2 | And you know your life is running in a questionable direction

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„So, dann können wir das Wasser ja wieder anstellen", freute sich Rick und drehte den Haupthahn wieder auf. Noch immer standen er und Liam ohne T-Shirts im Keller, dessen Boden nun seit langem wieder seine ursprüngliche Farbe aufwies.

„Äh", machte Marlon und starrte verblüfft zwischen den beiden Gas-Wasser-Wasauchimmer-Installateuren hin und her. „Schon?"
Rick hob eine Augenbraue und meinte: „Naja, wir sind ja fertig."
Wütend starrte Marlon zu Liam, der sein T-Shirt ein letztes Mal über dem nun gefüllten Eimer auswrang.
„Sie haben gesagt drei Stunden!", meckerte der Mann in seinem Backstreet Boys-Shirt.

Liam rollte mit den Augen und erwiderte süffisant: „Nun ja, wenn es irgendwelche Komplikationen gibt", er warf einen eindeutigen Blick zu seinem Kollegen, „kann es auch schon mal länger dauern. Besser, ich sage drei Stunden und dann sind es nur zwanzig Minuten als andersherum und die Leute hocken auf dem Thron und können ihr Werk nicht entsorgen."
Rick grinste und fragte: „Du hast allen Ernstes gesagt, wir brauchen drei Stunden? Mann, dafür hätten wir ja sämtliche Wasserhähne austauschen können."

Empört schnappte Marlon nach Luft und fuhr sich mit seinen Gummihandschuhen über sein Gesicht, um sich selbst davon abzuhalten, diesen unverschämten - und dazu auch noch unverschämt gutaussehenden - Typen hier und jetzt zu erwürgen.

Rick und Liam starrten den hysterischen Mann entsetzt an und begannen dann lauthals zu lachen.
„Alter", kicherte Rick und zeigte auf Marlons Gesicht. „Willst du jetzt neben Howie oder AJ auch noch Rambo sein oder ist das 'ne Schönheitsmaske?"
Marlons Augen weiteten sich entsetzt, denn er hatte vollkommen vergessen, dass er seine schwarzbefleckten Handschuhe noch trug.
„Fuck!", schrie er, drehte sich auf der Stelle um und rannte aus dem Keller.

Rick schüttelte lachend den Kopf und sagte zu Liam: „Kein Massenmörder, wohl eher ein Maskenmörder."

*~*~*

„Fuck!", fluchte Marlon und konnte nicht verhindern, dass ihm nun doch das ein oder andere Tränchen aus dem Augenwinkel quoll. Er stand an seinem Waschbecken, vor ihm verteilt allerlei Tücher, Bimssteine, Nagellackentferner, eine zerdrückte Zitrone, ein aufgerissenes Tütchen Backpulver...
Die schwarzen Flecken in seinem Gesicht, die ihn aussehen ließen, als wäre er ein durchgeknallter Voodoo-Priester, wollten nicht einmal ansatzweise verblassen, geschweige denn verschwinden. Stattdessen war die Haut, die nicht schwarz gefärbt war, nun auffällig gerötet, sodass er fast ein wenig wie dieser eine Typ aus den neuen Star Wars-Filmen aussah. Schwarz und rot.

Wieder klingelte es und er schwor, wenn es dieser Todesengel in Gestalt von Adonis war, würde er vollkommen ausrasten. Rasend vor Wut stampfte er zur Tür und riss diese auf.

Fantastisch, diesen Gedanken hatte dieses gegen ihn verschworene Universum gehört, denn ein noch immer halbnackter und nasser Adonis stand vor seiner Tür und grinste ihn an.
„Dein Schrubber", sagte er und hielt ihm das Haushaltsgerät entgegen. Schwungvoll entriss Marlon ihm das Gerät und knurrte wütend.
„Danke nochmal", lächelte Adonis und Marlon hasste ihn dafür, dass er lächelnd noch umwerfender zu werden schien. Dieser Teufel!

„Ja, ja", brummte Marlon entnervt und wollte die Tür schon wieder zuschlagen, doch Adonis war nicht nur hübsch, sondern auch schnell und schob rechtzeitig seinen Fuß in die Tür. Was zur-?
„Schon mal Chlor versucht?", fragte er und Marlon hob eine Augenbraue.
„Ich habe keine Ahnung, was Sie wollen, aber nein, ich schnüffele keinen Klebstoff oder nehme andere lebensgefährliche Dinge", schnappte er.

Adonis lachte und schüttelte den Kopf, zeigte stattdessen auf Marlons Gesicht.
„Chlor hilft bei Verfärbungen, es ist auch in den meisten Bleichmitteln zu finden", erklärte er.
„Wie schön", zickte Marlon. „Nur leider sehe ich mich gerade nicht in der Lage, ein Chlorgeschäft aufzusuchen, geschweige denn jemals das Haus wieder zu verlassen und alles nur weil Sie so unverschämt-"

Adonis hob seinen langen Zeigefinger und unterbrach damit Marlons hysterisches Gezeter. „Wir haben Chlorreiniger im Auto, ich hole dir was", erklärte er nur, sprang nun schon zum dritten Mal an diesem Tag die Treppen hinunter und ließ einen fassungslosen Marlon an der Tür zurück.

Marlon ging zu seinem Fenster und blickte hinab auf die Straße, wo er den halbnackten Adonis in einen weiß-blauen Lieferwagen mit der Aufschrift ‚Watts & Söhne' klettern sah. Kurz darauf kam er mit einer dunkelblauen Plastikflasche heraus, sprach noch kurz mit seinem blonden Kollegen, der irgendwo ein trockenes T-Shirt gefunden und angezogen hatte, und ging zurück ins Haus.

Wenig später klopfte es leise an Marlons noch angelehnte Wohnungstür.
„Wenn mir das mein Gesicht verätzt, verklage ich Ihren Arsch bis nach Kasachstan!", motzte Marlon und Adonis grinste wieder nur.
„Oh, die kasachischen Gefängnisse sollen nicht besonders komfortabel sein, dann lass ich das mit dem Verätzen lieber", kicherte er. „Darf ich?"
Er deutete in Richtung Marlons Badezimmer und widerwillig nickte Marlon.

Im Badezimmer nahm Adonis Marlons Zahnputzbecher, füllte ihn mit Wasser und gab einen Schuss des nach Schwimmunterricht in der achten Klasse riechenden Mittels hinzu. Dann tunkte er den Lappen, mit dem Marlon bereits verzweifelt in seinem Gesicht herumgewischt hatte, hinein und reichte ihn Marlon.
„Vielleicht probierst du es erst einmal an der Seite, dann sieht man die Verätzung nicht gleich", erklärte er und Marlon erkannte, dass der Mann ihm gegenüber sich ein Schmunzeln verkneifen musste.

Mürrisch griff Marlon den Lappen und wischte sich damit vorsichtig über die Wange. Tatsächlich verblasste die schwarze Färbung etwas und als Marlon etwas fester rieb, verschwand sie gänzlich.
„Wow", machte Marlon und tunkte den Lappen erneut in den Becher.
„Einfache Chemie", sagte der Klempner und sah sich interessiert in Marlons chaotischem Badezimmer um. „Oh", machte er. „Doch keine Leichenteile."

„Was?", fragte Marlon geistesabwesend, während sein Gesicht allmählich wieder seine natürliche Färbung plus etwas Rot vom starken Reiben annahm.
„Ich dachte, du bist ein Massenmörder mit den Handschuhen und so."
„Ich ermorde höchstens die schreckliche Waschung meiner Jeans, indem ich sie färbe", rollte Marlon mit den Augen. „Wobei Sie das Ganze durch den Wasserentzug ad absurdum geführt haben und ich die Prozedur nun erneut beginnen darf."

„Hey, da bist du ja wieder", strahlte Adonis ihn an und Marlon runzelte verwirrt die Stirn.
„Die Farbe ist fast weg", freute sich der halbnackte Mann und nahm Marlon ganz selbstverständlich den Lappen ab, tunkte ihn erneut in den Becher und wischte damit noch einmal über einen Fleck an Marlons Schläfe. Marlon starrte ihn nur verblüfft an und fragte sich, wie jemand so blaue Augen haben konnte.

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