Kapitel 12

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Kichernd falle ich beinahe vom Stuhl und frage mich, wieso ich nach so wenigen Bier schon so einen im Kahn habe. Ich bin das Trinken einfach nicht mehr gewöhnt.
Gut, vielleicht tun die ein oder anderen Whiskeys und Kurze auch ihr übriges, aber das muss ja keiner wissen. Catriona schielt schon beinahe und Ivera ist die Einzige, die noch halbwegs nüchtern wirkt.

„Sie hat halt Wikingerblut in ihren Adern", meint Fiona kichernd und lehnt sich prustend vor Ivera weg, die gespielt nach ihrer Schulter schlägt. „Erzähl doch nicht so einen Müll". Okay, Ivera lallt auch mittlerweile.
Die Luft im Pub wird immer wieder durchlüftet, wenn Fearghas hinten das Fenster im Nebenzimmer öffnet und bewirkt, dass ich ab und an etwas abkühle.

„Und du willst nochmal nach Deutschland fliegen, um alles vor Ort zu regeln? Du willst wirklich hierhin auswandern?". ich nicke und Catriona schüttelt den Kopf. „Du bist verrückt".
Ich zucke mit den Schultern. „Normal ist langweilig". Fiona fängt an zu gackern und Ivera klopft mir auf die Schulter. „Richtige Einstellung meine Liebe".
Geillis bringt uns wieder eine Runde Kurze und schreibt sie dieses mal auf meinen Bierdeckel. Wir wechseln und mit den Runden ab und ich möchte auch etwas dazu beitragen und mich nicht nur einladen lassen.

Ich bemerke gar nicht, wie spät wir schon haben, bis Fearghas eine Glocke schlägt. „Letzte Runde ihr Lieben", ruft er und alle quittieren das Läuten der Glocke mit einem Schluck von ihrem Bier oder wir mit unseren Kurzen. Es ist schon fast drei Uhr.
„Nochmal das gleiche", ruft Fiona Geillis zu und ich lehne mich stöhnend in meinem Stuhl zurück. „Ui ui ui, ich kann das nicht mehr so wie früher", brumme ich und spüre das Rumoren in meinem Magen.

„Keine Sorge, Aiden hat immer Tüten dabei". Catriona schickt ihrem Bruder bereits eine Nachricht und als wir unsere letzte Runde getrunken und bezahlt haben, treten wir hinaus in die kalte Nacht.
Die frische Luft lichtet den Nebel in meinem Kopf und ich atme tief ein. Fiona hält sich an Ivera fest, die wiederum an einer Laterne und Catriona steht halbwegs sicher.

Aidens schwarzer Sportwagen fährt vor und er fährt zuerst Fiona und Ivera nach Hause. Catriona schläft mit offenem Mund vorne auf dem Beifahrersitz, nur ich bin noch wach.
„Hattet ihr Spaß?", fragt Aiden leise und schaut in den Rückspiegel. Ich nicke grinsend und unterdrücke den Hickser eines Schluckaufs.
„Das freut mich". Langsam fährt er in die Einfahrt zum Hof und hält vorsichtig an.
„Danke Aiden!", flüstere ich, beuge mich vor und nehme ihn von hinten in den Arm. „Huch". Überrascht erwidert er die Umarmung und grinst mich an.

„Wofür ist das denn?", fragt er und ich zucke mit den Schultern. „Ich bin betrunken, da umarme ich gerne Menschen", sage ich und pustend dreht er sich weg. „Das riecht man", meint er lachend und ich quäle mich entschuldigend aus den tiefen Sportsitzen. Ich winke, als er vorsichtig vom Hof fährt und höre, dass mich Kate bellend ankündigt.
„Schhhhh", flüstere ich wahrscheinlich viel zu laut und kraule sie, bis sie sich wieder vor den Fuß der Treppe legt und ich mit Mühe und Not über sie hinüber klettere.

Doch Rory ist wach. Ich höre, wie seine Tür aufgeht und er über die Brüstung der Treppe guckt. Total verschlafen und mit völlig abstehenden Haaren.
„Ach du bist es", brummt er und ich zucke entschuldigend mit den Schultern. „Sorry. Ich wusste nicht, dass es so spät wird".
Ohne noch was zu sagen tapst er wieder in sein Zimmer und schließt die Tür hinter sich. Ich gehe ins Badezimmer, mache mich halbwegs fertig und falle nach dem Schlucken einer Kopfschmerztablette todmüde ins Bett.

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Bringt nur nichts. Am nächsten Morgen wache ich mit dem schlimmsten Kater meines Lebens auf und liege stöhnend im Bett, bis ich mich Zentimeter für Zentimeter hocharbeiten kann, ohne dass sich alles wieder anfängt zu drehen.
Als ich fast eine halbe Stunde lang auf meinem Matratzenrand sitze, fällt der Blick das erste Mal auf meine Uhr. Halb zwölf.
Oh je. Ich höre draußen einen der Hunde bellen und das Blöken der Schafe, ansonsten ist alles ruhig.

Ich schaffe es irgendwie, zu duschen und mir die Zähne zu putzen, ohne zu brechen und gehe langsam in die Küche hinunter. Dort steht bereits Wasser mit Aspirin bereit, welche ich sofort nehme. Ich sehe durch das Küchenfenster, dass Rory draußen hantiert und wieder Ausbesserungen an seinem Zaun vornimmt. Solange die wilden Hunde nicht vom Jäger gefunden wurden, würden die Schafe nicht wieder auf die riesigen Weiden auf seinem Grundstück dürfen.

Langsam gehe ich hinaus und atme tief die frische Luft ein. Rory bemerkt mich und kann sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Du siehst ja fertig aus", meint er und ich verziehe das Gesicht zu einer Fratze. „Will dich mal sehen wie du nach so einem Gelage aussiehst", brumme ich und lehne mich gegen das Zaunstück, an dem er gerade arbeitet. Die Sonne scheint angenehm vom Himmel, erstaunlich für Schottland. Meist ist es doch nur bewölkt.

„Glaub mir, ich sehe besser aus", meint er grinsend und widmet sich wieder seiner Aufgabe. Ich schaue ihm einige Minuten schweigend zu, bis ich es kaum noch aushalte.
„Rory, darf ich dich was fragen?". Überrascht schaut er auf. „Klar, schieß los". Ich knete wieder meine Finger und atme tief ein.
„Solange ich weiter bezahle, kann ich länger hierbleiben, bis ich eine eigene Wohnung gefunden habe?". Sofort hält er mit seiner Arbeit inne und richtet sich auf. Nachdenklich verschränkt er die Arme vor der Brust und schaut mich mit gerunzelter Stirn an.

„Du willst länger hierbleiben?". Ich nicke. „Ich weiß, dass du mein Zimmer auch teurer an Touristen vermieten könntest. Aber solange ich nur diesen Nebenjob habe kann ich mir keine eigene Wohnung leisten. Und Fearghas meint, momentan ist auch in Mallaig keine frei".
Rory schweigt. Ich sehe ihm deutlich an, wie es in ihm rattert und ich seufze. „Ich kann nicht wieder zurück. Ich kann nicht wieder nach Deutschland, es macht mich einfach fertig, nur der Gedanke schon alleine daran".

„Hast du denn schon alles mit Visa und so geregelt?". „Bin ich dran, es gibt eine Agentur in Edinburgh, die sich um sowas kümmert".
„Kenne ich. Sind okay". Seufzend mustert er mich weiter und nickt dann. „In Ordnung. Ich halte auch mal die Ohren offen und gucke, ob sich was finden lässt".
Ich quieke glücklich auf, was mich selbst zusammenzucken lässt und nehme ihn stürmisch in die Arme. „Danke!", sage ich und drücke ihn, bis er sich lachend von mir löst.

„Ist ja schon gut. Versprechen kann ich aber nichts". Als ich wieder zum Haus gehe, verlangsame ich meine Schritte und spüre das Lächeln auf meinen Lippen. Er hat einen erstaunlich stählernen Körper, wer weiß, wie er sich sonst noch so anfühlt.
Schluss jetzt! Fred existiert noch immer. Ich mache mir eine Kleinigkeit zu essen, die ich Gott sei Dank nicht auskotze und verbringe den Rest des Tages auf einem Gartenstuhl und wandere mit der Sonne mit.

Am Abend geht es mir deutlich besser und ich esse gemeinsam mit Rory eine Pizza. „Werden deine Eltern dich nicht vermissen?", fragt Rory mich irgendwann plötzlich, als wir einige Minuten geschwiegen haben und ich stocke. „Wie meinst du das?".
„Na, wenn du nach Schottland ziehst. Werden dich deine Eltern nicht vermissen?". Ich schlucke den aufkommenden Kloß herunter und schaue betreten auf meinen Teller.

A scottish LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt