Marlon saß allen Ernstes in einem flauschigen, weißen Bademantel im Wellnessbereich des von Hailey auserwählten Hotels für ihn und wartete auf seine erste Massage. An der Rezeption wurde er freundlich begrüßt und über seinen ersten Termin informiert. Er hatte gerade einmal zwanzig Minuten Zeit gehabt, sein Zimmer, das sich in einem Nebengebäude mit direktem Strandzugang befand, zu suchen und sein Gepäck abzustellen.
Zimmer war auch eher eine Untertreibung für den großen Raum samt Strandterrasse und gigantischem Badezimmer, den er für die kommenden zehn Tage sein Zuhause nennen würde. Auf dem kleinen Beistelltisch stand ein Obstkorb, bei dessen Auswahl jeder normale Supermarkt neidisch werden könnte, und daran lehnte eine kleine Karte.
Marlon,
genieß es einfach und komm wieder als du selbst zurück. Du fehlst mir! Ich habe hier alles im Griff.
Deine Freundin
Hailey
PS: Kein Schreibtisch, also denke nicht mal ans Arbeiten!Lächelnd hatte Marlon die Karte zurückgelegt und aufs Meer hinausgeblickt. Als er selbst zurückkommen. Als ob das möglich wäre..
„Darf ich Ihnen etwas zu Trinken bringen, während Sie noch warten, Mr. Stewart?", bot eine freundliche Spa-Mitarbeiterin in weißem Poloshirt und Shorts an. „Marco ist gleich so weit."
Verwirrt blickte Marlon sie an, seine Gedanken hatten sich schon wieder vollkommen selbständig gemacht.
„Ich.. äh.."
„Wir hätten extra mineralisiertes Wasser, Wellness-Limonade, Tomatensaft oder-"
„Einen Tomatensaft, denke ich", antwortete Marlon schnell, bevor die durchaus motiviere Mitarbeiterin auf die Idee kam, ihm einen ganzen Gemüsegarten an Wellnessgetränken anzubieten. Marlon wäre eine Bloody Mary eigentlich lieber gewesen, aber das traute er sich nicht zu fragen.Die freundliche Frau nickte lächelnd und verschwand sogleich in einem kleinen Nebenraum hinter ihrem Tresen. Kurz darauf öffnete sich eine andere Tür und ein mittelgroßer Mann mit dunklen Augen und noch dunkleren Haaren kam auf Marlon zu.
„Mr. Stewart?", fragte er ihn freundlich. Marlon nickte nur und stand auf.
„Ich bin Marco und für den Zeitraum ihres Aufenthalts ihr zugewiesener Masseur", erklärte der Mann professionell.
„Ich habe einen zugewiesenen Masseur?", fragte Marlon verblüfft.Marco lächelte und nickte, während er Marlon in den Raum geleitete, aus dem er gerade gekommen war.
„Wir vertreten hier die Auffassung, dass auch Vertrautheit zur Entspannung unserer Gäste beiträgt. Wenn wir beide uns etwas besser kennen, weiß ich eher Bescheid, was Sie brauchen als jemand, bei dem Sie zuvor noch nicht auf der Liege waren."„Hm", machte Marlon und fragte sich erneut, wo Hailey dieses Spa gefunden hatte. Sie musste wirklich großen Aufwand betrieben zu haben, ihm so ein Goldstück herauszusuchen.
„Es sei denn, Sie hätten lieber jemand anderen, dann-", begann Marco, doch Marlon schüttelte gleich den Kopf.
„Nein", murmelte er. „Sie sind vollkommen okay."
„Sollen wir dann heute mit einer entspannenden Nackenmassage beginnen? Sie sind vorhin erst angereist, richtig?", schlug Marco vor.Marlon setzte sich auf die ihm dargebotene Liege und ließ den Bademantel von seinen Schultern rutschen.
„Ja", brummte er. Marco rieb seine Hände mit etwas Massageöl ein und legte sie dann vorsichtig auf Marlons Schultern.
„Dann starten wir ganz entspannt und Sie können hinterher gleich Ihre Bloody Mary trinken", witzelte er und Marlon drehte sich entsetzt um. Hatte er vorhin laut gedacht?„Hey", lachte Marco und hob entschuldigend die Hände. „Ich mache den Job schon eine Weile und Sie, mein Lieber, sehen aus, als wären Sie nicht ganz freiwillig hier und würden sich am liebsten nur betrinken."
Marlon seufzte und drehte Marco wieder seinen Rücken zu.
„Vielleicht haben Sie recht", flüsterte er.„Also", sagte Marco fröhlich und begann, Marlons Nacken zu bearbeiten. „Wer hat Sie denn zu diesem Urlaub verdonnert? Ihre Freundin? Freund? Chef?"
Marlon lachte leise, dieser Masseur schien wirklich eine gute Menschenkenntnis zu haben.
„Meine Mitarbeiterin", murmelte Marlon und spürte, wie er tatsächlich allmählich begann sich zu entspannen. „Es war entweder das oder ihre Kündigung."
„Oh", machte Marco ironisch. „Eine schwere Entscheidung."„Sie meint, ich wäre nicht mehr ich selbst seit-" Doch Marlon unterbrach sich selbst, er wollte nicht an das ‚Seit' denken.
„Verstehe", erwiderte Marco nur. „Das geht vielen so. Aber vielleicht finden Sie sich ja hier wieder. Viele Leute merken erst im Urlaub, fern vom Alltag und dem üblichen Stress, dass sie sich verändert oder etwas verloren haben."Marlon seufzte und schloss die Augen, während Marcos Hände wie magisch die Verspannungen in seinem Nacken lösten.
„Kann man etwas verlieren, das man nie hatte?", wisperte er.
„Wenn es zu einem gehört, kommt es immer wieder zu einem zurück, sagte meine liebe Großmutter immer", antwortete Marco weise.Marlon schluckte und räusperte sich, um nicht die hart erarbeitete Fassung zu verlieren.
„Besser, es kommt nicht zurück", raunte er mit belegter Stimme. „Ich will es nicht mehr."
Marcos Hände beendeten ihre Arbeit und als Marlon sich zu ihm umdrehte, lächelte der Mann mit den dunklen Augen ihn freundlich an.
„Dann würden Sie es vergessen, wenn es so wäre", sagte er. „Und jetzt hat Sally bestimmt schon Ihre Bloody Mary fertig. Sehen wir uns morgen?"„Ich hatte doch nur einen Tomatensaft bestellt", wunderte sich Marlon und Marco grinste.
„Aber es ist doch Tomatensaft drin", zwinkerte er. „Nur übertreiben Sie es nicht. In aller Regel helfen die Drinks nur temporär."
„Und was empfehlen Sie mir stattdessen?", wollte Marlon wissen.
„Entspannung, Ablenkung und viel Schlaf. Alles andere kommt dann von ganz allein, Mr. Stewart."
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Romance»𝐀𝐧𝐝 𝐜𝐨𝐦𝐞 𝐦𝐨𝐫𝐧𝐢𝐧𝐠, 𝐈 𝐚𝐦 𝐝𝐢𝐬𝐚𝐩𝐩𝐞𝐚𝐫𝐞𝐝, 𝐣𝐮𝐬𝐭 𝐚𝐧 𝐢𝐦𝐩𝐫𝐢𝐧𝐭 𝐨𝐧 𝐭𝐡𝐞 𝐛𝐞𝐝 𝐬𝐡𝐞𝐞𝐭𝐬.« Lange an ein und demselben Ort verweilen, umgeben von ein und denselben Menschen? Das ist nichts für Liam Carter. Er füh...