(18) Verstand

290 13 2
                                    

[N]

Sie gab mir einen Kuss und sah mir mit einem Blick, den ich nicht richtig deuten konnte, in die Augen. Dann nahm sie den Anruf an.

"Hast du was für mich?", fragte sie, ihr Handy am Ohr.

Sie hörte zu.

"Bist du ganz sicher, dass es so ein seltenes Modell ist?"

Wieder Stille. Ihre Gesichtszüge verhärteten sich.

"Also wenn wir ihn ausschließen, dann..."

Sie wurde wütend.

"Natürlich schließen wir ihn aus! Naheliegend oder nicht, er -"

Ihre Finger krampften sich um das Gerät. So weiß, wie ihre Knöchel hervortraten, dachte ich, sie würden gleich ihr Handy zerquetschen.
Sie atmete tief aus, verabschiedete sich und legte auf.

Es musste um die Waffe gehen.

°*°*°*°

[J]

"Hast du was für mich?", fragte ich Jeffrey. Er saß in der Leitstelle des Police Departments und ich hatte ihm alles über die Waffe zukommen lassen, was ich wusste, in der Hoffnung, er könnte uns weiterhelfen. Schließlich war das die einzige Spur, die wir hatten.

"Die Waffe ist nicht wertvoll, aber hier in der Region nicht oft zugelassen. Nur bei fünf Personen ist das Modell gemeldet - darunter Richard O'Connell. Erzählst du nicht ständig von ihm?"

"Bist du ganz sicher, dass es so ein seltenes Modell ist?"

"Ja. Kommen wir auf den letzten Fakt zurück ..."

Ich überlegte. Wer von diesen Menschen hätte denn etwas gegen Nina's Eltern haben können?

"Also wenn wir ihn ausschließen, dann..."

"Das würde ich nicht sofort tun. Er ist der einzige mit Verbindung zur  Bricks Society, er arbeitet in einer Tochterfirma. Und außerdem -"

Das konnte doch nicht sein Ernst sein.

"Natürlich schließen wir ihn aus! Naheliegend oder nicht, er -"

"Jo, hör zu. Ich habe mich mal schlau gemacht, er scheint ziemliche Probleme mit seinen Arbeitgebern zu haben. Schrie immer wieder nach Gesprächen mit denen 'ganz oben' und war unzufrieden. Angeblich hatte er von den Bricks eine hässliche Abfuhr bekommen, als es ihm um mehr Geld ging, und sei dann nicht nur einmal ausgerastet. Er ist vielleicht nicht, für wen du ihn hältst."

Rick. Ein Mörder? Für Geld?

"Ja. Danke."

"Ich will dich nur warnen. Ich habe keine Ahnung, wo du dich da wieder reingeritten hast, abe-"

Ich legte auf und sah zu Nina herüber. Ihre blonden Haare reflektierten wunderschön den wie ein wärmer Lufthauch einströmenden Sonnenschein, der durch's Fenster fiel, und ihre neugierigen Rehaugen musterten mich fragend.
Was sollte ich ihr aber erzählen? Dass Rick die Waffe gehören könnte? Dass er ein Motiv hatte? Oder noch besser. Dass ihre Eltern ihn vielleicht sogar noch provoziert hatten?

"Gibt's was Neues?", fragte sie unschuldig.
Ich hätte lieber gar nichts gewusst, als diese Infos über Rick.

"Nicht wirklich. Die Waffe kann nur ein paar Leuten gehören. Ich schlage vor, die Knöpfen wir uns mal vor." Ich strengte mich an, ihr ein entschlossenes Lächeln zu schenken. Das schien nur nicht so wirklich zu funktionieren...

"In Ordnung." In ihrem Blick sah ich ihren Unglauben. Dabei hatte ich sie nicht angelogen: Wir würden uns alle vorknöpfen. Nur vielleicht müssten wir auch Rick auf den Zahn fühlen. Unserem Rick. Dem großen Typen mit dem sonnigen Gemüt, der keiner Fliege etwas zuleide tun konnte.

Das durfte doch nicht wahr sein.

°*°*°*°

Nachdem ich fertig war, huschte Nina ins Bad. Natürlich wieder mit einem Arm voll meiner Sachen - ich fand es eigentlich ganz schön. Der Gedanke, dass sie mich immer auf ihrer Haut trug, gefiel mir sehr.

Wir würden direkt aufbrechen, sobald sie fertig war. Gedankenverloren zog ich die Schnürsenkel meiner Schuhe fest.
Hat sich Rick auffällig verhalten? Nein. Naja... Sein Verhalten heute Nacht. Aber es war nur etwas merkwürdig.
Ich ging zur Tür und griff mir meine Jacke. Er will nur das Beste für mich. Und Nina. Er war nur müde und gereizt., redete ich mir ein.
Die Dusche ging aus. Ich zog mir meine Jacke zurecht.
Auf einmal knisterte etwas in meiner Jackentasche und ich zog einen kleinen Zettel hervor. Der war doch gestern noch nicht da...

18:00 Uhr. Halle 5, Industriegebiet.
Bring die Waffe mit.

Rick's Handschrift. Er musste ihn mir in der Golden Eye zugesteckt haben. Deshalb sein komisches Verhalten. Deshalb sein Drängen, uns heraus zu halten.
Scheiße.

One Night Drink >girlxgirl< ᵃᵇᵍᵉˢᶜʰˡᵒˢˢᵉⁿWo Geschichten leben. Entdecke jetzt