den Wagen zu.
Doch als ich die Hintertür öffne erstarre ich bei dem Anblick des leeren Sitzes.

Schleichend aber schnell baut sich die drückende Sorge in meinem Kopf auf und ich merke erst, dass ich lange Zeit davor stehe, als meine Lungen wieder nach Luft ächzen.
Nun schneller atmend knalle ich die Autotür zu und wirble herum in der Hoffnung, ihn nur wenige Meter weiter zu entdecken, doch Nichts.
Viele Gedanken kommen mir in den Sinn, was mit ihm geschehen sein könnte, dass ich sie nicht einmal richtig erfassen kann. Überfordert schließe ich die Augen und halte mir den Kopf in der Hoffnung so klarer denken zu können. Ich drehe noch durch. Dieser Tag ist mit keinem anderen zu vergleichen. Es ist wohl der schlimmste, den ich je hatte. Und bedenkend, was ich in meinem Leben schon alles erlebt habe, erschreckt mich diese Feststellung selbst.

Ohne es wirklich zu beabsichtigten gehe ich los und schaue um die Gegend. Dabei versuche ich wirklich nicht der Panik zu verfallen, aber meine Nerven stellen sich allmählich stur.
Erst, als ich an einen Erdweg komme, der sich durch einen trostlosen Garten oder eher gesagt Park schlängelt, entdecke ich weiter hinten eine Person auf der Bank sitzen und identifizieren sie als Bram. Abrupt bleibe ich erleichtert stehen und atme tief durch während die Panik sofort aus meinem Körper fließt. Zum Glück.
Weitaus entspannter gehe ich den Weg entlang und bleibe vorsichtig vor ihm stehen.
Er hat sich mit den Unterarmen an seinen Knien abgestützt und dreht gedankenverloren eine Schachtel zwischen seinen Fingern. Er öffnet erst die Augen, als er merkt, dass ich nicht weitergehe. Nur minimal hebt er den Kopf, sodass ich nicht lange in seine Augen sehen kann, aber genug, um zu erkennen, dass er immer noch unter der Wirkung des Beruhigungsmittels steht. Er hätte mich auch schon aus der Ferne bemerkt wäre das Mittel nicht, das weiß ich genau.

Als ich merke, wie verletzt er aussieht setze ich mich langsam neben ihn und habe nicht viel Zeit um zu reagieren, als er sofort die Arme um mich legt und meinen Kopf fest in seine Halsgrube drückt.
Überrascht brauche ich einen Moment bis ich vorsichtig auch die Arme um ihn lege und meine Finger auf seinem Rücken spreize. Dabei verspüre ich ein leichtes Zittern seinerseits und weiß durch den Schock nicht, was ich sagen soll. Ich hätte jetzt einige Reaktionen von ihm erwartet, aber diese nicht.
Unaufhaltsam bilden sich Tränen in meinen Augen und ich spüre, wie ich durch ihn auf den Boden der Tatsachen zurückgebracht werde.
„Es tut mir so verdammt leid, Willow." krächzt er heiser gegen meinen Hals und löst somit die Tränen von meinen Augen. „Ich hätte dich niemals in diesen Scheiß einwickeln sollen. Ich hätte-„ er schluckt angestrengt und fährt raunend fort, „Du musstest so viel durchmachen. Das sehe ich jetzt ein. Alles."

Mein Kinn kräuselt sich und seine Worte verschlagen mir die Sprache. Ein großer Teil von mir will nach all den Jahren tief durchatmen, aber ich ermahne mich, dem nicht zu schnell Glauben zu schenken. Es wäre nicht das erste Mal, dass ich glauben würde, er hätte es endlich begriffen, nur um im Nachhinein umso härter zurückgeschlagen zu werden.
„Jetzt, wo ich endlich anfange wieder klar zu denken, bringt mich die Erkenntnis dich so behandelt zu haben noch mehr um als in dieser Zelle. I-Ich dachte, ich helfe dir. Ich dachte, dass es dir dadurch am Ende besser gehen wird. Ich wollte wirklich nur das Beste für dich, Willow."
Inzwischen kann ich nicht mehr sagen, wer von uns zittert, da ich luftanhaltend versuche nicht laut zu schluchzen, während die Tränen stumm über meine Wangen fließen.
Er redet mit einer solchen Ehrlichkeit in der Stimme, dass ich nichts gegen die Wärme in meiner Brust tun kann. Ich glaube ihm. Aber das entstandene Misstrauen lässt nicht locker.

Won't lose youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt