Am Abend sitze ich vor einer E-Mail der Agentur und kann mein Grinsen kaum verbergen. Sie konnten es erreichen, dass mein Antrag im Eilverfahren behandelt wird und ich noch in diesem Jahr meine doppelte Staatsbürgerschaft bekomme. Es reicht aus, dass Rory im Antrag steht, danach müsste ich mich wie eine Staatsbürgerin ummelden. Wenn ich Glück habe, habe ich in zwei Wochen das Formular in den Händen und meinen neuen Pass.
Gott sei Dank läuft das auch flüssig! Ich wundere mich, wie gut es hier in Schottland läuft, normalerweise klatscht mir das Leben doch sonst immer eine Hiobsbotschaft vor die Nase.
Doch ich möchte es nicht herauf beschwören und verdränge den Gedanken sofort wieder. Ich antworte der Agentur fix und gehe dann hinunter zu Rory, der das Abendessen kocht.Als er mein strahlendes Gesicht sieht, lächelt er. „Strahlst du so wegen mir?". Ich schlinge ihm die Arme um den Rücken und kichere. „Unter anderem. Aber auch, weil ich in zwei Wochen schon britische Staatsbürgerin bin".
Rory schaut mich über seine Schulter hinweg an. „Das ging ja fix".
„Allerdings. Und dann kann ich mich endgültig aus Deutschland abmelden". Ich begutachte das Essen und summe, als ich den Duft erkenne. „Spaghetti Bolognese. Lecker", hauche ich und beginne, den Tisch zu decken. Ich hatte schon seit Wochen keine Lebensmittel mehr in meinen Kühlschrank geräumt, weil Rory und ich eh meist zusammen kochten oder die Lebensmittel gegenseitig nutzten.Rory kocht wirklich gut und ich genieße das leckere Essen wirklich sehr. Als wir fertig sind, spüle ich noch und schicke ihn mit einer Wärmeflasche aufs Sofa, da er von der Arbeit heute wieder Rückenschmerzen hat. Als ich fertig bin, klettere ich zu ihm aufs Sofa und massiere sanft die Stelle.
Brummend schließt er die Augen und greift nach meiner freien Hand. Kate liegt vor unseren Füßen vor dem Kamin und schnarcht leise vor sich hin.
Meistens ist einer der Hunde zur Vorsicht im Stall und passt auf die Herde auf. Rory wechselt immer in regelmäßigen Abständen, damit beide Hunde ausreichend Nähe zu ihm haben.Sobald der Herdenschutzhund da ist, der sowieso 24/7 bei der Herde lebt, könnten beide Hunde wieder im Haus wohnen.
Rory lehnt sich gegen mich und seufzt zufrieden. „Danke", flüstert er und ich gebe ihm einen Kuss auf die Wange. „Gerne". Kate hebt plötzlich den Kopf und legt ihn lauschend zur Seite.Rory verspannt sich sofort und beobachtet seinen Hund genau. Kate horcht einige Sekunden, dann steht sie auf und rennt knurrend und bellend zur Küchentür.
„Scheiße". Blitzschnell springt Rory auf und rennt seinem Hund hinterher. Ich rapple mich ebenfalls auf, da sind die Beiden allerdings schon in die dunkle Nacht hinaus und rennen zum Stall, wo ich Kampfgeräusche wahrnehme. William, der versucht die Schafe zu verteidigen.Ich schnappe mir eine Taschenlampe und höre Rory brüllen. Kate bellt immer noch, dann höre ich wie auch sie in den Kampf eingreift.
Mein Herz schlägt mir bis zum Hals, als ich mir einen Weg über die matschigen Wege bahne. Keuchend entweicht mein Atem mir meinen Lippen und als ein Schuss durch die Nacht knallt, bleibe ich erschrocken stehen.Ich höre, wie sich etwas winselnd entfernt und erreiche den Weidezaun. Die Schafe rennen panisch hin und her, ihre Augen schreckgeweitet und ihr Atem deutlich in der kühlen Nachtluft zu erkennen. Ich kann Rory und die Hunde nicht sehen, doch ich eile durch den Stall und öffne die Stalltüren zur Weide hin. Ich läute die Glocke, die Rory immer da liegen hat und versuche, die Schafe aufgrund des vertrauten Geräuschs nach drinnen zu locken.
Nach und nach dringt das Geräusch zu den Schafen durch und sie folgen dem Läuten. Immer noch leicht panisch rennen sie in den Stall und drängen sich eng zusammen.Ich schließe die Stalltüren und schaue nochmal nach draußen, doch sehe Rory immer noch nicht. Also wende ich mich den Schafen zu und schaue nach, ob eines der Tiere verletzt ist.
Ein Schaf hat Bissspuren an seinem Bein. Ich schiebe es sanft in Richtung einer der Quarantäneboxen und hole das Verbandszeug, um die Wunde zu desinfizieren und zu verbinden. Der Dok müsste morgen zur Kontrolle kommen.
Die Bissspuren sind definitiv von einem Hund, dass erkenne ich sofort. Hier muss ein wilder Hund leben.Ich höre, wie Rory die Stalltür aufschiebt. Blut bedeckt seine Hände und er schaut mich aus großen Augen an. „Wessen Blut ist das?", frage ich und kann das Zittern in meiner Stimme nicht unterdrücken.
Rory atmet tief ein und kommt hinein. Als ich sehe, wie Kate und William ihm folgen, atme ich erleichtert aus. Beide sehen mitgenommen aus und William hat Blutspuren an seiner Schnauze, aber ansonsten scheinen sie unverletzt zu sein.„Das Blut des wilden Hundes. Ich habe ihn angeschossen und noch verfolgt, er ist knapp vierhundert Meter entfernt zusammengebrochen und verstorben".
Oh. Ich presse die Lippen aufeinander und schlucke den Kloß herunter. „Was macht ein wilder Hund hier draußen?", fragt er sich kopfschüttelnd und schaut in die Quarantäne Box. „Ich habe das Bein gesäubert, desinfiziert und verbunden. Dok sollte es sich morgen aber vielleicht besser mal ansehen und William auch".Rory nickt. „Ich schaue nochmal über die Herde". Während er einen zweiten Rundgang durch den Stall macht, gehe ich zu William und Kate, die erschöpft nebeneinander auf dem Stroh liegen und untersuche vorsichtig William. Der Hund hat ihn zwar erwischt, aber es sieht nicht ganz so schlimm aus. Kate kümmert sich bereits rührend um ihn.
„Alles gut". Rory kommt zu uns und streichelt William liebevoll über den Kopf. „Mein Großer, das hast du sehr gut gemacht. Es tut mir leid, dass ich nicht schneller da war".
William leckt Rory über die Hand und schaut ihn aus treuen Augen an.„Ich schlafe heute Nacht hier. Falls was mit den Schafen oder William ist". Ich nicke und schaue Rory an. „Soll ich mit hier schlafen?".
Er schüttelt den Kopf und gähnt. „Brauchst du nicht. Sehen uns morgen". Als ich den Stall verlasse, werfe ich nochmal einen Blick zurück. Rory holt sich Decken aus einem Stallschrank und breitet sie neben William und Kate aus. Als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt.Ich wälze mich in der Nacht nur von einer Seite auf die andere. Meine Gedanken rasen mir immer wieder durch den Kopf und hindern mich daran, auch nur einen winzigen Moment zur Ruhe zu kommen.
Das Bett, so weich und bequem es doch ist, fühlt sich verlassen an. Rorys Duft hängt noch in den Laken, umnebelt mich bei jeder Bewegung und lässt mein Herz höher schlagen.
Als ich gegen drei Uhr immer noch nicht schlafen konnte, raffe ich meine Sachen zusammen, schließe die Haustür hinter mir ab und gehe hinüber zum Stall.Kate hat mich kommen hören und begrüßt mich an der Stalltür. Rory schläft schnarchend neben William, auch der Hund brummt leise vor sich hin. Die Schafe stehen ruhig in ihrem Stall und bis auf ein ab und an aufkommendes Blöken ist alles ruhig.
Kate legt sich wieder neben William und ich robbe an Rorys Seite. Bette meinen Kopf in die Kuhle auf seiner Brust und schlinge den rechten Arm um seine Taille.
Als ich die Augen schließe und langsam wegdöse, legt sich Rorys freier Arm ebenfalls um mich und ich schlafe lächelnd ein.
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A scottish Love
RomanceCornelia "Lia" hat ihr Leben satt. Hals über Kopf lässt sie ihr Leben in Köln stehen und liegen und flüchtet. Flüchtet nach Schottland, wo sie als Kind immer mit ihren Eltern ihren Urlaub verbracht hat. Mallaig, den kleinen Ort in den Highlands und...