Distrikt 4; Tag der Ernte:
Die sanften Wellen des Meeres rauschten. Das Wasser berührte die Füße von Amina. Sie stand am Strand und blickte hinaus aufs offene Meer. Noch war Sie ruhig, auch wenn ihr der Gedanke, dass heute der Tag der Ernte war, immer noch im Kopf rumschwebte. Sie sog die salzige Luft des Meeres ein und schloss die Augen. „Amina, kommst du? Wir müssen uns fertig machen. In einer Stunde beginnt die Ernte auf dem großen Platz.“ Amina öffnete wieder ihre Augen, jedoch blickte sie immer noch auf das klare Wasser. „Nur noch ein paar Minuten.“, rief Sie. Ihre große Schwester Audrey kam zu ihr ans Wasser. Sie seufzte. „Amina, du weißt dass du es nicht bis auf das letzte bisschen rauszögern kannst. Du hast dir noch nie Lebensmittel geholt, das heißt dein Name ist bloß ein paar Mal in der Lostrommel. Wer sagt, dass es ausgerechnet dich treffen wird?“, versuchte Audrey Amina zu beruhigen. Amina blickte zu ihr hoch. „Es kann jeden treffen. Du und Ann habt gut zu reden, ihr seit schon über 18 und könnt gar nicht mehr gezogen werden, aber ich habe noch drei weitere Jahre, wenn ich heute nicht gezogen werde. Aber wenn doch, dann war es das für mich.“, jammerte Amina. Audrey zog sie in eine Umarmung. Sie und Ann waren beide schon 19 und wurden früher zum Glück nie gezogen. Doch ihre 15-jährige, kleine Schwester Amina konnte das noch nicht von sich behaupten. „Es wird alles gut, glaub mir. Du wirst schon sehen.“, versprach Audrey. Amina löste sich aus der Umarmung und sah zu ihr hoch. „Ist Ann zu Hause?“, fragte Sie. „Ja ist sie. Sie wartet dort auf uns und wir sollten jetzt auch schleunigst los. Du musst dich schließlich noch umziehen.“, drängte Audrey. Amina wusste, dass sie keine andere Wahl hatte, als mitzukommen. Deshalb folgte Sie ihrer Schwester über den Strand nach Hause.
Dort angekommen lag schon ein Kleid für Amina bereit. „Ich hoffe es passt dir. Bei deinem ist der Stoff an einer Stelle gerissen, darum habe ich dir meines geliehen, welches ich früher immer bei der Ernte an hatte.“, erklärte Ann. Amina nahm es in die Hand und betrachtete das Kleid. Es war nicht besonders schön oder ausgefallen. Lediglich ein dunkelblaues Stoffkleid. „Was ist mit dir?“, fragte Amina. „Ich hab zum Glück noch ein zweites Kleid, das ich anziehen kann.“, antwortete Ann. Amina begann sich umzuziehen. In der Ecke stand ein kleiner Spiegel, der von einer leichten Staubschicht bedeckt war. Amina betrachtete sich in dem Kleid. Es passte ihr. Dann Audrey kam zu ihr. „Du siehst wunderschön aus.“, sagte Sie. Amina setzte sich auf einen Hocker und Audrey begann ihre Haare zu machen. Sie nahm zwei der vorderen Strähnen und Band sie am Hinterkopf zusammen, so dass sie locker über die anderen Haare fielen. Zum Schluss klemmte Audrey eine Spange mit einer goldenen Rose darauf an die Stelle, wo das Haargummi zu sehen war, um es zu bedecken. Amina wunderte sich, was ihre Schwester dort machte. „Was tust du?“, fragte sie irritiert. „Sieh’s dir selbst an.“, lächelte Audrey. Amina stand auf und betrachtete ihre Haare im Spiegel. Dann erblickte sie die Spange. „Moms Schmuck. Aber wieso hast du ihn mir gegeben?“, fragte Sie ungläubig. „Du fandest die Spange mit der goldenen Rose schon immer schön. Mom hätte gewollt, dass du sie trägst.“, antwortete Audrey. Amina strahlte. „Danke…“, sagte sie. Die Eltern der drei Schwestern waren vor Jahren gestorben. Ihr Vater hatte sich gegen das Kapitol gewehrt, um seine Töchter zu beschützen, doch er wurde von ihnen erschossen. Aminas Mom wurde damit nicht fertig und erlitt einen Nervenzusammenbruch. Einen Tag später schwamm sie schließlich aufs Meer hinaus und ertrank. Seitdem hatten die drei für sich selbst sorgen müssen, was ihnen auch tatsächlich gelungen war.
Schließlich erklang das Signal. Amina schaute auf. Ihr wurde wieder etwas unwohler. Ann kam zu ihnen. „Es ist soweit. Lasst uns gehen.“, sagte sie und die drei machten sich auf den Weg zum großen Platz, wo die Ernte jedes Jahr statt fand. Audrey und Ann gesellten sich direkt zu den älteren. Vorher umarmten beide Amina nochmal. „Dir wird nichts passieren.“, versuchte Audrey ihre Schwester zu ermutigen. Diese nickte nur stumm und stellte sich in der Reihe von Mädchen an. Dann war sie dran. Amina hielt einer Frau ihren Zeigefinger hin und ihr wurde mit einer Nadel kurz in den Finger gestochen. Die Frau drückte ihren Finger auf ein Blatt Papier und ließ ihn wieder los. „Nächste!“, befahl sie und Amina ging an dem Tisch vorbei. Sie stellte sich zu den anderen Mädchen, die in geraden Reihen auf dem Platz standen. Daneben die Jungen. Hier und da hörte man kurzes Geflüster, doch sonst war die Stimmung bedrückt. Jeder um Amina herum hatte im Moment den selben Wunsch: Nicht gezogen zu werden.
Als alle durch waren und sich aufgestellt hatten stöckelte eine mittelgroße Frau auf das Mikro zu. Ihre Haare waren hochgesteckt und leuchteten in einem hellen Blau gegen das Sonnenlicht. Amina glaubte einen leichten gelben Schimmer auf ihrer Haut zu erkennen. Schließlich färbten sich viele Leute im Kapitol die Haut, was für Amina jedoch lächerlich aussah. Die blauhaarige Frau zupfte kurz ihr knallgrünes Kleid zurecht und tippte ein paar Mal auf das Mikro, um sicher zu gehen, dass es auch funktionierte. Dann begann sie zu sprechen: „Hallo meine Lieben und willkommen zu den alljährlichen 71. Hungerspielen! Ich bin Silvia und bevor wir mit dem auslosen beginnen habe ich hier noch einen ganz wunderbaren Film direkt aus dem Kapitol für euch.“ Amina verdrehte innerlich die Augen. Jedes Jahr die selbe Leier und der ach so tolle Film war auch nicht mehr der neuste. Doch als dieser zu Ende war wurde Amina wieder ernst und starrte schon auf die Lostrommel der Mädchen. „Und nun ist der Zeitpunkt gekommen, an dem wir einen mutigen jungen Mann und eine mutige Junge Frau auswählen. Wie immer Ladies First!“ Silvia lief in kleinen Schritten auf die Lostrommel zu und griff hinein. Auf dem Platz war Stille eingekehrt. Niemand sagte etwas. Alle starrten auf Silvias Hand die langsam in den Zetteln hin und her wühlte, bis sie einen davon nahm und herauszog. Langsam ging sie damit in der Hand zurück zum Mikro und faltete ihn auseinander. Es dauerte einen Moment. Amina kniff die Augen zusammen und spannte die Fäuste an. Sie hatte immer noch Hoffnung nicht gezogen zu werden.
„Amina Gayheart!“, erklang Silvias Stimme.
Amina bekam Gänsehaut und ihr wurde schlagartig kalt. Sie öffnete ihre Augen und sah, dass alle sie anstarrten. Sie ging unsicher auf die Bühne zu, dabei fühlten sich ihre Beine ganz taub an. Zwei Friedenswächter traten zur Seite und ließen sie die Treppenstufen zur Bühne hinauf steigen. Als sie oben stand erblickte Amina Audrey und Ann weiter hinten in der Menge. Audrey hatte die Hände vor den Mund geschlagen und sah ihre Schwester an, die oben auf der Bühne neben Silvia stand. Ann starrte nach vorne und ihr Gesicht war dabei kreidebleich. „Liebes?“, ertönte es neben Amina. Amina wurde aus ihren Gedanken gerissen und blickte Silvia an. „Ich habe dich gefragt, wie alt du bist.“, wiederholte Silvia ihre Frage. „Fünfzehn.“, sprach Amina ins Mikro. Ihre Stimme zitterte leicht und ihr Hals fühlte sich an, als wäre er geschwollen. Sie schluckte, doch ihr Hals fühlte sich genauso wie vorher an. Ihr war, als würde sie gleich umkippen, weil gefühlt alle sie anstarrten. „Nun denn, es geht weiter mit den Jungen.", fuhr Silvia fort. Amina stand immer noch neben dem Mikro, während Sie zur Lostrommel stöckelte und einen zweiten Zettel für die Jungs herauszog. Amina hingegen starrte nur fassungslos nach vorne. Sie hatte nur einen einzigen Gedanken im Kopf, nämlich, dass sie sterben würde.
„Jordan Reeves!“, las Silvia vor.
Ein großer, gutaussehender Junge trat zwischen den Reihen hervor und ging selbstbewusst auf die Bühne zu. Amina sah noch nicht einmal zu ihm sondern merkte nur wie er sich neben sie stellte. „Wie alt bist du?“, fragte Silvia auch ihn. „Achtzehn.“, war Jordans Antwort. Silvia trat ein Stück nach hinten, damit beide sich sehen konnten. „Schüttelt euch die Hände!“, sagte sie und lächelte entzückt. Amina drehte sich langsam in Jordans Richtung und sah ihn an. Sie gaben sich gegenseitig die Hand und nickten sich einmal kurz zu. „Unsere Tribute aus Distrikt 4 Amina Gayheart und Jordan Reeves! Und wie immer fröhliche Hungerspiele und möge das Glück stets mit euch sein!“ Silvia klatschte begeistert in die Hände, doch niemand sonst rührte sich. Silvia nahm Amina an der Schulter und führte sie zusammen mit Jordan von der Bühne.
Amina wurde in einen Raum geführt, wo sie warten sollte. Später öffnete sich die Tür und Audrey kam, gefolgt von Ann, in das Zimmer gestürmt. Hektisch umarmten Sie und Amina sich. „Es tut mir so leid…“, flüsterte Audrey. Dann umarmte Ann ebenfalls ihre Schwester. „Du wirst das schaffen!“, sagte sie, doch Amina zweifelte daran. Wahrscheinlich wollte Ann sich nur versuchen selbst Mut zu machen. Amina bekam noch immer keinen Ton heraus. Sie löste die Spange aus ihrem Haar und wollte sie Audrey reichen, doch diese lehnte ab. „Behalte Sie.“, sagte sie und lächelte schwach. Eine Träne rann über ihre Wange. „Ich liebe euch!“, brachte Amina hervor. Am liebsten wäre sie jetzt zusammengebrochen und hätte bitterlich angefangen zu weinen, doch ab jetzt musste sie versuchen stark zu sein. Das wusste sie. Auch wenn ihre Chancen zu gewinnen bei null standen. Bevor irgendjemand etwas weiteres sagen konnte, ging die Tür erneut auf. „Ihre Zeit ist um.“, sagte ein Friedenswächter und Amina tauschte noch einmal Blicke mit ihren beiden Schwestern. Doch dann wurden die beiden auch schon hinaus geleitet.
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Fear of Death | Hunger Games ff
FanfictionHättest du schon mal Angst davor zu sterben? Alles zu verlieren? Keine Hoffnung mehr zu haben? Ladies und Gentlemen, willkommen zu den 71. Hungerspielen und möge das Glück stets mit euch sein! Doch wer wird die Spiele dieses Mal gewinnen? Das typisc...