Kapitel 47

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Willow pov.

Mit Vans, engen Jeans und einem luftigen Croptop steige ich aus der U-Bahn und merke, wie mein Herz immer heftiger schlägt.
Kelly wollte doch noch in die Uni, aber nur wegen des ersten Faches, welcher wohl dringend nötig für ihre letzte Prüfung ist.
Sie versprach pünktlich auf krank zu tun, damit ich sie abholen kann.
Eine Idee, die ich ihr nicht verweigern konnte, die mich aber dennoch in den Schwitzkasten bringt. Ich war schon lange nicht mehr an der Eckerfield und das absichtlich.
Irgendwie hatte mich die alleinige Erinnerung daran in Panik versetzt, ohne, dass ich es erklären konnte. Aber jetzt verstehe ich den Grund.

Mit geradem Rücken und erhöhtem Kinn laufe ich die Straße direkt zum Haupteingang entlang und hoffe, ich sehe nicht kindisch aus mit dem kräftigen Griff um meine kleine Handtasche. Diese Situation spielt mit meinen Nerven, aber ich habe geschworen, dass ich mich nicht mehr unterkriegen lassen will. Es ist nur ein alter Ort.

Dennoch durchtrete ich nicht das riesige Tor zum Grundstück und bleibe ehrfürchtig davor stehen. Kelly ist noch nicht aufzufinden, also driftet mein Blick durch den Schulhof in dem ich einst oft gelernt habe.
Hier hat alles angefangen. Nur durch dieses Stipendium bin ich Bram begegnet.. Schon ironisch, dass ich extra hart gelernt habe, um auf eine Schule, wie diese, zu kommen und eine bessere Zukunft zu haben, nur um in eine noch beschissenere Lage zu kommen. Mein damaliges Ich würde unsere Zukunft sicherlich nicht schlecht finden, immerhin haben wir Geld, aber man erkennt all dir Schattenseiten leider erst, wenn es zu spät ist.

All die Erinnerungen, die hier schwelgen knoten mir den Hals zu.
Ich muss stark bleiben. Das alles sind nichts als Erinnerungen und die Vergangenheit kann man nicht ändern. Es zählt nur, was ich jetzt mache.
Tief atme ich durch und fühle mich schon weitaus besser. Zwar kann ich die Emotionen nur bekämpfen, indem ich nicht darüber nachdenke, aber es hilft und ich kann stumm daneben stehen, bis ich Kelly endlich aus einem der Gebäude humpeln sehe.
Ihre gebückte Haltung lässt mich die Brauen verziehen. Und wie sie sich den Bauch hält...
„Alles gut?" frage ich, sobald sie wie eine alte Oma und mit schmerzverzerrtem Gesicht bei mir ist. Doch sie ergreift nur stark meinen Arm und zerrt mich mit erstaunlicher Kraft wieder Richtung U-Bahn. „Klar." dreht sie dabei den Blick im gehen wieder zur Schule. „Ich will nur nicht das Risiko eingehen, dass mich die blöde Johnson topfit rauslaufen sieht nach meinem Schauspiel. Ich hätte wohl in die Branche gehen sollen."
„Oh ja. Mrs Johnson konnte schon damals niemand leiden." brumme ich lächelnd, während alte Erinnerungen aufkommen. Aber gute. „Aber ich bezweifle, dass dich jemand dabei beobachtet. Du bist zu paranoid." Sagt die richtige.

Kurz verzieht sich mein Mund, doch ich schlucke es einfach runter.
Sobald wir hinter der Mauer des nächsten Gebäudes sind, und damit außer Sichtweite, stellt sich Kelly wieder normal hin und springt seitlich die Straße runter, während sie mich wie ein neuer Mensch anstrahlt. „So. Wo geht es als erstes hin?" fragt sie und hackt sich quietschend bei mir ein.
Kichernd betrachte ich ihr Gesicht und spüre, wie auch schon jeglicher Druck damit abfällt. „Einen direkten Plan habe ich nicht, aber wir können ja mit meinen Haaren anfangen."

Abrupt bleibt sie stehen, ohne unsere Arme zu entbinden. „Ok. Während des Unterrichts habe ich nachgedacht." und geht langsam wieder weiter.
„Wolltest du nicht aufpassen, weil du den Stoff für die letzte Prüfung brauchst?" lächle ich und halte den Blick auf die vollen Straßen vor uns.
„Ja, egal. Also: Ich hatte nachgedacht- und bevor du was sagst, ja ich kann denken-," sofort lache ich laut auf „aber", erhebt sie den Zeigefinger, „ich glaube, es wäre nicht gut, wenn ich sie dir färben würde. Deshalb sollten wir lieber einen Friseur finden."
Stutzig halte ich den Blick auf der Straße an der wir jetzt anhalten, um zu der Station auf der anderen Seite zu kommen. „Aber deine Haare hast du auch selbst gefärbt."
„Ja~," zieht sie es in die Länge, „aber ich will dir deine Transformation nicht versauen. So gut bin ich nun auch wieder nicht."

Grübelnd laufe ich mit ihr über die Straße. Eigentlich fände ich es schon cool, wenn eine Freundin mir das machen könnte, aber unbedingt Unrecht hat sie nun auch wieder nicht.
„Weißt du, welche Farbe es wird?"
Verzweifelt verziehe ich das Gesicht und schüttle den Kopf. „Ich bin vollkommen verwirrt, Kelly."
„Ist ok." hebt sie beschwichtigend die Hände, „Das kommt spontan. Ich glaube, etwas aus Starbucks kann dir jetzt helfen." grinst sie mich von der Seite heimtückisch an. „Natürlich auf deinen Nacken, weil..." kurz scheint sie zu überlegen, „ich heute für dich blau mache und sicherlich eine Belohnung verdient habe." betont sie es übertrieben ernst und eingebildet, was mich wieder zum kichern bringt.
„Aber gewiss." neige ich den Kopf, was sie aufstrahlen lässt.

Schlürfend steht Kelly neben mir, während wir den Salon gemeinsam anstarren. "Colone.. " murmelt sie den Namen über dem Eingang nach. "Sicher, dass der gut ist?"
Mich räuspernd sehe ich sie an und schaffe es, ein Strahlen auf die Lippen zu bringen. "Ich glaube schon. Meine damalige beste Freundin war zu Unizeiten oft hier, um ihre Haare zu färben und war jedes Mal zufrieden."
Unsicher sieht sie mich mit ihren blauen Augen an und ich erkenne plötzlich Mitleid in ihnen. Mitleid, welcher mir gebührt und mich kurz stocken lässt, bevor ich schwer schlucke und mich nicht mehr so mutig fühle, das hier zu machen.
"Dann vertrauen wir darauf!" kommt es enthusiastisch von Kelly, die mich kräftig an der Schulter stupst. "Worauf wartest du den noch?"
Mit einem halben Lächeln sehe ich sie dankend an und betrete den in golden und holztönig Salon mit ihr. Es ist so einiges los und die meisten der Angestellten erkenne ich nicht mehr wieder.
Damals war ich hin und wieder mit Maddy hier, die ihre eigene Friseurin hatte, aber auch die scheint nicht mehr da zu sein.
Enttäuscht verziehe ich die Lippen. Gut, wer würde das übelnehmen. Immerhin sind schon drei Jahre seit meinem letzten Besuch vergangen.
"Sorry, aber der ist mir zu schick." flüstert Kelly ehrfürchtig neben mir, während wir uns umsehen.

"Guten Tag!" kommt uns eine Frau mittleren Alters mit ausgebreiteten Armen entgegen. "Wie kann ich ihnen helfen?"
Ihre schmalen Lippen lächeln angenehm und stecken mich an, dasselbe zu tun. "Hallo, ich habe keinen Termin, würde aber gerne meine Haare bei ihnen färben. Geht das?"
"Aber natürlich."


Nun bin ich nervös. Mit tappenden Fingern auf den Armlehnen des Sessels, weiß ich nicht, wohin ich sehen soll. Was wird überhaupt bald passieren? Ich habe meine Haare zwar vor nicht einmal einem Jahr dunkel gefärbt, aber das hier ist plötzlich anders. Und sobald mir der Kittel umgelgt wird, und meine heutige Friseurin namens Abora mich gespannt anlächelt, verfalle ich der blanken Angst.
"So. Welche Farbe darf es nun sein?"
Völlig durcheinander beiße ich mir auf die Lippen. "Ich weiß es immer noch nicht so genau." murmle ich unsicher.
Mit einem prüfendem Blick sieht mich Abora an und geht durch meine Haare. "Hmmm. Bei Grünen Augen, wie deinen könnte Platinblond passen." hebt sie die Braue zu ihrer eigentlichen Aussage.
Wieder verziehe ich die Lippen und sehe mich im Spiegel an. An sich nichts, was ich nicht auch im Kopf hatte. Immerhin hatte ich immer nur mein straßenköterblond. Aber ich habe Angst, dass mich ein erneutes blond in alte Erinnerung werfen wird und eigentlich wollte ich eine Veränderung machen, die mir Bram sonst nie erlaubt hat. Ich will ausnahmsweise mutig sein. Also schüttle ich entschlossen den Kopf.
Sofort springt Kelly aus dem Sitz neben mir und sieht mich mit einem dicken grinsen im Spiegel an. "Wie wäre meine?" grinst sie und wirkt ein wenig...angsteinflößend, "Dann wären fast identisch."
Am liebsten würde ich dazu lachen, aber ihre Aussage ist so unerwartend, dass ich nur lächelnd den Kopf schütteln kann. Das passt nicht zu ihr. "So mutig bin noch nicht, aber dir steht es sowieso besser als mir."
Augenverdrehend winkt sie ab und plumpst sich wieder auf den Sessel, um ihre Zeitschrift weiterzulesen.
"Wie wäre es mit etwas Röte? Das würde ihre Augen sehr gut betonen."
Kurz weiten sich meine Augen, als ich mir diese Option im Spiegel vorstelle, und schon geht auch diese Farbe in die Tonne. Sofort legt sich wieder die Aufregung.

Meine Verzweiflung wird mit jedem Moment größer. Bin ich die einzige, die es nicht gerafft kriegt, sich endlich für eine Haarefarbe zu entscheiden? Ich meine, andere ändern ihre mit jeder Jahreszeit, wieso stelle ich mich da so an?
Bin ich vielleicht doch noch nicht soweit, mich mit festem Stand gegenüber allem zu wehren?
Mein Bauch kribbelt schon unwohl, als Kelly wieder einmal aufgeregt auf hüpft und mir ihre Zeitschrift direkt vors Gesicht hält. "Ich glaube, ich habe das Perfekte für dich gefunden." Ihre Augen strahlen hinter der Zeitschrift, während ich mir ihren Vorschlag ansehe und mich mit gehobener Braue zu ihr wende. "Das soll mir stehen?"

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