Mein neuer Nachbar

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Ich saß im Garten, die sanfte Herbstsonne wärmte mein Gesicht, während ich mich um die Blumenbeete kümmerte. Das Plätschern des kleinen Brunnens war fast beruhigend genug, um meinen kleinen Bruder zu ignorieren, der im Haus tobte. Er hatte mal wieder einen seiner energiegeladenen Momente, und ich wusste, dass er mich gleich wieder ärgern würde. So sehr er mich manchmal in den Wahnsinn trieb, war er trotzdem mein kleiner Bruder, und tief in meinem Herzen konnte ich ihm nie wirklich böse sein.

Unsere Eltern hatten sich spontan entschieden, für zwei Wochen in den Urlaub zu fahren, und ich hatte die ehrenvolle Aufgabe, auf den Wirbelwind im Haus aufzupassen. Natürlich konnte ich mir nichts Schöneres vorstellen, als meine freie Zeit mit endlosen Streichen und Kissenkämpfen zu verbringen... Ironie off.

Während ich gerade versuchte, eine widerspenstige Rose zu stutzen, fiel mein Blick auf das Haus nebenan. Ein Umzugswagen stand vor der Einfahrt, und mehrere Kartons wurden herausgetragen. Es sah so aus, als hätten wir einen neuen Nachbarn. Mein Interesse war geweckt, und ich konnte nicht anders, als einen genaueren Blick zu werfen.

Da war er. Ein Mann, vielleicht ein paar Jahre älter als ich, trug ein paar Kisten ins Haus. Er war nicht groß, aber seine Haltung strahlte eine seltsame Autorität aus. Dunkles, perfekt geschnittenes Haar fiel ihm in die Stirn, und sein Gesicht war ernst, fast grimmig, als ob er mit der ganzen Situation nicht ganz zufrieden war.

Ich wusste nicht, warum, aber ich konnte meinen Blick nicht von ihm abwenden. Es war etwas Unnahbares an ihm, etwas, das mich neugierig machte. Doch bevor ich noch länger starren konnte, rief mein Bruder aus dem Fenster: "Y/N! Kannst du mir helfen?!" Natürlich. Ruhe war wohl ein Luxus, den ich in den nächsten zwei Wochen nicht haben würde.

Mit einem letzten Blick auf den neuen Nachbarn seufzte ich und ging zurück ins Haus.

Drinnen erwartete mich das Chaos. Mein kleiner Bruder saß am Küchentisch, seine Hausaufgaben vor sich ausgebreitet, und natürlich hatte er keine Lust, sie zu machen. "Ich verstehe das nicht!" schimpfte er, als ich mich neben ihn setzte. Ich sah mir die Aufgaben an – es war Mathe, natürlich. Sein absolutes Lieblingsfach. Nicht.

"Okay, lass uns das zusammen durchgehen," sagte ich geduldig und zog die Aufgaben zu mir heran. Die nächsten dreißig Minuten bestanden aus einer Mischung aus Erklären, genervten Seufzern von ihm und schließlich einem Hauch von Verzweiflung, als ich merkte, dass er trotz allem lieber an seinem Handy wäre. Irgendwie schafften wir es aber, die Matheaufgaben zu beenden, und ich hatte den kleinen Sieg des Abends bereits innerlich gefeiert.

Als er endlich fertig war, stand ich auf und begann, etwas zum Abendessen vorzubereiten. Nichts Großartiges – nur ein einfaches Gericht, das er mochte. Während das Essen auf dem Herd köchelte, setzte ich mich kurz an den Küchentisch und spürte, wie sich die Müdigkeit des Tages in mir ausbreitete. Die Verantwortung, auf meinen Bruder aufzupassen, war anstrengender, als ich gedacht hatte.

Nachdem wir gegessen hatten, war es Zeit, ihn ins Bett zu bringen. Er protestierte natürlich, wollte noch wach bleiben, aber nach einer Weile gab er nach. Ich zog ihm die Decke über die Schultern und fuhr ihm durchs Haar. "Schlaf gut, Kleiner", sagte ich, während er murmelnd die Augen schloss. Ein winziger Moment des Friedens.

Endlich hatte ich etwas Zeit für mich. Ich schnappte mir ein Buch, das ich schon lange lesen wollte, und ging auf den Balkon. Die kühle Nachtluft umhüllte mich, und die Sterne am Himmel funkelten klar. Ich lehnte mich zurück, um mich ganz in die Geschichte zu vertiefen, als mein Blick zufällig zum Haus nebenan wanderte.

Sein Fenster war beleuchtet, und ich konnte deutlich sehen, wie der neue Nachbar in seinem Zimmer stand. Er war gerade dabei, sich das Hemd über den Kopf zu ziehen. Ich sollte weggucken. Wirklich. Aber irgendetwas an der Szene zog mich in ihren Bann. Seine Bewegungen waren ruhig, fast mechanisch, aber es war schwer, nicht hinzusehen. Der Raum um ihn herum schien so... leer, fast einsam.

Levi x Reader OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt