(7) Pfefferminze

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[J]

Ich hatte mir bereits eine zweite Tasse Tee geholt bis ich den Wasserstrahl der Dusche hörte.

Wie sollte ich mit ihr umgehen? Ich wusste, wer sie war. Ich wusste, was ihr vorgeworfen wurde und ich wusste, ich musste etwas tun. Doch etwas an ihr ließ mich zweifeln, etwas sagte mir, das hinter dieser Geschichte mehr stecken musste.

Sie war sicherlich kein schlechter Mensch. In ihren Augen lagen so viel Trauer und Angst, dass ich mir sicher war, dass sie bereits lange Zeit hatte stark sein müssen. Natürlich, der Vorfall kam ja bereits seit einigen Tagen im Fernsehen, lag schon über eine Woche zurück und war dennoch noch immer das Thema Nummer Eins der Medien.

Ich entschied mich dagegen, sie damit zu konfrontieren. Sie würde es mir erzählen, wenn ich Geduld mit ihr hätte. Ich wusste, sie konnte nirgendwo hin.

Ich wollte mehr darüber erfahren. Und mehr über sie.


[N]

Ich genoss die Frische, die das Wasser mit sich brachte, noch ein paar Minuten, bevor ich aus der Duschkabine stieg und mich mit dem bereit gelegten Handtuch abtrocknete. Die Wärme des Wassers hatte mich meine Sorgen für eine kurze Ewigkeit vergessen lassen, doch nun überkam mich eine starke Müdigkeit, die mich wieder daran erinnerte, wie lange ich bereits nicht mehr ordentlich hatte schlafen können.

Ich griff zu der sauberen Kleidung, die mir Jo zurechtgelegt hatte. Es waren ein weißes Hemd, das mir etwas zu groß war, und eine leichte Jogginghose, die dank des Gummizugs saß, auch wenn die Enden der Hosenbeine über den Boden schleiften.
In diesem Moment war es mir aber vollkommen egal, die Sachen waren weich und warm und ich wäre wohl im Stehen eingeschlafen, hätte ich nicht aus der Wohnung ein Rascheln gehört, das mich neugierig machte.

Ich trat aus dem Bad und atmete wieder den angenehmen Geruch nach Pfefferminztee ein, der die gemütlich eingerichtete Wohnung durchströmte.

„Ich habe das Bett frisch bezogen, du musst müde sein.“ Jo kam aus dem Schlafzimmer auf mich zu und lächelte mich sanft an, bevor sie auf die Couch zuging.

Ich musste Schmunzeln, da mich der Gedanke überkam, ob sie denn einen Persönlichkeitswechsel durchmachte, sobald sie zu Hause war.
Aber so gefiel sie mir um einiges besser.

Ich gähnte.

„Haha, geh‘ schlafen, ich lege mich auf die Couch, mach‘ dich ruhig breit.“, lachte sie.
Sie hatte ein schrecklich lautes Lachen, es war schief, aber passte zu ihr.

„Bist du sicher, dass du auf der Couch schlafen möchtest?“, meinte ich verschlafen.

Eigentlich hätte ich doch nicht in ihrem Bett schlafen sollen, schließlich war ich der ungebetene Gast. Ich hätte auf dem Boden schlafen können, das wäre mehr als genug gewesen.

Jo blickte mich ein wenig verdutzt an, bevor sie mit den Achseln zuckte und sich auf die Couch legte. Sie hatte sich auch eine Jogginghose angezogen, aber ihr passte sie wie angegossen.
Mit einer Armbewegung wies sie mich an, in das Schlafzimmer zu gehen.

Ich war ihr dankbar, doch verstand ich nicht, warum sie auf der Couch schlief als ich in das Schlafzimmer trat. Es war nicht groß, aber in der Mitte des Raumes stand ein mit sauberer weißer Bettwäsche bezogenes Doppelbett, in dem zwei Frauen nebeneinander hätten schlafen können. Wir mussten doch als Frauen keine Angst haben, einander zu nahe zu kommen?

Ich war zu müde, weiter darüber nachzudenken, und ließ mich in das weiche Bett fallen. Es roch nach Männershampoo und Pfefferminztee, doch der Geruch beruhigte mich.

Das letzte, an das ich dachte, bevor mich Schwärze überkam, war, wie anders Jo auf einmal war. Wie ordentlich ihre Wohnung war und wie ungewöhnlich mir das alles erschien.
Ich wollte gern mehr über sie erfahren, doch als aller erstes sollte ich sie morgen nach ihrem Namen fragen, denn Jo konnte doch nur ein Spitzname sein.

Ich fühlte mich wohl und geborgen und schlief sofort ein.

One Night Drink >girlxgirl< ᵃᵇᵍᵉˢᶜʰˡᵒˢˢᵉⁿWo Geschichten leben. Entdecke jetzt