Kapitel 52

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In dem schwarzen Tank Top von Clara und in meinen Jeans steige ich mit wackeligen Beinen in meine Vans. Ich bin ein Nervenbündel durch all die Vorstellungen, was jetzt passieren könnte, und bin immer noch verwirrt von Lennards Verhalten.
Frustriert von all den Emotionen atme ich aus und gehe für einen Moment in die Hocke. Ich bin echt fertig. Und dabei musste ich mich nur gegenüber Lennard behaupten. Was passiert, wenn ich mich gegenüber Bram oder gar seinem Vater behaupten muss?
Ein versteckter Teil in mir hofft tatsächlich, dass ich wenigsten Mr Chester nicht gegenübertreten muss. Dass wir es schaffen, die Sache anders zu lösen. Aber die Verbitterung in mir mahnt mich vor solchen Hoffnungen.
Ein leichtes Zittern verfolgt meinen Körper und ich lasse die Hände auf den Boden plumpsen. Jetzt, wo es wohl soweit ist, gehen mir mehr Gedanken denn je durch den Kopf.
Was hat Lennard jetzt vor?
Woher weiß er sowieso, wo Bram ist?
Wie werde ich Bram vortreffen?
Wie beschissen sehe ich aus, nun, da ich gar keine Nerven für Make-Up oder sonstige Extras habe?
Werde ich überhaupt heil aus der Sache kommen oder waren das meine letzten selbstbewussten Stunden in meinem Leben?
Vielleicht gehe ich gerade meinem Ende entgegen.

Mit blankem Gesicht starre ich auf den Teppichboden und schere mich nicht um meine zerzausten Haare. Ich will das einfach hinter mich bringen. Meine großen Augen bleiben an dem Tattoo zwischen meinen Fingern hängen. Es ist ungewohnt, jetzt dort etwas zu sehen. Als wäre es nur Dreck, den ich abschrubben muss. Minimal bewege ich die Hand, um das H anzusehen, welches mich tief durchatmen lässt.
Ich schaffe das.
Steif gehe ich mir durch die Haare. Irgendwann muss es getan werden. Immerhin hat es mich genervt, dass Bram die Jahre immer seinem Vater ausgewichen ist, dass wir immer weggerannt sind, also muss ich wohl den ersten Schritt tun. Auch wenn er vorgeschlagen hat, ihn einfach aus dem Weg zu räumen. Aber das ist doch keine Lösung, oder?

Das Rufen von Lennards Stimme reißt mich aus meinen Gedanken. "Wir können!". Etwas neben der Spur beiße ich mir auf die Lippen und atme tief durch, bevor ich mich mit knackenden Knie aufrichte und für einen kurzen Moment gegen den Schwindel ankämpfe. Ich sollte Unterwegs noch essen, auch wenn mir der bloße Gedanke daran unmöglich erscheint.

Ich greife nach meiner Tasche und trete aus dem Zimmer direkt den Flur hinunter. Mit angespannten Schultern wartet Lennard an den schon offenen Fahrstuhltüren und wirkt wieder restlos. Das hilft mir nicht unbedingt dabei wieder ruhig zu werden.
Mit dem Rücken zu mir, krempelt er die Ärmel seines weißen Hemdes hoch und erinnert mich nun mehr an sein voriges Verhalten. Es verursacht, dass mein Magen sich wieder unangenehm rührt und ich einen Teil meiner bisherigen Motivation verliere. Dabei dachte ich schon, ich habe Lennard ein wenig durchschaut. Das ich ... ihn kennen würde. "Ich bin soweit." meine ich missmutig, als ich vor ihm stehen bleibe, was ihn überrascht umdrehen lässt. Sofort wird sein Blick distanzierter und ich wage schon zu behaupten, dass ich nur noch Kälte aus seinem großen Körper strahlen spüre.
"Gut." brummt er nur und steigt in den Fahrstuhl.
Leise seufzend folge ich ihm hinein und wir sagen kein Wort, bis wir im Auto sitzen und ich es nicht mehr aushalte. "Was genau machen wir jetzt?" Die Verzweiflung klingt leider deutlich in meiner Stimme mit, doch ich ignoriere es und starre ihn erwartungsvoll an.
Mit arbeitenden Kiefer stellt er den Knüppel um und fährt Richtung Ausfahrt. "Wir fahren dahin, wo Bram ist und holen ihn da irgendwie raus."
Stutzig krümme ich die Augenbrauen. "Das wars? Du weißt nicht, wie wir ihn da rausholen, aber willst trotzdem dort rein? Was ist mit Mr Chester? Was ist mit seinen Bodyguards? Sie haben Bram letztens angeschossen!" werfe ich vor und glaube, bald den Verstand zu verlieren, wenn in meinem Leben alles so ungeahnt und verworren weitergeht. "Und wenn er schon auf seinen eigenen Sohn schießen lässt, dann sorry, aber ich glaube nicht, dass wir dann mit Tee und Kuchen empfangen werden."
"Du ganz bestimmt nicht." brummt er leise und scheint eine große Aggression zu verstecken.
"Was?"
Doch er starrt stur nach vorne und tut so, als würde es mich nicht geben. Was zur Hölle ist mit ihm los?



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