Zwischen Heilung und Stolz

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Die Stille, die in den Fluren der Zentrale des Aufklärungstrupps herrschte, war erdrückend. Sie war die Art von Stille, die nur nach einer Katastrophe existiert. Nach fünf Tagen Abwesenheit kehrte der Trupp endlich zurück. Doch ihre Anzahl war stark geschrumpft. Blutüberströmte Soldaten, gebrochene Körper, Seelen, die vom Leid gezeichnet waren. Ich spürte das Gewicht jeder einzelnen Verletzung und der emotionalen Last auf meinen Schultern.

„Wir müssen sofort mit der Versorgung beginnen", rief ich den anderen Heilern zu und warf mir mein Behandlungswerkzeug über die Schulter. Die nächsten Stunden vergingen wie in einem Nebel aus Hektik, Schmerz und Blut. Wunden mussten genäht, Brüche geschient und Infektionen behandelt werden. Ich verlor das Zeitgefühl. Wie viele Stunden wir nun schon ununterbrochen arbeiteten, wusste ich nicht. Der Raum war erfüllt von Stöhnen, Keuchen und dem Knarren der provisorischen Betten.

Es gab keine Zeit, sich auszuruhen. Jeder Atemzug der Verwundeten bedeutete, dass ich weitermachen musste. Nur kurz blickte ich auf, als die letzte Trage hereingebracht wurde. Auch er hatte schwer zu kämpfen, doch er würde es schaffen.

Als wir endlich den letzten Soldaten versorgt hatten und alle Betten voll belegt waren, schlich ich mich nach draußen. Die frische Luft war eine Erlösung, doch ich spürte sie kaum, so erschöpft war ich. Meine Hände zitterten, als ich sie auf meine Knie stützte und tief durchatmete. Es war alles so sinnlos, so viele junge Menschen, die wir verloren hatten. Manchmal fragte ich mich, ob all die Heilungen, die ich vornahm, überhaupt einen Unterschied machten.

Nach einer Weile, als die Nacht kühler wurde, entschloss ich mich, wieder hineinzugehen. Ich ging den Flur entlang, vorbei an den Schlafsälen, in denen die Verletzten lagen, als mein Blick auf Levis Büro fiel. Ich hielt inne. Levi war die ganze Zeit nicht bei den Verwundeten gewesen, doch ich hatte mir keine Gedanken gemacht. Er war der Captain, er musste seine eigenen Dinge erledigen. Vielleicht war er damit beschäftigt, Berichte zu schreiben oder den nächsten Zug zu planen.

Doch als ich gerade vorbeigehen wollte, hörte ich ein Geräusch. Ein Keuchen, so schmerzhaft, dass es mir die Luft abschnitt. Ich blieb wie erstarrt stehen und lauschte. Es folgte schweres Atmen, unregelmäßig und angestrengt. Sofort legte sich ein ungutes Gefühl auf mein Herz. War er verletzt?

Ich klopfte an die Tür. Keine Antwort.

„Captain?", fragte ich, doch wieder erhielt ich keine Antwort.

Zögerlich legte ich die Hand auf die Türklinke und drückte sie nach unten. Die Tür öffnete sich lautlos, und was ich sah, ließ mich erschrocken die Luft anhalten.

Levi saß am Boden, mit dem Rücken an die Wand gelehnt. Sein Atem war flach, seine Augen halb geschlossen. Schweiß glänzte auf seiner Stirn, und er hielt sich mit einer Hand an seiner Seite fest. Blut sickerte durch seine Finger. Er war blass, erschöpft, und es sah aus, als hätte er all seine Kräfte aufgebraucht, um überhaupt noch wach zu bleiben.

„Levi!", rief ich und war in wenigen Schritten bei ihm. Mein Herz raste, als ich neben ihm in die Knie ging und seine Hand vorsichtig von der Wunde an seiner Seite wegnahm. Die Blutung war stark, viel stärker, als ich es erwartet hatte. Er hätte längst jemanden holen sollen.

„Warum hast du nichts gesagt?", fragte ich streng, doch meine Stimme war leise.

„Es gibt... Wichtigeres...", brachte er keuchend hervor, doch sein Körper verriet ihn. Die Schmerzen mussten unerträglich sein, und ich fragte mich, wie er es überhaupt so lange ohne Hilfe ausgehalten hatte.

„Halt still", murmelte ich und begann sofort, meine Tasche zu durchwühlen, um meine Werkzeuge hervorzuholen. Die Verbände, die Nadeln, das Desinfektionsmittel – alles, was ich brauchte, um ihn zu versorgen. Sein Atem ging weiterhin schwer, doch er widersprach nicht, als ich die Wunde freilegte und mit dem Reinigen begann.

Levi x Reader OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt