Namjoon POV
Seokjin sah mich wartend an, also begann ich. Zuerst ein wenig stockend, doch kaum hatte ich erstmal angefangen, konnte ich nicht mehr aufhören zu erzählen.
Es tat gut, es herauszulassen.
Angefangen bei meinen Eltern, die mich rausgeworfen hatte, weil sie es überhaupt nicht verstanden hatten, dass nicht studieren wollte, dann schilderte ich, wie ich immer wieder bei Freunden untergekommen war. Meine Eltern, die nicht akzeptiert hatten, wie ich war und meine sogenannten Freunde ebenso wenig. Ich erzählte von den ständigen Umzügen, immer wieder aufs Neue der Wechsel in eine andere Wohnung, eine andere Gegend, ein anderer Stadtteil, woran ich mich gewöhnen musste.
Immer wieder die gleiche Prozedur, wenn es hieß, dass ich umziehen musste. Das Packen von Klamotten, das Zusammensuchen meiner Habseligkeiten, wie zum Beispiel meine wenigen Bücher, mein alter Laptop, sowie meine Unterlagen... Ich wünschte, das hätte bald mal ein Ende und ich würde irgendwo ankommen, wo ich tatsächlich zu Hause war.
Mit einigen Aushilfsjobs hatte ich nebenbei immer etwas Geld verdient, aber wie das bei solchen kleinen Stellen immer ist: man wird entweder entlassen oder ausgetauscht. Der letzte Job, den ich hatte, war in einer Bar gewesen, aber der Besitzer konnte während des eher ruhigen Wintergeschäfts nur noch eine Aushilfskraft bezahlen. Die Entscheidung war ihm offenbar nicht leichtgefallen, denn er hatte mir zwar einen kleinen Bonus ausgezahlt, bleiben durfte aber die Studentin, die dort vor mir angefangen hatte. Alles in allem schien ich also wirklich nur Pech zu haben.
All das erzählte ich ihm, bis ich merkte, dass meine Tasse plötzlich ausgetrunken war.
„Das geht jetzt schon knapp drei Jahre so.", seufzte ich dann. „Und langsam bin ich es echt leid... Nachdem ich dann heute von Jay, so heißt der, bei dem ich die letzten Tage übernachtet habe, vor die Tür gesetzt wurde, bin ich zu Chang-Min gegangen. Der allerdings war überhaupt nicht erfreut mich zu sehen, wie Du ja dann mitbekommen hast."
Seokjin nickte, dann beugte er sich ein wenig über den Tisch und fragte: „Und was meinst Du mit: Deine Eltern haben Dich nicht so akzeptiert, wie Du bist?"
Er stellte die Frage ohne Wertung und ohne Neugier, trotzdem kostete es mich Überwindung, ihm die Wahrheit zu sagen. Aber er vertraute mir, also gab ich mir einen Ruck und sprach es aus.
„Ich bin... ich stehe auf Jungs."
Mit klopfenden Herzen und einem mulmigen Gefühl im Bauch wartete ich auf seine Reaktion. Aber er verzog weder das Gesicht, noch machte er eine abfällige Bemerkung. Einzig und allein seine Augen weiteten sich überrascht.
„Das ist der Grund? Deswegen haben sie Dich rausgeschmissen?" Er schüttelte den Kopf, offenbar fassungslos über diese Tatsache. „Deine Eltern und Deine Freunde?"
Zögernd nickte ich.
„Unglaublich.", murmelte er und blickte gedankenverloren auf seine Hände, die die Tasse umklammert hielten.
Ich dagegen spürte, wie nochmal eine Last von meinen Schultern abfiel. Er hatte völlig anders reagiert, als ich es erwartet hätte. Geschockt, oder zumindest distanziert wäre vielleicht bei seinem höflichen Auftreten noch vorstellbar gewesen, aber so...
Namjoon, sein WG-Mitbewohner ist schwul und hat sogar einen festen Freund! Wieso sollte er da wie Chang-Min oder die anderen reagieren? Außerdem hat er selbst gesagt, dass jeder lieben kann, wen er will.
Seokjin unterbrach meine Gedanken, die diesmal ziemlich positiv klangen, indem er mich unvermittelt fragte: „Sind sie noch dort? Deine Sachen?"
„Meine Sachen?"
„Ja, Anziehsachen, Dein Laptop und so weiter. Sind sie noch dort bei diesem...?"
„Jay?", half ich nach, dann nickte ich zur Bestätigung. „Ja, sind sie. Er hat das wohl irgendwie herausbekommen, dass ich... na ja, Du weißt schon... dann hat er mich geschubst, ich war noch nicht mal richtig im Flur, sodass ich praktisch gleich wieder durch die Wohnungstür raus bin."
Plötzlich wirkte Seokjin sehr entschlossen. „Dann werden wir sie Dir morgen zurückholen! Meinst Du, sie sind dann noch da? Oder soll ich gleich-"
Ich hob beschwichtigend die Hand. „Warte, warte, Seokjin... ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist. Jay ist ein Schrank von einem Mann und er kann echt übellaunig werden, wenn es... um sowas geht."
„Das spielt keine Rolle. Du brauchst Dein Zeug, es gehört Dir immerhin."
„Aber Jay..."
Jetzt war er es, der mich unterbrach. „Mach Dir darüber mal keinen Kopf. Ich weiß schon, wen ich da um Hilfe bitten werde. Ich rufe morgen Min Yoongi an, es wird ihm gefallen. Und dann holen wir Deine Sachen zurück!"
Bei dem Namen horchte ich auf. „Wer ist das überhaupt, dieser Min Yoongi? Du hast ihn vorhin schonmal erwähnt, als Du mich... gerettet hast. Du hast aber noch einen anderen Namen genannt, ist er ein Gangster oder sowas?"
Seokjin lächelte schelmisch. „Yoongi ist ein guter Freund von uns. Er hat ein eigenes kleines Musik-Label, aber früher war er... naja, in der Underground-Rap-Szene ziemlich bekannt, was aber eher durch Zufall passierte. Es gab Gerüchte, dass man sich mit ihm besser nicht anlegen sollte. Keine Ahnung, wieso das auf einmal die Runde gemacht hat, aber plötzlich war Yoongi sowas wie eine Autoritätsperson in den ganzen Underground-Clubs... er nahm an Rap-Battles teil, er war richtig gut darin, seine Texte sind immer so... rau und trotzdem ehrlich, was wohl dazu geführt hat, dass sich die Leute von ihm verstanden gefühlt haben... Nach der Schule hat er angefangen Musik zu studieren und trat unter dem Künstlernamen Agust D auf, das ist der Name, den ich vorhin übrigens verwendet habe... All das zusammen feuerte das „Gerücht" weiter an und Yoongi wurde überall mit einer Art... hm... sagen wir... respektvollen Ehrfurcht begrüßt."
Gespannt hörte ich zu, und bemerkte gar nicht, dass ich Seokjin dabei die ganze Zeit anstarrte... und erneut feststellte, wie hübsch und attraktiv er einfach war...
„Tja, und Yoongi hat das zuerst gar nicht verstanden, aber dann hat er sich das zu Nutze gemacht... er ist wirklich ein ruhiger Typ Mensch, wenn er nicht gerade Musik macht, dann schläft er, oder unternimmt was mit uns... aber in der Musik-Szene gibt es halt schwarze Schafe, und wenn da einer ungerecht handelt, dann wird derjenige meist vorgewarnt mit den Worten „Warte, bis Agust D davon erfährt" oder „Ich kenne Agust D"... Diese Typen knicken dann meist ganz schnell ein. Den besten Beweis hat uns heute dieser Idiot geliefert. Kaum habe ich seinen Namen erwähnt, war er weg. Und genauso werden wir das morgen handhaben!", schloss Seokjin und ich blinzelte überrumpelt.
„Aber Seokjin, wie... willst Du das anstellen?"
„Ich rufe Yoongi morgen früh an, und je nachdem wann er Zeit hat -aber ich denke das stellt kein Problem für ihn dar- werden wir morgen Vormittag zu diesem Jay fahren und Deine Sachen holen."
„Wir drei?"
„Ja, ich komme natürlich mit. Wir sind jetzt Freunde, Namjoon, und anders als diese voreingenommenen Typen sind wir für Dich da."
Ich konnte ihn nur sprachlos anstarren und fühlte auf einmal, dass ich wieder etwas hatte, was schon lange nicht mehr dagewesen war.
Hoffnung.
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Habt einen schönen Abend, my friends :)
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Our Love - Our Story ~ Namjin
FanficAn einem Freitagabend möchte Seokjin eigentlich nur schnell etwas einkaufen gehen, allerdings begegnet er auf dem Weg dorthin Namjoon, der in Schwierigkeiten steckt. Er findet heraus, dass Namjoon kein Zuhause hat und nimmt ihn kurzerhand bei sich i...