(19) Glück

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[N]

Irgendetwas stimmte nicht.

Nach dem Telephonat wusste Jo mehr, als sie mir sagte. Doch was verheimlicht sie mir? Es ging um meine Eltern! Da durfte sie mir doch keine Hinweise zum Mörder verschweigen. Ich stellte Jo's Shampoo, das erfrischend roch, aber neutraler als die Frauenvariante, wieder zurück und drehte den Hahn der Dusche zu.
Während ich mich anzog, gingen mir tausend Fragen durch den Kopf.
Was hatte Jo erfahren, dass sie mir nicht sagen wollte?
Was werden das für Menschen sein, die wir wegen der Waffe aufsuchen müssen?
Wird der Mörder unter ihnen sein?
Als ich schließlich den Griff der Tür in meine Hand nahm, schoss mir ein letzter Gedanke ins Gehirn, der mich innehalten ließ.

Was wird aus mir und Jo, wenn wir ihn gefunden haben?

Mein Kopf war auf einmal durchflutet von Wünschen und Sorgen. Ich wollte einfach nur bei ihr sein, doch sie war eine Kriminelle. Ich liebte sie, doch diesen Fakt konnte ich nicht verleugnen. Würde ich die Firma meiner Eltern übernehmen, sobald der Verdacht von mir als Mörderin aus der Welt geschafft war? Dann könnten wir niemals zusammen sein. Nicht nur ihre Vergangenheit würde von der Familie und der Gesellschaft nicht akzeptiert - sie war auch eine Frau.
Ich schüttelte den Kopf und öffnete die Tür. Mit einer Hand an meinem Herzen war alles, was jetzt wichtig für mich war, dass ich sie liebte. Und ich immer bei ihr bleiben wollte.

°*°*°*°

[J]

Auf der Fahrt zum Treffpunkt, den mir hoffentlich nicht Rick in meine Jacke gesteckt hatte, tat mein Kopf vom Denken weh. Die vage Hoffnung, dass mit ihm sei alles nur ein großes Missverständnis und der Zettel in meiner Tasche nur ein witziger Zufall, hielt sich hartnäckig, dabei wusste mein Unterbewusstsein genau bescheid. Gleichzeitig gingen mir aber auch ganz andere Dinge durch den Kopf:

Nina.
Ich hatte die beeindruckendste Frau, die ich je getroffen hatte, neben mir sitzen. In einem gestohlenen Wagen mit halbvollem Tank und ordentlich PS unter der Haube. Ich wollte bei ihr sein.
Der naive Wunsch, mit der Frau, die ich liebe, irgendwo ein ehrliches Leben zu führen, keimte in mir auf und versetzte mein Herz mit süßem Schmerz.
Wir könnten einfach weiterfahren, auf dieser Straße ins Ungewisse. Weg von hier. Weg von den dunklen Gassen der Stadt, weg von Mördern und Dieben, fort aus diesem tristen Überlebenskampf.
Ich schloss kurz die Augen. Ich fuhr, es war daher nur ein verlängertes Zwinkern, doch es rief mir wieder ins Gedächtnis, weshalb ich diese einzigartige Frau überhaupt kennengelernt hatte.

Mir mussten den Mörder ihrer Eltern finden. Vorher würde sie kein ruhiges Leben führen können, das wusste ich.
Also bog ich von dieser vielversprechenden Straße der Zukunft zurück ich die Gegenwart ab.

Richtung Industriegebiet.

°*°*°*°

"Wohin fahren wir?", unterbrach mich Nina's Stimme in meinen Gedankengängen.

"Zu einer Adresse im Industriegebiet. Bevor wir zu den anderen Verdächtigen fahren, möchte ich dort etwas überprüfen."

Ich schaute kurz zu ihr rüber und sah sie im Augenwinkel nicken. Sie vertraute mir.

"Lass uns abhauen."

Meine Augen weiteten sich. Hatte sie das wirklich gesagt? Oder haben Mr meine eigenen Gedanken einen Streich gespielt? Wenn ich nicht gefahren wäre, hätte ich sie jetzt mit einem fragendem Blick angestarrt. Was?

"Sobald das hier vorbei ist. Sobald der Mörder meiner Eltern seine gerechte Strafe erhalten hat. Dann lass uns hier weg gehen.", sagte sie, ihre Stimme war beinahe ein gedankenverlorenes Flüstern, und ertönte dennoch so laut und klar in meinem Kopf.

Ich schluckte.
"Und dein Erbe? Sobald deine Unschuld bewiesen ist, kannst du das Millionenerbe deiner Eltern antreten. Du wirst ein sorgenfreies Leben führen."
Meine eigenen Worte versetzten meinem Herzen einen heftigen Stich. Ich wollte einfach nur, dass sie glücklich war.
Selbst, wenn ich dafür aus ihrem Leben verschwinden müsste.

"Nein, das würde ich nicht.", antwortete sie. Ihre Stimme war auf einmal fest und entschlossen. Ich hörte ihr aufmerksam zu, denn was sie als nächstes sagte, würde mein ganzes Leben verändern.
"Nicht ohne dich."

Eine einzelne Träne lief meine Wange herunter. Ich legte meine Hand auf ihren Oberschenkel, sie ergriff sie.
Und als sich unsere Finger verschränkten, war uns klar, dass wir nur zusammen glücklich wären. Sie konnte nicht mehr ohne mich, und ich nicht mehr ohne sie sein.
Sie schluchzte, als ich in den dunkelsten Teil der Stadt einfuhr.

17:56 Uhr. Ich hielt vor Halle 5.

One Night Drink >girlxgirl< ᵃᵇᵍᵉˢᶜʰˡᵒˢˢᵉⁿWo Geschichten leben. Entdecke jetzt